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Klaus-Peter Willsch: "Ich kann das nicht mittragen"

Seit Tagen wird gerechnet, ob es für die Kanzlermehrheit bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm reicht. Klaus-Peter Willsch (CDU) gehört zu denjenigen, die das EFSF-Gesetz ablehnen. Den "Versuch, mit noch mehr Schulden übermäßige Schulden zu bekämpfen", hält er für falsch und bleibt bei seinem Nein.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Bei einer Probeabstimmung in der Unions-Fraktion hat es am Dienstag elfmal Nein und zwei Enthaltungen gegeben. Dazu vielleicht vier Abweichler aus der FDP. Danach sieht es so aus, als würde die Mehrheit für das Projekt der Kanzlerin stehen, wo möglich sogar die Kanzlermehrheit. Einer, der mit Nein stimmen will, ist der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch. Er ist Mitglied im Haushaltsausschuss. Guten Morgen, Herr Willsch.

    Klaus-Peter Willsch: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Bleiben Sie definitiv beim Nein?

    Willsch: Ja, ich bleibe beim Nein. Ich kann das nicht mittragen, das geht zutiefst gegen meine Überzeugung.

    Meurer: Einer Ihrer Kollegen will jetzt doch mit Ja stimmen, war gestern zu lesen, Karl-Georg Wellmann. Haben Sie einen Überblick, wie viele jetzt doch noch auf Linie gebracht worden sind?

    Willsch: Kann ich Ihnen nicht sagen, das wird heute die Abstimmung zeigen.

    Meurer: Mit was rechnen Sie?

    Willsch: Ich kann es Ihnen wirklich nicht sagen, das wäre pure Spekulation. Ich bin Ökonom, kein Prophet.

    Meurer: Und Sie handeln aus Überzeugung, Herr Willsch, vermute ich mal. Wie schwer wiegt für Sie, dass Sie in Kauf nähmen, wenn noch mehr so handeln wie Sie, dass die Kanzlerin damit an den Rand des Rücktritts gebracht werden könnte?

    Willsch: Na, das halte ich für überhöht. Schauen Sie, ich halte das für grundsätzlich falsch. Das ist der Versuch, mit noch mehr Schulden übermäßige Schulden zu bekämpfen, diese gesamte Rettungsschirm-Politik. Ich habe bereits beim ersten Griechenland-Paket dagegen gestimmt. Das Geld, das wir dort ins Schaufenster stellen, um Märkte zu beeindrucken, das haben wir nicht. Wir haben nach wie vor eine Neuverschuldung. Das heißt, das Geld ist geliehen bei Kindern und Enkeln. Und dieses Risiko ist zu groß. Das dürfen wir den nachfolgenden Generationen nicht aufbürden. Und zum Dritten verstößt das, was wir dort machen, gegen ein zentrales Versprechen, das wir den Deutschen gegeben haben, als der Euro eingeführt wurde, nämlich dass jeder Staat für seine Defizite selbst aufkommen muss, dass es keine Vergemeinschaftung der Schulden geben wird.

    Meurer: Wenn Sie, Herr Willsch, mit Fraktionskollegen reden, was kriegen Sie dann in diesen Tagen zu hören, Kritik oder Schulterklopfen?

    Willsch: Beides. Es gibt welche, die sagen, es ist gut, mach das so, ich gewichte es etwas anders. Ich ordne mich in dieser Frage der Mehrheitsmeinung unter, was ich ja auch in der Regel mache. Es gibt aber auch andere, die sagen, du willst hier populistisch Punkte sammeln. Das ist nicht wahr, es geht mir darum, meiner Überzeugung treu zu bleiben.

    Meurer: Wie nehmen Sie die Stimmung in der Fraktion allgemein wahr?

    Willsch: Es ist natürlich ein wenig Anspannung, es ist viel Unsicherheit, weil ja doch sehr viel von dem, was auf den Schritten bis hierher getan worden ist oder gesagt worden ist, was es bewirkt, nicht eingetreten ist. Ich sage, mit dem ersten Griechenland-Paket haben wir uns auf eine schiefe Ebene begeben und dort gibt es kein Halten mehr, es wird nach ständig größeren Beträgen gerufen. Jetzt muss der EFSF, wie dieser Rettungsschirm heißt, aufgeblasen werden betragsmäßig, er muss ermächtigt werden um weitere Kompetenzen, schon wird gerufen, über zwei Billionen, vier Billionen, es wird gar von Banklizenz und unbeschränkter Geldschöpfung gesprochen. Das alles ist Finanzierung von Defiziten mit der Notenpresse, und das ist falsch.

    Meurer: Das alles dementiert der Bundesfinanzminister. Ist er unehrlich?

    Willsch: Ich habe ja nicht gesagt, dass er das gesagt hat, aber Sie haben ja selbst wahrscheinlich die Berichterstattung über die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds, die Herbsttagung in Washington bekommen. Das sind natürlich auch Interessen geleitete Diskussionen. Auch die Bedrohungsszenarien, die an die Wand gemalt werden, haben natürlich was mit Interessenlagen zu tun. Ich halte beispielsweise den Vergleich mit der Pleite der Bank Lehman Brothers für völlig unangebracht. Lehman Brothers war ein exogener Schock, der wirklich über Nacht kam, zwei Tage vorher war dieses Kreditinstitut noch mit der höchsten Bonität, der höchsten Kreditwürdigkeit, versehen, während im Falle Griechenlands seit 15 Monaten alle Betroffenen, die ganze Fachwelt über nichts anderes spricht als über die Frage, wie ist die Insolvenz Griechenlands abzuwickeln.

    Meurer: Also wird den Abgeordneten heute kein reiner Wein eingeschenkt?

    Willsch: Es ist eine Diskussion, die natürlich wie alle Diskussionen über Regelungen, wo es um viel Geld geht, immer auch von Interessen bestimmt ist, und da haben es nun einige fertiggebracht, Schreckensszenarien an die Wand zu malen, und die werden eben geglaubt dann auch von anderen.

    Meurer: Geht es hier um die Interessen der Banken, oder was meinen Sie?

    Willsch: Schauen Sie sich das Stichwort Privatgläubigerbeteiligung an. Normalerweise: Ein Kreditvertrag ist eine Geschichte zwischen Gläubiger, der das Geld gibt, und Schuldner, der das Geld bekommt. Und wenn es zum Ausfall kommt, dann hat er den zu tragen. Wir reden darüber, ob es angemessen ist, dass Privatgläubiger mit 20 Prozent beteiligt werden, und es ist selbstverständlich, dass den Rest der Steuerzahler nimmt. Das muss doch mal wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Der Chance auf Zins steht entgegen das Risiko auf Verlust der Forderung. Und wenn das irgendwelche Effekte hat auf wirtschaftliche Bereiche, die dann bedrohlich werden für die Volkswirtschaft als Ganzes, dann kann man überlegen, ob man beispielsweise Banken rekapitalisieren muss. Dafür haben wir ja Instrumente geschaffen infolge der Finanzkrise. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dieses Grundprinzip der Haftung verteidigen müssen, aufrecht erhalten müssen und nicht immer als Ausputzer zur Verfügung stehen dürfen.

    Meurer: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch. Er bleibt bei seinem Nein. Danke schön, Herr Willsch, und auf Wiederhören.

    Willsch: Ja! Danke, Herr Meurer. Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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