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Kleidersammlung in Hamburg
Cocktailkeider für die Flüchtlingshilfe

High Heels, Abendkleider und Sommertops - nicht gerade das, was Flüchtlinge im Winter in den Erstaufnahmeeinrichtungen gebrauchen können. Und doch fanden sich viele solcher Kleidungsstücke unter den Spenden einer Hamburger Kleidersammelinitiative. Die Sammler haben nun einen Weg gefunden, wie die Kleider doch noch von Nutzen sein können.

Von Axel Schröder |
    Blick in die Kleiderkammer Hamburg in den Messehallen: Unter den zahlreichen Spenden findet sich auch viel unbrauchbare Kleidung.
    Blick in die Kleiderkammer Hamburg in den Messehallen: Unter den zahlreichen Spenden findet sich auch viel unbrauchbare Kleidung. (dpa/picture allianceChristian Charisius)
    Eigentlich ist Dominik Songschreiber. Aber seit Anfang September ist der junge Mann mit Vollbart und Baseball-Käppi gleichzeitig Packer, Tüftler, Projektmanager und Ladenangestellter. Dominik gehört zum Team der Kleiderkammer Hamburg und kümmert sich um das jüngste Projekt der Initiative:
    "Wenn wir uns jetzt hier umdrehen, haben wir hier Absatzschuhe mit 14 Zentimeter Stöckel oder Plateauschuhe. Wir haben Cocktailkleider, Abendkleider, Tops, die trägerlos sind. Viel sexy Kleidung..."
    Aber diese Kleidung ist eben kaum das Richtige für Flüchtlinge, die den Winter in Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen verbringen:
    "Wenn du in einem Zelt lebst und vor Deiner Tür ist es uneben und du musst 500 Meter durch den Matsch laufen, dann bringen die grade Stöckelschuhe nichts. Und wenn drei Grad draußen sind und der Wind weht, dann, wissen wir alle, ziehen wir uns auch eine Jacke und einen Pullover über unser Top. Und nicht: Wir ziehen uns ein Top an und dann gehen wir raus."
    Aber auch diese Highheels und luftigen Tops, enge Röcke und Abendgarderoben haben Bürgerinnen und Bürger in der Kleiderkammer Hamburg abgegeben. Die meisten Kleiderspenden können die ehrenamtlichen Organisatoren gleich weiter verteilen an die Erstaufnahmeeinrichtungen oder an Obdachlose im Winternotprogramm der Stadt. Aber einiges sei einfach zu ausgefallen.
    "Diese Ware, darauf sitzen wir quasi. Und wir haben uns jetzt quasi nach unserem generellen Credo: "Einfach machen!" entschlossen, uns einen kleinen Laden anzumieten, den wir für einen geringen Obolus bekommen für sechs Monate. Um hier diese Sachen zu verkaufen. Weil es ja immer noch schöne Kleidungsstücke sind. Und reinvestieren dann in die nötigen Bedarfe wie momentan dringend benötigt: Winterschuhe in kleinen Größen, 40-43, für Herren, Winterjacken. Einfach alles für die kalte Jahreszeit."
    Kaum getragene Markenware
    Neben Dominik packt der 25-jährige Ameen aus Syrien die neu angelieferten Kartons aus. Er lebt seit September in Hamburg. Eigentlich wollte er weiter nach Schweden. Aber dann, erzählt er, hat er sich in die Hansestadt verliebt. Und er hilft gern im Pop-up-Store:
    "Ich mache hier alles Mögliche. Ich helfe einfach, wo ich kann. Ich schleppe Kartons, repariere Dinge, verkaufe. Ich mache den Laden auf, schließe ihn. Alles."
    Die aus Stahlrohren zusammengeschweißten Kleiderständer stammen von Ameen und auch am Verkaufstresen aus Transportpaletten hat er mitgearbeitet. Und er will weiterhelfen, auch neben dem Maschinenbaustudium, das der Syrer bald aufnehmen wird. Fünf Kundinnen - der Pop-up-Store verkauft ausschließlich Frauenmode - hätten heute Morgen schon vor dem Aufmachen Schlange gestanden, erzählt Ameen. Kein Wunder, denn der Laden führt kaum getragene Markenware, zum Beispiel auch feine Ausgehschuhe von Jil Sander oder Gucci. Eine Kundin steht hinten im 60 Quadratmeter großen Laden, durchforstet einen Kleiderständer mit schwarzen Oberteilen:
    "Ja, schau mal. Ich habe einen Umhang und eine Glitzer-Leggings. Und es gibt hier lauter so schwarze, glitzernde Outfits. So silvestermäßig, Weihnachtsnacht."
    Und das Tollste ist, findet die junge Frau, dass sie selbst den Preis bestimmen darf. Bislang geht dieses Konzept auf. Niemand kommt auf die Idee, allzu wenig für Highheels oder Abendroben zu bezahlen. Und die Miete für ihren Laden haben sie schon zwei Tage nach der Ladeneröffnung erwirtschaftet. Jetzt können Dominik und die vielen anderen Helfer Kleidung kaufen, die Flüchtlinge oder Obdachlosen in Hamburg wirklich brauchen. Und genau darum geht es schließlich, findet Dominik:
    "Also: 1.000 Dank dafür! Bringt noch mehr Highheels und mehr sexy Kleider!"