Ann-Kathrin Büüsker: Wenn Sie bis einschließlich November mit Air Berlin fliegen wollen, dann wird Ihr Flug auch gehen, sagt zumindest Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Die Bundesregierung nimmt 150 Millionen Euro in die Hand, um die insolvente Air Berlin mit einem Brückenkredit zu finanzieren, damit der Flugbetrieb weitergehen kann und damit auch Zeit gewonnen wird, um das Unternehmen abzuwickeln und möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Dass der Übergangsbetrieb tatsächlich reibungslos verläuft, daran haben allerdings viele Kunden Zweifel, wie Benjamin Dierks gestern in Tegel beobachtet hat. Aber der Flugbetrieb ist offiziell bis November gesichert. Bis dahin wird zumindest für Teile von Air Berlin eine Zukunft gefunden sein. Lufthansa und easyJet haben Interesse signalisiert. Ryanair fühlt sich außen vor gelassen, macht der Bundesregierung deshalb sogar Vorwürfe. Über die Zukunft von Air Berlin, vor allem mit Blick auf die Beschäftigten, möchte ich mit Klaus Barthel sprechen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD und stellvertretender Vorsitzender im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen, Herr Barthel!
Klaus Barthel: Schönen guten Morgen!
"Schrecken" soll sich in Grenzen halten
Büüsker: Herr Barthel, unser Korrespondent hat mit Blick auf die Insolvenz vor Air Berlin gestern kommentiert: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende". Würden Sie sich dieser Einschätzung anschließen?
Barthel: Dass es um Air Berlin nicht gut steht und dass womöglich ein Ende dieser Fluggesellschaft in Sicht ist, dürfte klar sein, aber es geht ja darum, dass es hier tausende von Kundinnen und Kunden gibt, die jetzt irgendwo in der Welt sitzen und auf ihren Rückflug aus dem Urlaub warten – und um knapp 9.000 Beschäftigte, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Mit dem Kredit kann zumindest erst mal sichergestellt werden, dass der Schrecken für diese Menschen sich in Grenzen hält.
Einmischung in Wettbewerb "immer schwierig"
Büüsker: Sie haben es jetzt selber gesagt, dass es sich abzeichnet, dass es mit Air Berlin zu Ende geht oder zumindest schlecht steht. Das wissen wir seit Monaten. Warum hat die Politik da nicht eher eingegriffen, das Unternehmen politisch gedrängt, etwas zu tun, um auch die Arbeitsplätze zu sichern?
Barthel: Das ist immer schwierig, sich in private Fluggesellschaften, in einen Wettbewerb einzumischen. Wir erleben ja jetzt gerade in der Debatte, die jetzt zum Beispiel von Ryanair angezettelt wird, dass schon dieser Überbrückungskredit kritisch gesehen wird, und der muss ja auch überprüft werden. Aber in das Marktgeschehen oder in unternehmerische Entscheidungen einzugreifen, das wäre für die Bundesregierung schwierig. Das können wir auch in anderen Bereichen nicht tun.
Büüsker: Aber wieso ist es dann jetzt gerechtfertigt, dass 150 Millionen Euro fließen?
Barthel: Wie gesagt, es geht da drum, dass Kunden ihren Rückflug brauchen, die jetzt irgendwo im Urlaub sind und wo es völlig unklar wäre, was mit denen passiert, wenn Air Berlin den Betrieb von heute auf morgen einstellen muss - denn das wäre die Folge gewesen, wenn die 150 Millionen Kredit nicht zur Verfügung gestanden hätten. Dann wäre ab sofort alles beendet gewesen, und es wären im Grunde die Beschäftigten auf der Straße gestanden ohne Perspektive. Und jetzt hat man eben Zeit, ein paar Wochen - mehr ist es letzten Endes nicht -, für eine geordnete Abwicklung von Air Berlin zu sorgen.
Barthel: Alle Bieter könnten Air Berlin schuldenfrei übernehmen
Büüsker: Herr Barthel, wenn man aber marktwirtschaftlich argumentiert und sagt, vorher konnte die Bundesregierung keinen Druck ausüben, dann müsste man doch eigentlich auch sagen, gut, das Unternehmen ist insolvent, müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Kunden halt gucken, wo sie bleiben.
Barthel: Ja, bloß, die können ja da nichts für, und alle haben darauf gesetzt oder viele haben darauf gesetzt, dass Investoren sich finden oder dass der bisherige Hauptinvestor weiterhin bereit ist, nachzuschießen und das Unternehmen wieder auf gesunde Füße zu stellen, und sich da einzumischen, ist ganz schwierig. Da hätte die Konkurrenz sich erst recht beschwert.
Büüsker: Wir haben über Ryanair gesprochen. Das Unternehmen beklagt sich jetzt, dass der Insolvenzantrag so arrangiert worden sei, mit dem Ziel, dass die Lufthansa die Air Berlin übernehmen kann. Wenn wir jetzt auf das starke Engagement der Bundesregierung gucken: Es gibt diesen Übergangskredit, der ist auch schon in Brüssel beantragt, damit Brüssel den genehmigen kann, dann wurde die Ad-hoc-Meldung verschoben, die ja eigentlich auch an Aktionäre hätte rausgehen müssen am Freitag als Etihad gesagt hat, es gibt kein Geld mehr – Ryanair hat da schon irgendwie einen Punkt, oder?
Barthel: Das wird man jetzt sehen, aber ich kann jetzt im Moment nicht erkennen, weshalb die 150 Millionen Euro den Wettbewerb zwischen Ryanair und der Lufthansa verschieben, denn es können ja alle zu gleichen Bedingungen sich jetzt um die Teile von Air Berlin kümmern oder bewerben, und da ändert sich durch die 150 Millionen in meinen Augen erst mal nichts. Ryanair sagt, na ja, die Lufthansa kann jetzt schuldenfrei Air Berlin übernehmen. Aber das würde für andere Bieter genauso gelten, und das würde auch in dem Fall gelten, dass es jetzt eine sofortige Einstellung des Betriebes geben würde - auch dann müssten die Schulden irgendwie abgewickelt werden. Also mir erschließt sich diese Argumentation nicht.
Engagement des Staates "ganz klar zeitlich begrenzt"
Auf der anderen Seite bin ich auch etwas erstaunt über manche Pressemitteilungen - auch von Air Berlin selber oder auch vom Bundesverband der Deutschen Luftfahrt -, die davon reden, es gäbe jetzt irgendwie eine Sanierung von Air Berlin und der Kredit - oder da ist sogar in der Mehrzahl von Krediten des Staates die Rede -, würde also den Flugbetrieb auf längere Zeit sicherstellen. Also da ist größte Vorsicht geboten. Es muss klar sein, dass das Engagement des Staates an dieser Stelle ganz klar zeitlich begrenzt ist und auch von der Höhe her begrenzt ist, und dass es jetzt nur darum geht, einen Übergang der Arbeitsplätze sicherstellen und die Kunden vor größerem Schaden zu bewahren, die ja sonst völlig leer ausgehen würden.
Büüsker: Herr Barthel, wie lässt sich denn sicherstellen, dass diese 150 Millionen Euro dann auch wieder zurück in die Staatskasse fließen?
Barthel: Das kann geschehen. Da muss man jetzt natürlich sehen, wie groß die Insolvenzmasse am Ende ist, aber Air Berlin besitzt ja viele Flugrechte, also Slots, die einen hohen Wert haben, auch für alle Wettbewerber, zum Beispiel eben von und nach Berlin, und der Markt an sich ist ja nicht in einer Krise, sondern er wächst weiter, und es gibt ein großes Interesse von anderen Fluggesellschaften, diese Flugrechte zu erwerben, und da ist schon noch ein Haufen Geld da, und die Chance, in einem geordneten Verfahren das zu vermarkten, könnte sicherstellen, dass der Staat auch sein Geld wieder zurückbekommt.
Hohe Wahrscheinlichkeit für Übernahme der Mitarbeiter
Büüsker: Schauen wir auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Zahl von 8.500 Jobs, die hier bedroht sein könnten, steht im Raum. Wäre Ihnen, um diese Jobs zu erhalten, eine Übernahme durch die Lufthansa am liebsten?
Barthel: Na ja, das muss man sehen. Ich meine, der Markt, wie gesagt, und das Arbeitsvolumen, das im Flugmarkt drinsteckt, ist ja erheblich, und das sinkt ja nicht durch die Pleite jetzt von Air Berlin, und deswegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitarbeiter, bei welcher Fluggesellschaft auch immer, wieder unterkommen können, hoch. Wichtig ist, dass jetzt auch die Gewerkschaften und die Betriebsräte an diesem Prozess beteiligt werden und dass man sehen kann, dass das zu möglichst guten Bedingungen stattfinden kann und dass es keine Einkommens- oder Arbeitsplatzverluste gibt.
Gefahren für Kernbelegschaft bei Übernahme
Büüsker: Die Flugbegleitergewerkschaft UFO, die warnt vor einer Zerschlagung der Air Berlin und macht sich insbesondere Sorgen um das Bodenpersonal. Wie groß ist denn jetzt die Gefahr, wo der Insolvenzantrag gestellt ist, dass sich jetzt die anderen Unternehmen die Rosinen rauspicken und dann am Ende die Kernbelegschaft auf der Straße landet?
Barthel: Die Gefahr besteht bei so einem Verfahren immer, und deswegen ist ja auch, glaube ich, der Sinn dieses Kredits ganz besonders, eben hier auch einen Prozess zu ermöglichen, der eine Beteiligung der Beschäftigten und vor allen Dingen auch der Gewerkschaften und der Beschäftigten und der Betriebsräte ermöglichen, damit es eben nicht dazu kommt, dass am Ende womöglich ein paar hundert oder mehrere tausend Beschäftigte sich dann irgendwo einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen, sondern dass es einen Übergang auch der Arbeitsverhältnisse gibt. Das ist in der Tat eine berechtigte Sorge, und das, glaube ich, ist auch die Absicht der Bundesregierung, so etwas nicht zuzulassen.
Büüsker: So die Einschätzungen von Klaus Barthel, stellvertretender Vorsitzender im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen im Deutschlandfunk, Herr Barthel!
Barthel: Ich danke Ihnen!
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