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Klaviersonaten von Mozart
Neueinspielung nach intensivem Blick in die Noten

Wolfgang Amadeus Mozarts Klaviersonaten wirken filigran und leicht; Leichtgewichte sind sie allerdings keinesfalls – allein schon wegen ihrer technischen Anforderungen. Der italienische Pianist Roberto Prosseda hat Mozarts Klaviersonaten KV 279 bis 284 neueingespielt und dafür sein Klavier präpariert – aber vor allem genau in die Noten geschaut.

    Undatiertes Bild von Wolfgang Amadeus Mozart (Attribut Joseph Hickel um 1783).
    Die sechs Werke zeigen Mozarts intensive Auseinandersetzung mit der damals noch verhältnismäßig jungen Gattung der Klaviersonate. (picture-alliance / dpa / epa Christie's / Ho)
    "Ich habe hier und in München schon alle meine sechs Sonaten recht oft auswendig gespielt", schrieb Wolfgang Amadeus Mozart im Oktober 1777 aus Augsburg seinem Vater Leopold über die Sonaten KV 279 bis 284, die er auf seinen Konzertreisen oft zu Gehör brachte. Fünf von ihnen entstanden zwischen Sommer und Winter 1774, die sechste, die sogenannte Dürnitz-Sonate komponierte der 19-jährige Mozart vermutlich im März des folgenden Jahres. Alle sechs Werke zeigen seine intensive Auseinandersetzung mit der damals noch verhältnismäßig jungen Gattung der Klaviersonate sowie den Vorbildern Carl Philipp Emanuel Bach und Joseph Haydn. Wie letzterer experimentierte Mozart mit unterschiedlichen Formen, Klangfarben und Tempi. Die Sonate Nr. 4 in Es-Dur KV 282 beispielsweise ist die einzige seiner Klaviersonaten, die mit einem langsamen Kopfsatz beginnt.
    Spiel mit Formen und Kontrasten
    Die Sonaten KV 279 bis 284 sind nicht die erste Beschäftigung Mozarts mit dieser Gattung: Bereits 1766 hatte der Zehnjährige vier heute verschollene Sonaten komponiert. Die vielen musikalischen Erfahrungen, die er in den folgenden Jahren sammelte, kommen in den ab 1774 komponierten Klavierwerken deutlich zum Ausdruck: Die vielen in den Sonaten verwendeten dynamischen Kontraste mit starken Akzenten erinnern an die vom jungen Mozart bewunderte Orchestermusik der sogenannten Mannheimer Schule. Das ist besonders in der schon erwähnten "Dürnitz-Sonate" zu spüren, die Mozart im Auftrag des Münchner Adligen Thaddäus Freiherr von Dürnitz schrieb. Neben dieser hat Roberto Prosseda auch eine frühe unvollendete Fassung von deren erstem Satz mit aufgenommen.
    Partitur genau unter die Lupe genommen
    "Ist eine Neueinspielung von Mozarts Klaviersonaten wirklich noch nötig?" fragt der italienische Pianist im Booklet seiner CD provokativ; und weiter: "Ist es immer noch möglich, über diese Werke etwas Neues auszusagen, indem man gleichzeitig der Partitur und den Angaben des Autors treu bleibt?" Genau diese hat Roberto Prosseda noch einmal intensiv unter die Lupe genommen; in dieser Einspielung versucht er, Mozarts zahlreiche Artikulationszeichen und Dynamikangaben genauestens zu befolgen. Darüber hinaus spielte für ihn die Wahl des Instruments eine wichtige Rolle. Zwar spielt Prosseda auf einem modernen Konzertflügel, doch dessen Mechanik und Resonanzboden erlauben Effekte, die an ein Hammerklavier erinnern. Zudem wählte er die noch im 19. Jahrhundert gebräuchliche temperierte Vallotti-Stimmung für die Einspielung. Die Kombination dieser drei Elemente führt in der Aufnahme von Mozarts ersten sechs Klaviersonaten zu einem überaus bemerkenswerten und beeindruckenden Klangerlebnis. Ein Vergleich mit der qualitativ ebenfalls sehr hochwertigen Einspielung aller Mozartsonaten mit dem jungen koreanischen Pianisten William Youn macht das deutlich.
    Historisch informiertes Spiel
    Obwohl, wie im Booklet zu lesen ist, das moderne Klavier seine eigentliche Muttersprache bleibt, beschäftigt Roberto Prosseda sich seit Langem intensiv mit der historischen Aufführungspraxis. So widmete er sich beispielsweise vor fünf Jahren dem ab dem späten 19. Jahrhundert in Vergessenheit geratenen sogenannten Pedalflügel und spielte Werke von Schumann, Gounod oder Alkan für dieses Instrument erstmals ein. Bei der Aufnahme von Mozarts Klaviersonaten fällt auf, dass Prosseda Wiederholungen, beispielsweise in den abschließenden Rondosätzen, mit kleinen aber feinen Auszierungen und Kadenzen versieht – eine Praxis, die aus dem Barock stammt, aber in der Klassik noch weit verbreitet war und sicherlich von Mozart auf seinen Konzerttourneen auch angewendet wurde. Ähnlich wie die Klaviersonaten Haydns sind auch die von Mozart eine Herausforderung für die Pianisten; denn es bedarf schon eines hohen Maßes an Fingertechnik, um die vielen Feinheiten mit ihrer delikaten Raffinesse elegant herauszuarbeiten. Dies gelingt Roberto Prosseda in den frühen Sonaten vortrefflich. Und man darf durchaus gespannt darauf sein, wie der Pianist die nächsten Werke des Salzburger Meisters angeht.
    CD-Information:
    Wolfgang Amadeus Mozart - Piano Sonatas 1 – 6
    Roberto Prosseda, Klavier
    Bestellnummer: Decca 481 2632
    Label: Decca
    EAN: 028948126323