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Kleine Weltreise zum Semesterstart
Kanadas Universitäten pflegen die Vielfalt

In den vergangenen 20 Jahren hat sich Kanada unter die Top fünf der besten Hochschulstandorte weltweit geschlichen. Ein Grund dafür sind wohl auch die vielen internationalen Studierenden - ihre Zahl ist kontinuierlich gestiegen. Und das liegt nicht am Trump-Effekt.

Von Dennis Kastrup |
    Kanada: Skyline von Montreal. | Verwendung weltweit
    Bei internationalen Studenten beliebt: Die kanadische Stadt Montreal (dpa)
    Tabea Schiele studiert Klinische Psychologie an der Universität Mannheim. Vor einigen Tagen hat ihr Auslandssemester an der Concordia Universität in Montreal begonnen:
    "Die Einreise war so einfach wie nie. Also man kann ja hier einfach sechs Monate sein. Ich habe gar kein Visum gebraucht, um hier zu studieren. Alle sind supernett und offen, was wahrscheinlich vielleicht auch diese Bilingualität der Stadt mit macht, dass eh sehr viele Nationalitäten da sind, daher eine sehr internationale Stimmung auch hier ist."
    Internationale Stimmung in Montreal
    Zum Semesterstart spürt man das besonders intensiv: Neben der französischen Amtssprache und dem weit verbreiteten Englisch hört man in der Nähe der Hochschulen viele unterschiedliche Sprachen. Die mit 50 Jahren sehr junge Université du Québec à Montréal zieht eher frankophone Studierende an. Die traditionsreiche McGill Universität feiert in drei Jahren ihren 200. Geburtstag und ist Englisch geprägt. Monique Benoit, eine in Mexiko geborene Kanadierin, studiert hier Computerwissenschaften:
    "McGill stand immer ganz oben auf meiner Liste, einfach wegen der Fakultäten und Einrichtungen. Mir war auch wichtig, dass sich die Computerwissenschaften auf Computerspiele fokussieren. Das interessiert mich sehr, also Animation und Künstliche Intelligenz. In dem Bereich haben sie sehr gute Angebote."
    Für Montreal bedeutet das konkret: Nach dem Studium winken den Hochschulabsolventen hier Jobs bei Ubisoft, einem führenden Hersteller von Videospielen, Google oder Facebook. Alle sind in der Stadt ansässig. Premierminister Justin Trudeau verkündete vergangenes Jahr, dass Kanada in der Zukunft eine führende Rolle im Bereich Künstliche Intelligenz spielen will und versprach Millionenzuschüsse für Toronto, Vancouver und Montreal.
    China führt erstmals die Rangliste ausländischer Studenten an
    Die Auswirkungen dieses Versprechen spüren die Universitäten, erzählt Jocelyne Younan. Sie ist für die Rekrutierung von Studierenden an der McGill Universität zuständig: "In Montreal ist das ein großes Thema, was für die internationale Gemeinschaft sehr interessant ist. Unsere Professorin Joelle Pineau leitet sogar das neue Facebook-Labor für Künstliche Intelligenz in Montreal."
    50 Prozent der Studierenden von McGill kommen aus der Provinz Québec, ungefähr 25 Prozent aus anderen Teilen Kanadas. Der Rest stammt hauptsächlich aus den USA, Frankreich, Indien, Saudi Arabien, der Türkei oder Deutschland. Ein anderes Land führt die Liste aber an. Jocelyne Younan: "Wir sehen zum ersten Mal, dass Studierende aus China die größte Gruppe auf dem Campus bilden."
    Ungefähr 5.000 Kilometer westlich an der Universität von British Columbia in Vancouver sieht es anders aus. Hier kommen die meisten ausländischen Studierenden aus Indien, wie Damara Klaassen berichtet. Sie ist für die Anwerbung internationaler Gäste zuständig: "In der weiterführenden Schule macht jeder in Indien am Schluss eine Prüfung. Die besten Schüler davon kommen dieses Jahr zur Universität von British Columbia."
    Integration der Ureinwohner
    Obwohl das Einwanderungsland Kanada Studierende aus der ganzen Welt anlockt, ist der Blick auch nach innen gerichtet, auf die eigene Vergangenheit. Sowohl McGill als auch die Universität von British Columbia verfolgen das Ziel, die Ureinwohner mehr zu integrieren. In Vancouver haben sie dafür ein eigenes Zentrum eingerichtet. Es ist Teil des "Wahrheits- und Versöhnungsplans" des Landes. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Kinder von Ureinwohnern per Gesetz in Schulen gesteckt, um sich an die kanadische Kultur anzupassen. Das Zentrum trägt den Namen dieser Einrichtungen: "Indian Residential School - History and Dialogue".
    "Dort wird es historische Aufnahmen geben, die sich auf diese besondere Geschichte beziehen. Es soll auch ein Ort sein, an dem sich die Menschen über die eigene Familienvergangenheit austauschen können. Außerdem können unsere Studierende so auch mehr darüber erfahren", sagt Damara Klaassen.
    Kanada spürt keinen Trump-Effekt
    Die kanadischen Universitäten setzen also ganz stark auf Vielfalt. Doch was ist eigentlich aus den vielen US-amerikanischen Studierenden geworden, die laut Medienberichten die Vereinigten Staaten auf Grund der Wahl von Donald Trump in Richtung Norden verlassen wollten? Die vergangenen Monate haben das nicht gezeigt. Offizielle Zahlen an der McGill Universität zeigen sogar einen Rückgang. In Vancouver sind es zwar mehr geworden, aber im Vergleich zu den Vorjahren ist der Anstieg nicht auffällig anders.
    Damara Klaassen: "Der Trump-Effekt ist ein Mythos, was Einschreibungen angeht. Wir sehen keine Auswirkungen." Für Klaassen hat sich also direkt nichts verändert, vielleicht aber indirekt doch: Aus den USA kommen zwar nicht mehr Studierende, aber in die USA wollen vielleicht weniger. Gut möglich, dass Kanada davon profitiert.
    Tabea Schiele: "Also es war ein ganz klarer Trend bei uns an der Uni zu sehen, dass niemand mehr in die USA wollte. Also es wurde auch ganz klar mit Trump in Zusammenhang gebracht, dass jetzt alle keine Lust mehr haben, in dieses Land zu gehen und das zu unterstützen, in dem Sinne auch einfach. Deswegen gab es jetzt diesen großen Ansturm auf Kanada direkt an unserer Uni wegen Trudeau, ja, weil dieses Land halt einfach besser dasteht und mehr Prestige hat."