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Klavierquartette von Antonín Dvořák
Eleganz und Leidenschaft

Antonín Dvořák wird oft auf seinen „tschechischen“ Ton reduziert und mitunter eher hemdsärmelig musiziert. In der zweiten Folge seiner Dvořák-Reihe beim Label Alpha Classics schlägt das Busch Trio gemeinsam mit dem Bratschisten Miguel da Silva einen anderen Weg ein.

Am Mikrofon: Marcus Stäbler |
    Busch Trio
    Das Busch Trio, von links nach rechts: Omri Epstein, Mathieu van Bellen, Ori Epstein (Blake Ezra)
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr. 1, 1. Satz
    Das Busch Trio und der Bratscher Miguel da Silva mit dem Beginn des ersten Klavierquartetts von Antonín Dvořák. Das Stück stammt aus dem Jahr 1875, als der damals 34-jährige Tscheche gerade am Anfang seiner internationalen Laufbahn stand. Auf Drängen von Johannes Brahms, der ihn sehr schätzte, bekam Dvořák damals ein Stipendium des Wiener Schulministeriums für "junge mittellose talentierte Künstler" zugesprochen. Das Stipendium ermöglichte es ihm, sich ganz auf das Komponieren zu konzentrieren, nachdem er vorher lange Zeit als Musiklehrer, Aushilfsorganist und Orchesterbratscher seinen Lebensunterhalt verdient hatte.
    Erstes Klavierquartett innerhalb von zwei Wochen komponiert
    Inspiriert von dieser Unterstützung, schrieb Antonín Dvořák im Jahr 1875 Stücke wie seine beliebte Streicherserenade und das weniger bekannte Klavierquartett op. 23, das innerhalb von nur 14 Tagen entstanden ist.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr. 1, 1. Satz
    Obwohl Antonín Dvořák in seinem ersten Klavierquartett mitunter noch etwas weitschweifig komponiert und die Proportionen noch nicht ganz so ausgewogen wie in späteren Werken modelliert, tritt seine Handschrift hier schon deutlich zu Tage. Etwa im rhythmischen Drive, der in vielen Begleitfiguren pulsiert, aber auch im Reichtum an sanglichen Melodien, mit denen er das Stück geradezu verschwenderisch beschenkt. Das junge Busch Trio und der Bratscher Miguel da Silva spielen das Quartett sehr kultiviert, mit schlankem, elegantem Ton. Ihre flüssigen Tempi lassen Raum für feine Rubati, mit denen die Interpreten den Farbreiz der Musik dezent auskosten, ohne je den organischen Atem zu unterbrechen. Auch im langsamen Satz des ersten Klavierquartetts, einem Andantino mit Variationen.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr. 1, 2. Satz
    Das melancholische Klima des Anfangs weicht einem leichteren Ton, der aber trotzdem eine gedeckte Färbung wahrt. Gleich hier, mit der ersten Variation aus dem Andantino des D-Dur-Klavierquartetts, deutet Antonín Dvořák sein Gespür für subtile Stimmungswechsel an. Das Busch Trio und Miguel da Silva zeichnen die musikalischen Charaktere mit feinem Pinsel nach und dosieren jeden Anflug von Schwelgerei sparsam. Deshalb klingt der Zugriff stellenweise fast eine Spur zu kontrolliert; als wollten die Interpreten jede Schmalzgefahr im Keim ersticken und dem Klischee des bodenständigen Musikanten Antonín Dvořák entgegen treten. Diese vermeintliche Kühle entpuppt sich im weiteren Verlauf als Bestandteil einer wohlkalkulierten Dramaturgie. Durch die anfängliche Zurückhaltung im Variationssatz wirkt die Steigerung gegen Ende umso glutvoller.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr. 1, 2. Satz
    Auch in Forte-Passagen bleibt die Balance gut austariert; der Pianist Omri Epstein erdrückt die Streicher im ersten Klavierquartett von Dvořák nicht mit dem massigen Klang des Flügels, sondern kommuniziert mit den Kollegen auch dort auf Augen- und Ohrenhöhe. Da demonstriert das Busch Trio genau jene Durchlässigkeit und Sensibilität, die den Geist der Kammermusik ausmacht.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr. 1, 2. Satz
    Das Ensemble aus den israelischen Brüdern Omri und Ori Epstein und dem Niederländer Mathieu van Bellen hat sich 2012 in London gegründet und nach dem großen Geiger und Kammermusiker Adolf Busch benannt – auch, weil Mathieu van Bellen auf einem Guadagnini-Instrument streicht, das früher Busch gehörte. Seit 2015 werden die Mitglieder des Busch Trios als "Artists in Residence" an der Chapelle Musicale Reine Elisabeth gefördert, einer renommierten musikalischen Talentschmiede in Belgien. Zu den Mentoren des Ensembles gehört auch der Bratscher Miguel da Silva – Gründungsmitglied des 2014 aufgelösten Quatuor Ysaÿe –, mit dem das Busch Trio die beiden Klavierquartette von Dvořák eingespielt hat.
    Vollendeter Schliff im zweiten Klavierquartett
    Das zweite Klavierquartett schrieb Antonín Dvořák knapp 15 Jahre nach seinem ersten, als mittlerweile europaweit bekannter und hochgeschätzter Komponist. Das gut halbstündige Stück ist ein kammermusikalisches Meisterwerk, es integriert Einflüsse des Vorbilds und Freundes Johannes Brahms in eine ganz eigene Klangsprache voller griffiger Ideen, die Dvořák einem raffinierten Wandlungsprozess unterzieht. Gleich zu Beginn des zweiten Klavierquartetts überrascht der Komponist seine Hörer mit einem zweigeteilten Thema. Er konfrontiert eine eckige Unisonofigur der Streicher in der Grundtonart Es-Dur mit einer nach Moll eingetrübten Antwort des Klaviers.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr.2, 1. Satz
    Aus diesen kontrastierenden Gedanken entwickelt Antonín Dvořák einen Satz voller aufregender Farbwechsel, der lyrische Momente und eine beinahe orchestrale Strahlkraft vereint. Diese Bandbreite kosten die Interpreten genüsslich aus.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr.2, 1. Satz
    Der Beginn des zweiten Klavierquartetts von Antonín Dvořák. Wie schon im ersten Quartett, findet das Busch Trio mit dem Bratscher Miguel da Silva auch hier einen edlen und fein abgestimmten Ensembleklang, den die erfahrene Tonmeisterin Aline Blondiau mit ihrem Team sehr transparent und natürlich abgebildet hat. Allerdings rückt der Ausdruck in der Aufnahme des zweiten Quartetts noch stärker in den Vordergrund, die Musiker dringen hier noch weiter bis zum emotionalen Kern und in die Tiefenschichten des Stücks vor – in denen es sicher auch mehr zu ergründen gibt als im ersten Quartett.
    Kurzzeitige Abkühlung im langsamen Satz
    Nach der hitzigen Leidenschaft in Teilen des ersten Satzes kehrt mit dem anschließenden Lento zunächst etwas Ruhe ein. Antonín Dvořák legt den Cellisten hier ein Thema von melancholischer Süße in die Hände. Ori Epstein singt diese Melodie auf seinem Ceruti-Cello mit innigem Ton; begleitet vom Pizzicato der Streicherkollegen und schlichten Akkorden des Klaviers.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr.2, 2. Satz
    Mit beinahe schneidendem Klang fräsen sich die Streicher in die dissonanten Reibungen der Musik hinein. Diese Passage aus dem langsamen Satz des zweiten Klavierquartetts von Dvořák deutet das breite Farbspektrum an, mit dem das Busch Trio und Miguel da Silva die Kontraste des Stücks ausreizen. Nach der leisen Wehmut des Anfangs bricht hier unvermittelt eine ganz andere Intensität von Schmerz hervor, als wäre plötzlich eine alte Wunde aufgerissen.
    Dvořáks Kontraste intelligent interpretiert
    Mit dieser Mischung aus Leidenschaft und Sorgfalt beleben die Interpreten die Stimmungswechsel, die Dvořák so wohlplatziert in sein zweites Klavierquartett hinein komponiert hat: Im Allegro moderato, in dem ein sanft schwingender Ländler auf einen fetzigen Volkstanz trifft, aber auch im Finale, mit seiner überbordenden Themenfülle, zwischen zart verträumten Melodien und zünftigen Rhythmen. Das Busch Trio und sein Mentor und Gastbratscher Miguel da Silva musizieren auch hier sehr differenziert, sie präsentieren die heiteren Momente mit einem instrumentalen Augenzwinkern und entfachen am Ende auch einen mitreißenden romantischen Überschwang, ohne die Kontrolle zu verlieren.
    Musik: Antonín Dvořák, Klavierquartett Nr.2, 4. Satz
    Das Finale aus dem zweiten Klavierquartett von Antonín Dvořák, gespielt vom Busch Trio und dem Bratscher Miguel da Silva. Zu hören in einer neuen Aufnahme, die beim Label Alpha Classics erschienen ist.
    Antonín Dvořák: Klavierquartette op. 23, op. 87
    Busch Trio, Miguel da Silva
    Alpha Records 288