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Klaus H. Schreiner (Hg): Islam in Asien

Östlich der deutschen Landesgrenzen liegen Polen und Tschechien, dahinter östlich - das Gebiet der GUS, territorial überwiegend deckungsgleich mit der ehemaligen Sowjetunion - so weit so gut. Das ist bekannt. Aber: Bereits in den östlichen Teilen der ehemaligen UdSSR liegen die zwar selbständigen und durchaus selbstbewussten, wenn auch keineswegs völlig stabilisierten zentralasiatischen Republiken. Sie beobachten seit geraumer Zeit argwöhnisch den Einfluss radikalsierter islamischer Fundamentalisten und bekämpfen ihn inzwischen - wie im Fall Usbekistans - aktiv als Teil der sogenannten "Anti-Terror-Allianz". Aber selbst diese Beobachtung ist nur ein Ausschnitt aus dem Konfliktpotential rund um das Islamismus-Problem im gesamten asiatischen Raum bis hin zurück zu einem Spezialproblem, das - neben Afghanistan - schon seit Monaten für Schlagzeilen sorgt: Der wieder aufgeflammte Krieg zwischen Israelis und Palästinensern.

Albrecht Metzger |
    Als die USA nach dem 11. September den "Krieg gegen den Terror" ausriefen, trafen sie in vielen Ländern Asiens auf offene Ohren. Usbekistan und Indien, aber auch alte amerikanische Rivalen wie China und Russland stellten sich auf die Seite der Supermacht und zeigten Verständnis für deren Entschlossenheit, die Taliban in Afghanistan mit Gewalt von der Macht zu vertreiben. Gemeinsam ist diesen Ländern die Furcht vor dem militanten Islamismus: Ob in Kaschmir, Tschetschenien, im chinesischen Sinkiang oder auf der philippinischen Insel Mindanao - überall, so scheint es, lauert der gleiche Gegner und bedroht die nationale Einheit. Über die Hintergründe dieser Konflikte ist hier zu Lande aber wenig bekannt. Der Sammelband "Islam in Asien", herausgegeben von Klaus H. Schreiner, schafft da Abhilfe.

    "Dieser Band kann Unkundige und Kundige für das Verstehen sowohl Asiens wie des Islam vieles lehren",

    ...schreibt der katholische Theologe Hans Küng in seinem Vorwort. Und das ist nicht übertrieben. Die Autoren widmen sich unterschiedlichen Themen, wie der Verträglichkeit von "Islam und Moderne" oder den Versuchen, eine "islamische" Form des Wirtschaftens zu entwickeln. Besonders aufschlussreich sind jedoch die Länderstudien. Eigene Kapitel zu Pakistan, Indien, Bangladesch, den ehemaligen Sowjetrepubliken sowie China und Südostasien liefern historische Hintergründe, die zum Verstehen der heutigen Konflikte unerlässlich sind. Ein aktuelles Beispiel sind die muslimischen Moros, die auf der Insel Mindanao im Süden der Philippinen leben. Sie sind seit dem 11. September ins Fadenkreuz der USA geraten. Kürzlich schickte die amerikanische Regierung Spezialeinheiten auf die Insel, um die philippinische Armee bei der Bekämpfung der Abu-Sayyaf-Rebellen zu unterstützen. Die Rebellen sollen Kontakte zu Osama bin Laden haben. Es ist jedoch interessant zu wissen, dass die Amerikaner schon einmal versucht haben, die Moros zu "zivilisieren". Im Dezember 1898 kauften sie den Spaniern die Philippinen für 20 Millionen Dollar ab.

    "Es wird notwendig sein, nahezu sämtliche Bräuche auszumerzen, welche bislang das Leben der Moros auszeichneten",

    ... hieß es in einem zeitgenössischen amerikanischen Geschichtsbuch zu den Zielen der USA.

    "Ihre Religion wird eine ernste Hürde bei unseren Bestrebungen darstellen, sie im Sinne des Christentums zu zivilisieren. So lange der Mohammedanismus vorherrscht, kann der angelsächsischen Zivilisation nur mühsam der Weg geebnet werden."

    Bei der Niederschlagung des Moro-Aufstandes töten amerikanische Truppen rund 600,000 Menschen - etwa ein Zehntel der gesamten philippinischen Bevölkerung. Nach der Unabhängigkeit 1946 weckte Mindanao die Begehrlichkeiten der Regierung in Manila. Auf der Insel lagern reiche Bodenschätze und die Erde ist besonders fruchtbar. Christliche Siedler aus dem Norden verdrängten die Muslime Schritt für Schritt von ihrem Land. Vor der Ankunft der Amerikaner besaßen die Moros noch den gesamten Boden Mindanaos, heute sind es nur noch 15 Prozent. Ihr Bevölkerungsanteil sank von 98 auf rund 30 Prozent.

    "Nach externem Kolonialismus und interner Kolonisierung erfahren die Moros heute erneut eine doppelte Erniedrigung",

    ... schreibt Reiner Werning, der Autor des Beitrags,

    "Bajonette aus Manila und mediale Ausblendung bzw. bewusste Verzerrung ihrer Anliegen und legitimen Forderungen. Kein Wunder, dass sich da Widerstand regt und neu formiert."

    Auch Usbekistan hat ein Problem mit dem militanten Islam. Jedoch aus anderen Gründen als die Philippinen. Nach der Unabhängigkeit 1991 bezeichnete sich die ehemalige Sowjetrepublik als "Insel der Stabilität" im unruhigen Zentralasien. Stabilität bedeutete aber gleichzeitig ein Mangel an Demokratie. Zunächst schaltete Präsident Islam Karimow die säkulare politische Opposition aus. Daraufhin verlagerte sich die Opposition in die Moscheen - ein Phänomen, wie es sich in den arabischen Staaten bereits vor zwanzig Jahren ereignet hatte. Karimow griff mit gleicher Härte durch wie gegen die Säkularisten.

    "Zeitweise lief jeder Bartträger Gefahr, als militanter Islamist angesehen zu werden",

    ... so der Autor Uwe Halbach. Unter dem Druck des Regimes flohen viele Islamisten ins Exil. Manche landeten in Afghanistan, wo sie sich den Taliban anschlossen und radikalisierten. Das erklärt auch, warum sich das usbekische Regime bereitwillig den USA im "Krieg gegen den Terror" anschloss: Es erhoffte sich davon die Zerschlagung der eigenen islamistischen Opposition im Ausland. Ob das jedoch langfristig Stabilität für Usbekistan bringen wird, ist fraglich. Halbach, der seinen Beitrag allerdings vor dem 11. September verfasste, sieht die Zukunft des Landes eher pessimistisch:

    "Usbekistan läuft Gefahr, eine Entwicklung zu wiederholen, die aus Ländern des Mittleren und Nahen Ostens nur zu bekannt sind: Staatliche Repression und islamistische Reaktion schaukeln sich gegenseitig hoch."

    Der politische Islam hat zweifellos in Asien in den vergangenen Jahren an Zugkraft gewonnen. Dennoch lassen sich gerade hier auch tolerantere Formen des Glaubens finden als etwa in manchen arabischen Ländern. Bangladesch und Indonesien sind Beispiele dafür. In beiden Ländern haben sich spezifische Formen des Islams herausgebildet, die hinduistische beziehungsweise buddhistische Elemente in sich aufgenommen haben. Obwohl Muslime jeweils die große Mehrheit stellen, erheben die meisten dennoch nicht den Anspruch auf einen islamischen Staat. Die Beiträge des Sammelbandes "Islam in Asien" sind von unterschiedlicher Qualität. Einige hätten eine gründlichere redaktionelle Bearbeitung vertragen können. Dennoch ist das Buch ein guter Einstieg zum Thema. Das gilt umso mehr seit dem 11. September. Die Angst vor einer "Islamischen Internationale", die sich gegen den Westen verschwören könnte, ist groß. Doch wie ein Blick in die Geschichte zeigt, stecken hinter den Konflikten häufig keine religiösen, sondern tief greifende politische und soziale Probleme. Wenn sich die USA und Europa dennoch auf die Seite repressiver Regimes wie etwa Usbekistan stellen, besteht durchaus die Gefahr, dass sich die Wut der Menschen auch gegen den Westen richtet. Ein Muster, wie wir es aus der arabischen Welt bereits kennen.

    Während über den asiatischen Islam in Deutschland bislang wenig bekannt ist, verhält es sich mit Palästina genau umgekehrt. Über den Nahostkonflikt gibt es eine Fülle an Literatur. Angesichts der deutschen Geschichte ist es aber fast unmöglich, hier eine neutrale Position einzunehmen. Die einen betonen die deutsche Verantwortung gegenüber den Juden, andere beharren darauf, dass auch die Palästinenser ein indirektes Opfer des Holocaust seien und die Deutschen eine Verantwortung für deren Schicksal tragen. Eine...

    ... "überblickshafte, für eine größere Leserschaft verfasste Darstellung der Geschichte und Politik der Geschichte und Politik Palästinas"...

    ... zu erstellen, wie es die Autoren des Bandes "Palästina" wollen, ist deswegen ein schwieriges Unterfangen. Dennoch gelingt Dietmar Herz und Julia Steets eine mit Abstrichen faire Darstellung der Entwicklung Palästinas von der Frühzeit bis in die Gegenwart. Sachliche Mängel kann man ihnen jedenfalls kaum vorwerfen. Besonders brisante Klippen umschiffen sie jedoch, indem sie die Fakten offen darlegen, diese aber nicht weiter kommentieren. Das fängt mit der Entstehung Israels an.

    "Bei Beendigung des (britischen) Mandats 1948 machten die Juden etwa 31 Prozent der Bevölkerung Palästinas aus und besaßen etwa 7 Prozent des Landes",

    ... heißt es auf Seite 29. Die UN-Resolution 181, die so genannte "Teilungsresolution",

    ... "bestimmte etwa 43 Prozent des Territoriums des Mandatsgebiets für den arabischen und 56 Prozent für den jüdischen Staat",

    ... schreiben die Autoren weiter. Die offensichtliche Problematik dieser ungleichen Landverteilung lassen sie jedoch unkommentiert. Sie ist aber ein Grund, warum die arabischen Staaten die Resolution ablehnten. Ein weiteres Beispiel ist die Flüchtlingsfrage. Während des Sechstagekriegs 1967 flüchteten 500.000 Palästinenser in die arabischen Nachbarstaaten.

    "Nur etwa ein Zehntel von ihnen kehrte nach Kriegsende wieder zurück",

    ... so die lakonische Bemerkung der Autoren. Dass die israelische Armee die Flüchtlinge mit Gewalt an einer Rückkehr hinderte, bleibt unerwähnt. Herz und Steets bemühen sich um eine neutrale Sprache, die beiden Seiten gerecht werden soll. Das führt gelegentlich zu Euphemismen. So habe die israelische Armee im Sommer 1971 damit begonnen,

    ... "den Gazastreifen grundlegend umzustrukturieren, um eine effiziente Kontrolle möglich zu machen."

    Diese "Umstrukturierung" bedeutete aber nichts anderes als die Zerstörung tausender palästinensischer Häuser, was nach der Genfer Konvention einem Kriegsverbrechen gleichkommt. Dessen ungeachtet überzeugt das Buch durch seinen Faktenreichtum. Hervorzuheben ist das Kapitel über die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Strukuren der Palästinensischen Autonomiebehörde, das es in dieser detaillierten Form auf deutsch bislang nicht gab. Seit dem Ausbruch der Intifada im September 2000 scheint die Situation in Palästina aussichtslos. Dennoch wagen die Autoren ein positives Fazit:

    "Der Gang durch die Geschichte zeigt auch, dass die Entwicklung einer politischen Eigenständigkeit der Palästinenser irreversibel ist: Palästina ist in den Jahren seit 1967 nach und nach zu einer distinkten politischen Einheit geworden, es kann sich zu einem Staat und einer Nation entwickeln."

    "Islam in Asien", herausgegeben von Klaus H. Schreiner ist erschienen im Horlemann-Verlag, Bad Honnef. Es hat 262 Seiten und ist erhältlich zum Preis von 14 Euro 90 Cent. - "Palästina. Gaza und Westbank. Geschichte, Politik, Kultur", lautet der Titel des zweiten besprochenen Buches, das im Verlag C.H. Beck aufgelegt worden ist, 184 Seiten hat und neun Euro 90 Cent kostet.