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Klaus Barthel, SPD
"Die Wähler wollen, dass wir für ihre Belange eintreten"

Es gebe keine Garantie dafür, dass sich die SPD in der Opposition erneuern werde, sagte Klaus Barthel im Dlf. Die Wähler hätten die Partei gewählt, um für ihre Belange einzutreten, so der SPD-Politiker. "Und ich weiß nicht, wie man einen Mindestlohn oder eine Reform der Sozialversicherungen aus der Opposition heraus entwickeln soll."

Klaus Barthel im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Porträtbild des SPD-Politikers Klaus Barthel
    Will nichts von vornherein ausschließen, sondern "deutlich machen, worum es inhaltlich geht": Klaus Barthel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (picture alliance / dpa/ Armin Weigel)
    Dirk-Oliver Heckmann: Soll die SPD in die Opposition gehen, zumindest aber eine Neuauflage der Großen Koalition kategorisch ausschließen - oder soll jetzt über alle Möglichkeiten gesprochen werden und auch eine Koalition mit der Union ausgelotet werden? Der SPD-Vorstand hatte sich nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen ja noch einstimmig dafür ausgesprochen, eine GroKo auszuschließen. Jetzt aber, auch nachdem der Bundespräsident an alle Parteien appelliert hatte, ihrer Verantwortung nachzukommen, sieht man sich gezwungen, eine 180-Grad-Wende zu vollziehen. Die Nachrichtenagentur dpa, die meldet gerade mit Berufung auf Parteikreise, es habe eine Entscheidung gegeben, und zwar habe man sich für ergebnisoffene Gespräche entschieden, und zwar einstimmig bei einer Enthaltung. Darüber können wir jetzt reden mit Klaus Barthel. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen innerhalb der SPD, des Arbeitnehmerflügels der SPD. Schönen guten Tag, Herr Barthel.
    Klaus Barthel: Guten Tag!
    Heckmann: Erst schließt Martin Schulz eine GroKo kategorisch aus. Jetzt legt er eine 180-Grad-Wende hin. Kommen Sie da eigentlich noch mit?
    Barthel: Na ja, es verändern sich ja auch die Dinge. Ich finde es jetzt richtig zu sagen, wir schließen nichts aus, wir warten jetzt mal auch auf ein Gesprächsangebot, denn eigentlich ist schon seit Wochen ja die Kanzlerin und die Union gefordert, jetzt mal zu sagen, wie sie eigentlich mit ihrer Rolle als stärkste Partei im Deutschen Bundestag und Fraktion umgehen wollen.
    "Die Union hat ja kaum ein eigenes Programm"
    Heckmann: Der SPD-Bundesvorstand, der hatte sich ja einstimmig der Linie von Martin Schulz angeschlossen. Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche war das ja. Anschließend gab es dann Kritik von der einen oder anderen Person. Machen sich Ihre Genossen bei jeder Gelegenheit gerne einen schlanken Fuß?
    Barthel: Na ja, ich glaube, im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer. Aber ich habe diesen Beschluss damals schon für problematisch gehalten, denn er hindert uns ja daran …
    Heckmann: Aber gesagt haben Sie es nicht, oder?
    Barthel: Bitte!
    Heckmann: Gesagt haben Sie es nicht, oder?
    Barthel: Ich habe es auch gesagt. Aber ich gehöre dem Vorstand nicht mit Stimmrecht an, und das Problem ist ja immer, wenn man irgendwas ausschließt, dann hindert uns das daran, deutlich zu machen, worum es uns inhaltlich geht. Und ich glaube, der Vorstand hat heute den Weg aufgemacht, dass wir anhand jetzt von zentralen Inhalten, für die wir antreten, mal diskutieren können und sich die Union dazu verhalten muss, wie sie eigentlich inhaltlich jetzt die nächsten vier Jahre gestalten wollen. Denn bis jetzt hört man ja da gar nichts. Die Kanzlerin moderiert höchstens. Die Union hat ja kaum ein eigenes Programm. Im Wesentlichen hören wir nur, was alles nicht geht von sozialdemokratischen Forderungen. Aber auf diesem Niveau wird man ja nicht stehen bleiben können.
    "Man muss immer verhandeln und Ergebnisse anstreben"
    Heckmann: Das sehen nicht alle so in Ihrer Partei. Die Jungsozialisten, die Jusos, die haben ganz klar gesagt, die SPD solle eine GroKo kategorisch ausschließen. Sie sind da weniger entschieden, entnehme ich Ihren Worten. Sind Sie doch ein heimlicher Fan der GroKo?
    Barthel: Wie gesagt, als einer, der aus der Gewerkschaftsbewegung kommt und kennt, dass man immer verhandeln muss und Ergebnisse anstreben muss, finde ich es immer schlecht zu sagen, wir reden überhaupt nicht miteinander. Aber der Punkt ist natürlich, wo die Jusos recht haben: Es kann nicht einfach so sein, wie ich jetzt in vielen Medien höre und lese, eine Neuauflage der Großen Koalition stünde bevor. Es darf auf keinen Fall eine Neuauflage dessen geben, was wir die letzten vier Jahre erlebt haben, sondern eine solche Koalition, die ja gar keine große mehr ist, müsste auch aus den Fehlern und Problemen der vergangenen vier Jahre lernen und müsste sagen: Wenn jetzt die großen Parteien sich zu einer Koalition zusammenschließen, dann müssen sie auch große Projekte angehen.
    "Ob die alles mitmachen oder nicht, das wird man sehen"
    Heckmann: Aber es ist ja nicht so gewesen, dass in der letzten Legislatur bei der Großen Koalition die SPD keine Ziele durchgesetzt hätte. Im Gegenteil! Es wurde ja eher der Union angelastet, ein sozialdemokratisches Programm abzuarbeiten. Und die SPD-Politiker, die sich jetzt in den letzten Tagen geäußert haben, die haben sich ja geradezu überboten mit Forderungen: Bürgerversicherung, Sicherung des Rentenniveaus, Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit. Glauben Sie denn wirklich, dass die Union auch in dieser Situation alles mitmacht?
    Barthel: Ob die alles mitmachen oder nicht, das wird man sehen. Aber dass wir grundlegend Reformen brauchen, um zum Beispiel die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden, dass wir Reformen in den Sozialsystemen brauchen, damit nicht die Arbeitnehmer alles bezahlen wie zum Beispiel jetzt bei den Kostensteigerungen im Gesundheitswesen, dass wir eine gerechtere Steuerpolitik brauchen, dass wir eine Gestaltung auch jetzt brauchen im Bereich der Daseinsvorsorge, sprich auch der Entwicklung der ländlichen Räume, dass wir eine neue Industriepolitik und Investitionen brauchen, das wissen ja alle und das ist in den letzten vier Jahren im Klein-Klein hängen geblieben und da gab es mehr Blockaden. Am Ende war für die Sozialdemokratie das Problem, dass wir zwar aufrecht in diese Große Koalition reingegangen sind, aber nicht aufrecht und mit Selbstbewusstsein rausgegangen sind und aus dieser Erfahrung nicht eine offensive Perspektive entwickelt haben.
    Oppositionsrolle nicht von vornherein festlegen
    Heckmann: Aber genauso äußern Sie sich ja auch. Sie verkaufen ja die Erfolge gar nicht als die SPD-Erfolge, sondern sagen, das ist jetzt alles Klein-Klein gewesen. Und das Ergebnis ist ja bekannt gewesen bei der letzten Bundestagswahl. 20,5 Prozent der Stimmen hat die SPD bekommen. Fürchten Sie nicht, dass, wenn Sie noch mal in eine GroKo reingehen sollten, Sie nächstes Mal bei 15 Prozent landen oder bei zehn?
    Barthel: Die Gefahr ist da und die müssen wir ständig sehen. Bloß alle, die sagen, das wollen wir auf keinen Fall, müssen sich überlegen, wie wir gewährleisten wollen, warum es uns in einer Oppositionsrolle, die wir jetzt von vornherein schon festlegen, ohne was zu prüfen, besser gehen soll. Denn ich weiß nicht, wie man einen Mindestlohn oder eine Reform der Sozialversicherungen aus der Opposition heraus entwickeln soll.
    Heckmann: Vielleicht müsste die SPD sich erst mal erneuern in der Opposition.
    Barthel: Na ja, klar. Aber dafür gibt es ja keine Garantie. Wir haben das ja erlebt, wie es 2009 bis 2013 auf Bundesebene war. Da wurde zwar viel von Erneuerung geredet, aber letzten Endes ist da nicht viel passiert. Im Gegenteil!
    "Man kann aus allen Konstellationen offensiv was machen"
    Heckmann: Und Sie denken, dass eine Erneuerung in der Regierung besser funktionieren dürfte?
    Barthel: Ja. Wie gesagt, man kann es in der Regierung versäumen, so wie in den letzten vier Jahren. Man kann es auch in der Opposition versäumen, so wie wir es auch schon hatten, wie wir es zum Beispiel auch aus Bayern kennen. Man kann auch bei einer Tolerierung es versäumen. Aber man kann auch aus allen Konstellationen offensiv was machen, und dafür müssen wir uns jetzt aufstellen und dafür müssen wir unsere Positionen jetzt mal formulieren. Denn wenn wir jetzt in eine Diskussion auch mit den Wählerinnen und Wählern eintreten wollen, dann müssen wir jede Variante erklären können. Und wenn wir nicht erklären können, warum wir zum Beispiel in die Opposition gehen, was wir denn gerne gehabt hätten und woran wir gehindert worden sind von den anderen, wenn wir niemandem das erklären können, glaube ich nicht, dass uns deswegen jemand wählt, sondern die Wählerinnen und Wähler wollen ja, dass wir für ihre Belange eintreten und dafür Mehrheiten suchen.
    Heckmann: Klaus Barthel war das, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen innerhalb der SPD. Schönen Dank für das Gespräch.
    Barthel: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.