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Kleine Alleskönner oder Umweltgefahr

Nanopartikel sind Teile von weniger als einem millionstel Meter Durchmesser und haben wegen ihrer geringen Größe oft ganz andere Eigenschaften als die Ausgangssubstanz. Dadurch werden zum Beispiel milchige Sonnencremes durchsichtig. Ab 2013 soll ihre Nutzung auf Verpackungen gekennzeichnet werden.

Von Thomas Wagner |
    Ein Beispiel von vielen: die Anti-Stink-Socke.

    "Eine Anti-Stink-Socke ist eine Socke, welche in den Fasern Nanosilberpartikel drin hat. Und dieses Nanosilber ist antibakteriell."

    Weiß der Biochemiker Christoph Meili von der Innovationsgesellschaft St. Gallen. Weil die Silber-Ionen nur einen millionstel Meter durchmessen, rücken sie den Bakterien als Folge der Schweißbildung in der Socke zu Leibe.

    "Wenn sie Nanosilber-beschichtete Textilfaser-Socken einsetzen, dann bilden sich solche Bakterien weniger. Das bedeutet: Es stinkt dann nicht."

    Was der Experte aus der Ostschweiz durchaus als zivilisatorischen Fortschritt empfindet. Dabei ist die Anti-Stink-Socke nur eines von vielen Beispielen der Nanotechnologie: Dadurch werden milchige Sonnencremes plötzlich durchsichtig; Mediziner setzten Nanopartikel gegen Hirntumore ein. Und in Kosmetika wirken Nanopartikel als Schutzfilter vor UV-Strahlung, ganz abgesehen von Nanoteilchen in Lebensmitteln wie Ketchup. Selbst in der Bauindustrie verrichten die kleinen Nanoteilchen wahre Wunderwerke. Und so entstehen zum Beispiel:

    "Also Fensterscheiben, die man nicht mehr reinigen muss oder auch Zuschlagstoffe für Baumaterialien, wo Baumaterialien dann neue Eigenschaften bekommen."

    Schöne neue Nanowelt: Sie bringt innovative neue Produkte hervor und sorgt für erhebliche Verbesserungen bei bestehenden Produkten. Soweit das Argument der Befürworter der Nanotechnologie. Die Kritiker sehen das anders:

    "Also das Problem bei dieser Vermarktung der Nanoprodukte ist, dass man noch gar nicht genau weiß, wie sie im menschlichen Körper wirken oder wie sie in der Umwelt wirken, wenn sie in die Umwelt gelangen. Da sind auf gesetzgeberischer Ebene noch keine verpflichtenden Sicherheitstests vorgesehen. Und das ist natürlich ein großes Problem","

    sagt Sarah Häuser, die sich als Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland mit Nanotechnologie beschäftigt. Der Vorteil der Nanotechnologie, sagt sie, sei gleichzeitig auch ihr Nachteil: Die extreme Winzigkeit der Partikel, die die Eigenschaften der Ausgangsstoffe verändert.

    ""Sie können wesentlich reaktiver sein, aber sie können eben auch schneller in den Körper eindringen, in Organe eindringen oder zum Beispiel auch in Zellen."

    Deshalb fordert der BUND Wirkungstests für Produkte mit Nanotechnologie, vor allem aber eine Kennzeichnungspflicht: Dort, wo Nano drin ist, soll auch Nano draufstehen.

    "Aktuell gibt es eben keine Kennzeichnungspflichten, die in Kraft sind. Also als Verbraucher weiß man gar nicht, wenn man im Supermarkt etwas kauft: Ist da Nano drin oder ist es nicht drin?"

    Das soll sich allerdings ändern: Mitte 2013 kommt eine EU-weite Kennzeichnungspflicht für Kosmetika mit Nanoteilchen; Ende 2014 wird diese Kennzeichnungspflicht auf Lebensmittel ausgedehnt. Das geht allerdings nicht nur Umweltorganisationen wie dem BUND viel zu langsam. Christoph Meili von der Innovationsgesellschaft St. Gallen:

    "Ich glaube, die Forderung nach einem entsprechenden Label für Konsumenten gibt es schon lange. Und ich bin auch erstaunt, dass es so lange gedauert hat. Aber ich glaube, das nützt der Nanotechnologie langfristig. Wenn ich ein Produkt kaufe, wo mir gesagt wird, da nützt Dir, das hilft dir, dann möchte ich auch wissen, ob ich damit gewisse Risiken eingehe."

    Christoph Meile ist sich deshalb sicher: Die Deklarationspflicht von Nanoteilchen wird sich langfristig nicht nur auf Kosmetika und Lebensmittel beschränken.

    "Je näher die Produkte am Körper sind oder sogar in den Körper gelangen können, umso stärker wird hier auch der Druck werden, dass man diese Materialien deklariert. Das Beispiel der Textilien, ganz klar: Nanotextilien, die Silber-Partikel, da ist es eine Frage der Zeit, bis da auch eine Deklaration, ein Label nötig ist."

    Grundsätzlich, glaubt Christoph Meile, sei der Siegeszug der Nanotechnologie aber nicht mehr aufzuhalten. Und die Nutzen überwiegen nach seiner Ansicht bei sachgerechter Anwendung die Risiken. Die Verbraucher hätten aber einen Anspruch, über mögliche Risiken informiert zu werden. In einem Punkt ist er sich mit dem BUND einig: EU-weit müsse ein Register mit Endprodukten erarbeitet werden, in denen Nanoteilchen enthalten sind.

    "Auf der einen Seite würde man damit Transparenz schaffen. Auf der anderen Seite könnten sich die Behörden damit einen Überblick über die Situation der Anwendungen und Verbreitung von Nanomaterialien bekommen. Dieser Überblick besteht im Moment nicht. Das muss man klar sagen."

    Immerhin hat der BUND Deutschland eine eigene Nanodatenbank erarbeitet. Auf der Website www.nanowatch.de sind 1000 Alltagsprodukte gelistet – mit Informationen darüber, ob Nanoteilchen eingearbeitet sind oder nicht.