"Ich habe in der dritten Klasse einen Fernsehbeitrag gesehen und seitdem wollte ich das machen."
"Also bei mir war das ähnlich, ich habe in der ersten Klasse einen Zeitungsartikel dazu gesehen und seitdem war mir klar, ich möchte dabei sein."
Katharina aus Niedersachsen und Lara aus München können es kaum erwarten. Ein Jahr bereiteten sie sich vor, auf das Erlebnis ihres Lebens, so sehen sie es.
Über ein halbes Jahr auf dem schwimmenden Klassenzimmer
Erst die Bewerbung, eine Woche Probetörn im Frühsommer, dann das bange Warten, ob sie unter den 34 Schülerinnen und Schülern sein werden, die in diesem Jahr Schule einmal anders erleben: Auf einem Schiff. Ein Traum, meinen sie. Trotz Seekrankheit?
"Es heißt auf der ersten Etappe wird dir halt schon schlecht, aber so nach einer Woche heißt es, ist es weg und man wird eher landkrank, wenn man an Land geht."
Eine Hand am Mann beziehungsweise Schüler, eine am Schiff, gehört ab jetzt für sie zum Alltag.
Sechseinhalb Monate "Klassenzimmer unter Segeln", an Deck auf festgezurrten Bierbänken, unterwegs auf den Spuren von Christoph Kolumbus und Alexander von Humboldt:
"Wir haben Netze dabei, mit denen wir zum Beispiel Kunststoffe, die an der Oberfläche treiben, mit so einem Schleppnetz quasi aufsammeln können und dann mal schauen, in welchen Regionen findet man jetzt viel Kunststoff und in welcher Region weniger."
Physik und Spanisch, Nautik und Segelsetzen
Chemie-, Biologielehrer Michael Elm aus Erlangen gehört zu den fünf Lehrkräften, die die Schüler in zwei Gruppen abwechselnd unterrichten. Deutsch, Mathematik, Physik, Spanisch, Geschichte, Geografie, auch Nautik zur Navigation á la Kolumbus oder – naheliegend – Astronomie für den Nachtwachen. Man orientiere sich am bayerischen Lehrplan, so Elm, aber könne natürlich flexibel reagieren. Ganz aktuell: Klimawandel und Mikroplastik:
"Das Meer hat sich verändert. Damals, als ich anfing, auch dann in den 80er Jahren war es die Ölverschmutzung, heute entdecken wir da immer wieder diese Plastikvermüllung der Inseln, aber wir machen auch Wasseruntersuchungen mitten im Atlantik wegen Mikroplastik und wir nehmen Proben, das wird untersucht vom Kieler Forschungslabor."
Erklärt Kapitän Detlef Soitzek. Er gehörte in den 70er Jahre selbst zur Crew von Thor Heyerdahl und fuhr auf der Tigris mit.
Sechseinhalb Monate ist man ab jetzt aufeinander angewiesen, wissen alle. Aussteigen funktioniert nicht. Durchhalten und an den Aufgaben wachsen, das wollen sie. Bei den Tag- und Nachtwachen, die rund um die Uhr mit je zwei Crewmitgliedern und vier Schülern besetzt sind, beim Reinigungsdienst an und unter Deck, beim Segelsetzen, beim Kochen für 50 Personen wie Ben aus Forchheim und Paul aus Jade erklären:
"Also ich habe schon mal für ein paar Leute gekocht, aber so viel noch nicht."
"Also man erlebt natürlich ganz viel Neues, die neuen Kulturen, allein die Segelerfahrung. Ich habe davor noch nicht gesegelt und hab erfahren, dass es saucool einfach ist."
Unterricht auf dem Dreimaster ist teuer
Fast 8.000 Kilometer westlich auf Union Island in der Karibik wartet bereits einer der lokalen Ortskräfte auf das schwimmende Klassenzimmer. Der Einheimische, der von allen nur Herman the German genannt wird, erklärt den Schülern jedes Jahr Kultur und Geschichte der Grenadinen.
Die Friedrich-Alexander-Universität unterstütze das Projekt "auf allen Ebenen", sagt Günter Leugering, Vizepräsident Research der FAU.
Knackpunkt: Der Törn auf dem pittoresken Dreimaster kostet. Ungefähr soviel wie eine Elite-Internatsschule wie Salem - pro Monat. Das schreckt Interessenten auf den ersten Blick ab, lässt es als ein Eliteprojekt erscheinen. Doch das wolle man auf keinen Fall sein, betont Projektleiterin Ruth Merk.
"Nein, wir gucken nicht nach den Finanzen, überhaupt nicht, sondern wir wählen aus und dann können sie einen Förderantrag stellen. Bislang ist es uns gelungen, alle, die wir ausgewählt haben auch mitzunehmen, ich hoffe, das bleibt auch so."
Eltern und Kinder nehmen Abschied
Investieren in die Zukunft der Kinder – das ist das Argument dieses Vaters:
"Man muss einfach entscheiden, was einem wichtig ist. Ich meine, die meisten Leute kaufen sich ein Auto für über dreißigtausend Euro und dafür ist dann kein Geld da. Man macht bei den Kindern einfach eine wichtige Weichenstellung, die über ihre Zukunft bestimmt und wenn mir das wichtig ist, dann verzichte ich halt mal drei Jahre auf ein neues Auto."
"Ich kann es ja im Moment noch gar nicht so abschätzen, was es für uns tatsächlich bedeutet, aber es wird schon speziell, glaub ich."
Lorenz Flatt, Vater einer Teilnehmerin aus Niedersachsen, beugte sich dem Wunsch der Tochter und steht jetzt an der Pier, während das Schiff langsam ausläuft.
"In Kiel da steht die große Thor, 'ne riesen Reise steht bevor, der Kapitän ist schon am Steuer, auf geht’s zum großen Abenteuer."
Eltern und Kinder verabschieden sich mit einem Ständchen. Am Steuer - ein Schüler. Am 26. April 2020 werden sie sich hier wieder begrüßen.
"Und hier am Kai der Hafenstadt stehn die Eltern sich die Füße platt. Good bye, auf Wiedersehen, good bye, auf Wiedersehen, good bye, Ihr lieben KUSis."