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Kleine Kerle, große Sprünge

Bereits vor 44 Jahren näherten sich Forscher dem Geheimnis, wie Flöhe ihre - relativ zur Körpergröße - nahezu riesigen Sprünge realisieren. Allerdings war die damals eingesetzte Filmtechnik zu schlecht, um das Rätsel komplett zu lüften. Nun hat es geklappt.

Von Katrin Zöfel |
    Sie sind winzig, sehr lästig und können unglaublich hoch springen. Flöhe. Um herauszufinden, wie das den Tieren gelingt, haben Wissenschaftler von der Universität Cambridge die hohen Sprünge nun mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen, die 5000 Bilder in der Sekunde liefert. Weil es aber gerade einmal eine Tausendstel braucht, bis ein Floh abgesprungen ist, liefert auch so viel Hightech den Forschern nur fünf Bilder von der entscheidenden Zeitspanne.

    "Aber diese fünf Aufnahmen genügen schon, damit wir sehen können, was passiert",

    sagt Malcom Burrows, Professor für Biologie an der Universität von Cambridge in Großbritannien. Weil die Tiere nämlich meist bis kurz vor dem Sprung mit Knien und Füßen am Boden sitzen, dachten Forscher lange Zeit, die Tiere drückten sich mit den Knien vom Boden ab. Burrows konnte zeigen: Jedes zehnte Tier hüpfte im Experiment los, ohne dass die Knie am Boden waren, wenn also nur die Füße den Untergrund berührten. Die Kraftübertragung muss also über die Füße funktionieren. Dazu passt, was die Forscher unter dem Elektronenmikroskop an den Flohbeinen erkennen konnten, erklärt der Ingenieur Gregory Sutton.

    "An den Füßen haben die Tiere sehr harte Dornen, mit denen sie am Boden Halt finden, während sie abspringen. An den Knien dagegen gibt es nichts, womit sich die Tiere festhalten könnten."

    Ohne solche Dornen würden die Tiere beim Absprung einfach ausrutschen, denn die Kraft, mit der sie sich abstoßen, ist enorm. Gregory Sutton:

    "Ein Floh beschleunigt mit etwa hundertfacher Erdbeschleunigung."

    Zum Vergleich: Eine Raumfähre beschleunigt beim Start etwa mit dreifacher Erdbeschleunigung. Die Kraft, die ein Floh zum Absprung braucht, kann kein Muskel in so kurzer Zeit aufbringen, sagt Malcom Burrows.

    "Ein Muskel kann zwei Dinge. Er kann sich entweder sehr schnell zusammenziehen, kann dann aber nur wenig Kraft ausüben. Oder er kann sich sehr langsam zusammenziehen und dabei sehr viel Kraft ausüben."

    Flöhe, genauso wie Heuschrecken, Springschwänze oder Käferzikaden, nutzen deshalb so etwas wie ein Katapult. Vor einem Sprung verhaken sie ihre Beine, so dass diese sich nicht mehr bewegen können. Dann ziehen sie ihre Muskeln langsam zusammen, und bauen so immer mehr Spannung auf. Als elastische Feder dient dabei ein kleiner Körper aus Resilin, einem gummiartigen Protein. Wird das verhakte Katapult dann gelöst, setzt der Proteinkörper die Energie, die der Floh hineingesteckt hat, zu 98 Prozent wieder frei.

    "Das ist besser als alle gummiartigen Substanzen, die wir in der Technik haben",

    sagt Gregory Sutton. Resilin wird deshalb von Materialforschern in den USA und Australien auf seine Eigenschaften hin untersucht. Könnte man Resilin nachbauen, ließe es sich in Laufschuhen oder in Autoreifen nutzen. Doch damit ist noch nicht alles ausgeschöpft, was sich vom Floh kopieren lässt. Der Ingenieur hofft, dass die Flöhe zum Vorbild für hüpfende Roboter werden könnten. Denn er findet:

    "Springen ist eine großartige Art und Weise, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Man braucht keine Straße, also kann man das auch auf unebenem Terrain machen. Es gibt also einen guten Grund, warum die Evolution so viele hüpfende Insekten hervorgebracht hat."

    Die nächste Frage, die die Wissenschaftler in Cambridge klären wollen, ist, wie es den Flöhen gelingt, dass sich beide Beine gleichzeitig vom Boden abstoßen. Denn gäbe es dabei auch nur die kleinste Ungenauigkeit, würde das Tier wild durch die Luft trudeln anstatt vorwärts zu springen.