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Klassik und Informatik
KI soll Beethoven-Sinfonie schreiben

Neun Sinfonien schuf Beethoven - die zehnte ist unvollendet. Jetzt haben Forscher einen Algorithmus entwickelt, der sie zu Ende komponieren soll. "Das kann interessant sein, um Technologie zu verstehen - sicherlich nicht, um Beethoven zu verstehen", urteilt Musikjournalist Raoul Mörchen im Dlf.

Raoul Mörchen im Gespräch mit Jörg Biesler |
Gemälde von Beethoven bei einem Spaziergang bei windigem Wetter.
Kritischer Blick: Kann eine künstliche Intelligenz Beethoven ersetzen? (picture alliance / Mary Evans Picture Library / H. Wulff)
Von Ludwig van Beethovens zehnter Sinfonie sind nur wenige Skizzen überliefert - jetzt soll daraus eine ganze Sinfonie werden. Musikwissenschaftler und Informatiker haben einen Algorithmus entwickelt, der Beethovens Unvollendete zu Ende bringen soll. Mindestens zwei Sätze sollen es werden, versprechen die Forscher, die dann im Rahmen des Beethovenjahres im April 2020 vom Beethovenorchester in Bonn aufgeführt werden sollen.
Koordiniert wird das Projekt vom Karajan-Institut in Salzburg; die Finanzierung kommt von der deutschen Telekom. "Ich würde sagen, das ist nicht von der Forschungsabteilung der Telekom, sondern von der Marketingabteilung der Telekom finanziert", vermutet Musikjournalist Raoul Mörchen im Dlf. Das Unternehmen könne sich damit vielleicht in seiner technischen Kompetenz herausstellen und auch in seiner örtlichen Nähe - denn der Hauptsitz der Telekom liegt ja wie Beethovens Geburtshaus in Bonn.
"Beethoven hätte weiter skizziert"
Es gehe bei dem Projekt nicht um eine "Komplettierung" - die Partitur sei noch gar nicht angefangen worden von Beethoven. "Wenn man sich die Gesamtheit aller überlieferten Skizzen zur zehnten anschaut, ist das so wenig, dass man sagen muss, dass Beethoven auch damit noch nicht angefangen hätte. Er hätte weiter skizziert", so Mörchen. Beethoven sei unglaublich kritisch gewesen im Vorfeld. Bis er die ersten Notenlinien eingezeichnet hätte, sei sehr viel Zeit vergangen.
"Das kann sicherlich interessant sein, um Technologie zu verstehen - sicherlich nicht, um Beethoven zu verstehen", urteilt Mörchen über das Projekt. Man könne nicht den Schatz von Beethoven-Sinfonien um zehn Prozent steigern.
"Das ist nicht Beethoven"
Aus Beethovens 31. Klaviersonate könne man nicht die 32. ableiten. "Der Algorithmus ist ja ein Regelwerk, das Gelerntes, Angefüttertes anwendet. Gerade im Falle von Beethoven läuft das dem Charakter und der Ästhetik und der Eigenbestimmung komplett konträr. Beethoven ist personifizierte Regelverletzung."
Wenn eine halbe Partitur vorhanden wäre, könnte man eventuell mit einer gewissen Logik weiterarbeiten, glaubt Mörchen. "Aber auch da müsste man sagen: Alles wäre Ableitung aus dem Bestehenden. Und das ist nicht Beethoven."