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Klaviersuiten von Bach und Bartók
Belebendes Kontrastprogramm

Die Mischung ist ungewöhnlich, aber umso spannender: Im Dialog miteinander entwickeln die Suiten von Bach und Bartók eine eigene Dynamik. Julien Libeer spannt einen weiten Bogen und findet die verbindende Klangsprache.

Am Mikrofon: Jonas Zerweck |
    Porträt eines jungen Mannes mit dunklen Haaren und schwarzer Kleidung, der im Halbschatten sitzend in die Kamera blickt.
    Der Pianist Julien Libeer bringt Werke von Bach und Bartók zusammen. (Athos Burez)
    Musik: J.S. Bach – Partita Nr. 2, Sarabande, BWV 826
    Heute mit einem Kontrastprogramm: Aus Bach und Bartók.
    Musik: Béla Bartók – Scherzo, Suite Op.14
    Die neue CD von Julien Libeer heißt ganz simpel programmatisch: "Bach – Bartók", und bietet genau das, was draufsteht. Die beiden Komponisten mit "B" führen eine Art Dialog. Libeer hat sie auf der CD zweimal einander gegenübergestellt.
    In der ersten Hälfte trifft Bachs Französische Suite Nr. 5 auf Béla Bartóks "Szabadban", auf Deutsch: "Im Freien". Gut zweihundert Jahre liegen zwischen den beiden Werken und auf den ersten Blick liegt es nicht besonders nahe, sie miteinander zu kombinieren. Aber was passiert, wenn man es doch tut? Hören wir als Beispiel mal jeweils den schnellen Satz der beiden Suiten direkt im Vergleich hintereinander: erst die Courante von Bach, dann "Hetzjagd" von Bartók.
    Musik: J.S. Bach – Französische Suite Nr.5, Courante, BWV 816
    Musik: Béla Bartók – Hetzjagd, "Im Freien", Sz.81
    Belebende Kontraste
    Was passiert also bei so einer Gegenüberstellung? In dieser Reihenfolge wirkt vor allem die Wucht und Gewalt von Bartóks "Hetzjagd" noch stärker. Besonders am Anfang, wenn man die barocke Ordnung und den gleichmäßigen Fluss von Bachs Musik noch besonders gut im Ohr hat. Das ist hier im Kleinen besonders deutlich, funktioniert aber genauso im Größeren, wenn man beim Laufenlassen der CD, erst die gesamte Suite von Bach und dann die von Bartók hört.
    Der Kontrast von Bach und Bartók belebt die Musik. Nicht nur, dass die expressionistische Härte in Bartóks Musik deutlicher wird. Die klare Bauweise, das ständige Weiterfließen in Bachs Musik tritt ebenfalls prägnanter hervor.
    Gewagte Konstellationen wie diese brauchen allerdings auch ein verbindendes Element. Hier ist das ein Belgier, 33 Jahre alt, und Pianist: Julien Libeer.
    Musik: Béla Bartók – Barcarolla, "Im Freien", Sz.81
    Libeer hat einen Klang gefunden, der beiden Komponisten gerecht wird. Schlank und transparent spielt er, Aber eben nicht so, dass Bartók dünn klingt. Dazu ein Glanz, der wunderbar zu Bach passt. Es ist aber nicht nur der Klang: Libeer hat in der Musik beider Komponisten eine Geradlinigkeit erspürt, eine immer auf das strikte Voranschreiten gerichtete Struktur. Das zeigt er seinen Hörer*innen – selbst in den langsamen Sätzen von Bach, wie der "Loure".
    Musik: J.S. Bach – Französische Suite Nr.5, Loure, BWV 816
    Ein emotionaler Denker
    Bachs Musik strahlt wie kaum eine andere Musik eine große innere Ruhe aus, bis in die schnellen Tänze hinein. Und sie bietet herrlich Raum für ein Widerspiegeln des eigenen Lebens. Streng kontrollierte Entschleunigung, die dennoch stetig fortschreitet.
    Musik: J.S. Bach – Französische Suite Nr.5, Sarabande, BWV 816
    Einen ganz anderen Charakter offenbart Julien Libeer mit Bartóks Musik: Härte, Unerbittlichkeit. In den lauten, heftigen Sätzen, wenn sie beinahe gewalttätig klingt, aber auch in den zurückgenommenen Sätzen. Dann wird aus der Geradlinigkeit Unausweichbarkeit. Eine innere Spannung lässt sich beinahe greifen.
    Musik: Béla Bartók – Mit Trommeln und Pfeifen, "Im Freien", Sz.81
    Julien Libeer steht als Pianist gerade am Anfang einer vielleicht großen Karriere. Das Album "Bach - Bartók" ist sein erstes beim renommierten Label harmonia mundi musique. Er macht nicht nur Musik er durchdenkt sie auch. Die Gemeinsamkeiten von Bach und Bartók sichtbar zu machen – das zeugt von genauem Reflektierem. Am stärksten lernt man diese Seite des Belgiers aber kennen, wenn man Ausschnitte seiner eigenen Talkrunde auf YouTube anschaut. "Glass Bead Game Talks", also "Glasperlenspiel-Gespräche" heißt das Format. In der ersten Episode spricht Libeer beispielsweise mit dem Pianisten Jura Margulis über den Musikbetrieb.
    Rein musikalisch mischt er seinem Nachdenken glücklicherweise eine gute Portion Emotionen und Klangschönheit bei: Bach lässt er geschmeidig fließen, bei Bartók darf es auch mal ordentlich krachen. Denn trotz aller Gedanken, die sich Libeer für dieses Album gemacht haben muss, darf die Musik auch intuitiv und emotional sein.
    Musik: Béla Bartók – Sostenuto, Suite Op.14
    Nach Bachs Französischer Suite Nr. 5 und Bartóks Zyklus "Im Freien" hat Libeer für die zweite Hälfte der neuen CD noch einmal die beiden Komponisten miteinander kombiniert: Auf Bachs Partita Nummer zwei, Bach Werkeverzeichnis 826, folgt Bartóks "Suite für Klavier", op.14.
    Tanzmusik als Gemeinsamkeit
    Diese zweite Hälfte macht eine Gemeinsamkeit mehr der beiden Komponisten deutlich. Denn beide schrieben Musik, die viel mit Tanz und Bewegung zu tun hat. Bachs Partiten und Suiten sind formal Zusammenstellungen barocker Tänze. Nur der eröffnende Satz folgt meist einer anderen Form. Bei der Partita Nummer zwei ist das eine Sinfonia. Wirklich getanzt wurde zu dieser Musik aber nicht. Bach selbst nannte sie auch "Clavir-Übung / bestehend in / Præludien, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen, / Menuetten, und anderen Galanterien ; / Denen Liebhabern zur Gemüths Ergoetzung verfertiget." Aber die Vorstellung von Bewegung offenbart sich in dieser Musik. Die Tempi etwa passen dann sehr schön, wenn man angenehm zu ihnen schreiten oder schnell tanzen kann. Julien Libeer wählt sie mit großem Gespür dafür.
    Musik: J.S. Bach – Partita Nr. 2, Rondeaux, BWV 826
    Auch für Bartók spielte Tanzmusik eine wichtige Rolle. Er reiste durch ganz Ungarn und viele andere Länder wie Rumänien, um volksmusikalische Klänge zu entdecken und zu sammeln. Darin spielt Musik zum Tanz meist eine große Rolle. In seiner "Suite für Klavier" zitiert Bartók zwar keine dieser alten Volksmelodien. Aber den starken Einfluss hört man dennoch. Tänzerisch geht es in dieser Suite vor allem im ersten Satz zu, dem Allegretto.
    Musik: Béla Bartók – Allegretto, Suite Op.14
    Auf seinem Album "Bach Bartók" verschachtelt Julien Libeer Werke von zwei Komponisten, die sich eigentlich sehr fern sind. Spannend, welche Gemeinsamkeiten Libeer seinem Publikum zeigt und wie er es schafft, sie klanglich miteinander zu verbinden. Noch spannender aber, wie die starken Unterschiede diese Musik beleben, wie die Kontraste die jeweiligen Eigenheiten betonen.
    Eine Platte also, die großen Spaß macht und neue Perspektiven erschließt. Erschienen ist sie beim Label Harmonia Mundi Musique.
    Bach Bartók
    Julien Libeer
    harmonia mundi musique