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Klaviermusik von Anton Bruckner
Kleine Schritte hin zu großen Symphonien

Die Sinfonien von Anton Bruckner gehören unverrückbar in den sinfonischen Kanon. Seine Klavierwerke nicht. Die Pianistin Ana-Marija Markovina spielt auf ihrer neuen CD ausschließlich Klavierstücke von Bruckner, einige erscheinen zum ersten Mal auf CD. Eine echte Entdeckung oder doch nur eine Randnotiz?

Von Christoph Vratz |
    Die Pianistin Ana-Marija Markovina lehnt sich auf einen Flügel.
    Die Pianistin Ana-Marija Markovina (Harald Hoffmann)
    Musik: Anton Bruckner, Sonatensatz in g-Moll
    Die Eröffnung dieses Sonatensatzes wirkt eher herkömmlich mit seiner akkordischen Struktur und den zaghaft sich absetzenden Läufen. Wenige Takte später könnte man Franz Schubert als Urheber vermuten.
    Diese Musik stammt aber von Anton Bruckner. Es handelt sich um einen unvollendet gebliebenen Sonatensatz aus dem Jahr 1862, der sich im so genannten Kitzler-Studienbuch findet.
    Otto Kitzler war ein Jahr zuvor als Kapellmeister nach Linz gekommen, und Bruckner - inzwischen 38 Jahre alt und amtierender Linzer Domorganist - wollte nochmals Unterricht nehmen. Da kam ihm der aus Dresden stammende, weltmännisch wirkende Kitzler gerade recht. Sein neuer Lehrer ließ Bruckner vor allem streng achttaktige Themen aufschreiben – und trug so dazu bei, den Weg des späteren Sinfonikers Bruckner zu ebnen.
    13 Ersteinspielungen
    Die Pianistin Ana-Marija Markovina hat sich vor allem 2014 durch ihre Gesamteinspielungen mit Werken von Carl Philipp Emanuel Bach einen Namen gemacht. Jetzt hat sie Bruckners Klavierwerke aufgenommen, darunter 13 Ersteinspielungen. Leider fehlt im Beiheft jeder Hinweis darauf, welche der insgesamt 32 Stücke hier zum ersten Mal auf Tonträger festgehalten wurden.
    Seit 2013 wird Kitzlers Studienbuch in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt. Bruckner probiert hier verschiedene Formen und Tänze aus: Chromatische Etüde, Rondo, Andante, dazu Tanzformen wie Walzer oder Galopp.
    Musik: Anton Bruckner, Galopp (Polka) aus Kitzlers Studienbuch
    Die Werke deuten die für Bruckner später charakteristische Klangsprache höchstens an. Das gilt besonders für die noch in den 1850er Jahren entstandenen Stücke, darunter die vierteilige Lancier-Quadrille, in der Bruckner Melodien von Lortzing und Donizetti zitiert.
    Musik: Anton Bruckner, Lancier-Quadrille
    Abstriche bei der Aufnahmequalität
    Ana-Marija Markovina spielt (wie übrigens Bruckner früher selbst) auf einem Bösendorfer-Flügel, dessen Qualitäten sich jedoch aufgrund der nur durchschnittlichen Aufnahmequalität hier nur teilweise behaupten können. Markovina arbeitet die rhythmischen Besonderheiten und den tänzerischen Gestus dieser Stücke genau heraus. Sie tut gut daran, diese Gelegenheitsmusik nicht krampfhaft aufzuwerten.
    Musik: Anton Bruckner, Lancier-Quadrille
    Bei den vierhändigen Werken, drei kleinen Stücken und einer weiteren Quadrille, spielt Rudolf Meister an Markovinas Seite. Beide bilden ein gut harmonierendes Duo - z.B. in dieser Quadrille.
    Musik: Anton Bruckner, Poule aus Quadrille zu vier Händen
    Ana-Marija Markovina ist nicht die einzige, die derzeit eine unbekannte Seite Anton Bruckners in den Fokus rückt. Auch der RIAS-Kammerchor und die Akademie für Alte Musik Berlin widmen sich seit einiger Zeit seinen weniger bekannten geistlichen Werken, darunter einer "Missa solemnis" und dem "Requiem". Das zeigt zumindest, dass die musikwissenschaftlichen Erkenntnisse der mittlerweile auf 25 Bände angewachsenen Bruckner-Gesamtausgabe nun auch auf dem CD-Markt eine Entsprechung finden.
    Musik: Anton Bruckner, "Erinnerung" in As-Dur
    Das zuletzt entstandene Werk auf Markovinas Klavier-CD trägt den Titel "Erinnerung" und wurde vermutlich 1868 komponiert, also rund zwei Jahre nach der ersten Fassung zu seiner ersten Sinfonie. Hier lässt sich der angehende Symphoniker Bruckner schon deutlicher erkennen.
    Musik: Anton Bruckner, "Erinnerung" in As-Dur
    Musikalische Petitessen, aber für Bruckners Entwicklung wichtig
    Ana-Marija Markovinas CD stellt die bislang umfangreichste Sammlung mit Bruckners Klavierstücken dar. Man mag darüber streiten, ob – wie im Beiheft behauptet – diese Studien tatsächlich von "hoher ästhetischer Relevanz" sind. Sie dokumentieren auf jeden Fall eine wenig bekannte Seite Bruckners und auch seine Akribie im Umgang mit kleinen Formen. Gerade für Bruckner, der vor allem als Improvisator an der Orgel brillierte, waren diese formalen Schritte sehr wichtig für seine Entwicklung – hin zu einem der größten Sinfoniker des 19. Jahrhunderts.
    Anton Brucker - Piano Works
    Ana-Marija Markovina, Klavier
    hänssler classic