Universitätskultur - die hat an der UNAM Mexiko eine zweite Dimension: Die "Universidad Autonoma de México" ist Weltkulturerbe. Und das nicht etwa, weil sie einen eigenen Schlachtruf für ihre Sportler hat, für die Pumas.
Auf den weiten Grünflächen des Campus der "Nationale Autonomen Universität von Mexiko" steht der Koloss der Zentralbibliothek, dessen Fassade rundum mit gigantischen Mosaiken von Juan O’Gorman verziert ist. Nebenan das Rektorat mit Werken von David Alfaro Siqueiros. Und auf der anderen Seite einer Verkehrsader noch das Olympiastadion von 1968, kunstvoll gestaltet von Frida Kahlos Ehemann Diego Rivera. Hier spielen die Fußball-Erstligisten der Pumas.
Seit elf Jahren ist dieses architektonische Ensemble UNESCO-Weltkulturerbe. Mit 350.000 Studenten ist die staatliche UNAM die größte Universität Lateinamerikas. 40.000 Lehrkräfte arbeiten an 15 Fakultäten, bieten 123 Studiengänge an.
Den Studenten fehlt nichts - außer Platz
Beispielsweise das Ingenieursstudium für Erdöltechnik, das der 20-jährige Daniel Shiman gewählt hat. Zusammen mit der Chemie-Studentin Fernanda Pora genießt er die Mittagssonne auf dem Rasen vor der Zentralbibliothek.
"Die Dozenten in meinem Fach, und überhaupt an der Ingenieursfakultät, sind die Besten hier im Land. Wir haben alles, was wir brauchen, allein meine Fakultät hat drei Bibliotheken, dann hier hinter uns die Zentralbibliothek. Es gibt viele Flächen für die Erholung und zum Studieren."
Fast 5.000 Seminarräume in 2.200 Gebäuden listet die Uni-Statistik auf. Bei der Masse an Studenten gebe es trotzdem nicht genug Platz, berichtet seine 18-jährige Kommilitonin, die im ersten Semester studiert.
"In meiner Klasse sind wir 71 Personen mit einem Dozenten. Das erschwert die Aufmerksamkeit für jeden Einzelnen. Da lernst du nicht viel, musst das Meiste eigenständig machen. Trotzdem ist mir klar, dass ich für mexikanische Verhältnisse Glück habe, denn in der UNAM werden wir gut behandelt und ich habe bislang alles, was ich brauche."
Hochschulreformen stehen bevor
Fernanda Pora beginnt ihr Studium in unruhigen Zeiten. Die Reform der Bildungspolitik unter dem scheidenden Präsidenten Enrique Peña Nieto war eines der bestimmenden Themen des Wahlkampfes. Der linksangehauchte Andrés Manuel López Obrador, der die Präsidentschaftswahl am 1.Juli deutlich mit 53 Prozent gewonnen hat, wollte diese Reform zunächst komplett kassieren, inzwischen spricht sein designierter Bildungsminister allerdings nur noch von Verbesserungen. Im Fokus steht zwar zunächst die Verbesserung der miserablen Schulbildung, vor allem über die mangelhafte Qualifikation der Lehrer und Lehrerinnen.
Aber auch für die über 3.800 Hochschulen, von denen fast 60 Prozent private Institutionen sind, werden Reformen entwickelt. Unternehmen sollen in Zukunft nicht mehr von Fördergeldern profitieren, im Gegenzug könnte die Grundlagenforschung massiv gestärkt werden. Und die findet größtenteils an den 1685 staatlichen Hochschulen wie der UNAM statt.
Das fördere die Vielfältigkeit, meint Geophysik-Professor José Luis Palacio, und die sei gerade an den staatlichen Universitäten wichtig.
"Die Vielfältigkeit zu erhalten ist der Geist der Universität. Das Land hat viele Seiten, und ebenso vielseitig muss seine wichtigste Universität sein. Sie ist ein Beispiel für die vielen Ideen, die frei geäußert werden."
In den geplanten Reformen findet sogar die veränderte Politik der USA unter Präsident Trump ihren Niederschlag: Die aus den USA ausgewiesenen "Dreamer" sollen effizient in das Bildungssystem integriert werden. Gerechnet wird in den nächsten Jahren mit bis zu 300.000 zuziehenden jungen Mexikanern, die eine relativ gute Schulbildung in den USA genossen haben und somit das Niveau anheben könnten. Mit dem selben Ziel sollen hiesige Studenten und Wissenschaftler gefördert werden, um dem Brain-Drain, also der Abwanderung ins Ausland, entgegen zu wirken.
Soziale Spaltung auch an den Universitäten
Am 1. Dezember wird die neue, linke Regierung ihr Amt antreten, auch mit dem Ziel, die Spaltung in kostenlose, aber schlechte staatliche Schulen und Universitäten auf der einen Seite, und teure Private auf der anderen Seite, aufzuweichen. Ein wichtiges Ziel, meint Ingenieursstudent Daniel Shiman, denn diese Trennung betoniere die soziale Ungerechtigkeit in Mexiko.
"Das ist eine sehr ausgeprägte Spaltung. Wir leben in unterschiedlichen Realitäten und haben daher unterschiedliche Vorstellungen. Die meinen, Mexiko gehe es so gut wie ihrer kleinen Gruppe, dabei lebt die Hälfte der 120 Millionen Mexikaner in Armut. Die einzige Möglichkeit, da rauszukommen ist Bildung, Bildung, Bildung."
"Uns hier bringen sie humanere Dinge bei, ressourcenschonende, nachhaltige Entwicklung. In den privaten Universitäten haben sie Alles, und sehen deshalb nicht, was wir in Zukunft brauchen."
Nur durch eine noch bessere UNAM, durch noch besser ausgestattete staatliche Bildungseinrichtungen, könne die Chancen-Ungleichheit reduziert werden. Vom neuen Präsidenten wünschen sich die beiden Studenten mehr Geld für die staatliche Bildung.