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Kleine Weltreise zum Semsterstart
Streik in Benin verhindert Semsterbeginn

Auch im westafrikanischen Benin sollte das Studienjahr eigentlich am ersten Oktober beginnen. Doch durch einen langen Streik im Frühjahr hat sich alles verzögert. Und nicht nur das macht Mitarbeitern und den rund 86.000 Studierenden an der Universität Abomey-Calavi zu schaffen.

Von Katrin Gänsler |
    Abdoulaye Koumbeau und Babantsinna Tchamou im Hörsaal. Jetzt sind Semesterferien. Doch normalerweise drängen sich viele hundert Studierende in den Hörsaal.
    Abdoulaye Koumbeau und Babantsinna Tchamou im Hörsaal. Jetzt sind Semesterferien. Doch normalerweise drängen sich viele hundert Studierende in den Hörsaal. (Deutschlandfunk / Katrin Gänsler)
    Fünf Studierende der Universität Abomey-Calavi, der größten Universität von Benin, schneiden zugeklebte Prüfungsbögen auf und sortieren sie dann. Es ist eine Arbeit, die viele Tage in Anspruch nimmt. Alleine hier in der Germanistik sind in den vergangenen Wochen rund 19.000 Klausuren geschrieben und korrigiert worden. Andere Fächer, etwa Geografie oder Politikwissenschaften, zählen mehr als doppelt so viele Studierende. Dabei sollte alles längst fertig sein, da das akademische Jahr üblicherweise am ersten Oktober beginnt.
    Regelmäßige Streiks an Westafrikas Hochschulen
    Doch im Frühjahr kam es zu einem fast dreimonatigen Streik, der alles verzögert hat. Kuessi Marius Sohoude, stellvertretender Leiter der Germanistik:
    "Deshalb wurde auch das akademische Jahr ein bisschen verlängert, sodass das neue Jahr erst im November beginnen soll."
    An Hochschulen in ganz Westafrika wird regelmäßig gestreikt. Auch in Benin. Mal sind es die Studierenden, die bessere Lernbedingungen fordern, mal verlangen die Dozenten mehr Gehalt. Immer ärgerlich sind die Streiks für jene, die lernen wollen. Die 25-jährige Babantsinna Tchamou, die gerade ihre Abschlussprüfungen in Germanistik geschrieben hat, gehört dazu.
    "Das Schwierigste, das war für mich das Studienjahr 2015/2016. Wir haben [sind] ein ganzes Jahr zu Hause geblieben wegen der Streiks. Also, das war eine sehr schlechte Erfahrung für mich."
    Massive Platzprobleme
    Dabei ist das Studium an sich schon eine Herausforderung. Die Universität Abomey-Calavi, die nördlich der Wirtschaftsmetropole Cotonou liegt, ist nur eine von vier staatlichen Hochschulen und hat aktuell rund 86.000 Studierende. Der Campus ist zwar weitläufig, doch das Platzproblem massiv. Serge Attenoukon, Sprecher der Universität, ist deshalb ständig auf der Suche nach Lösungen.
    "Wenn Sie sich auf dem Gelände der Universität umsehen, stellen Sie fest, dass es vorgefertigte Vorlesungssäle gibt. Sie sind aus China importiert worden, um die Kapazitäten zu erhöhen. Gerade im Bereich der Master-Programme sind wir auch in Kontakt mit verschiedenen Organisationen. Auch sie helfen uns, mehr Vorlesungssäle zu bauen."
    Kleine Seminare gibt es nicht
    Auf dem Campus zeigt Babantsinna Tchamou einen der alten Hörsäle:
    "Also, hier sind wir im Amphi 1/750 und das ist ein sehr großer Hörsaal mit vielen Tischen. Und wenn wir beim Kurs, beim Unterricht sind, dann können die Studenten, die hinten sind, gar nicht hören, was der Dozent sagt. Und die Dozenten haben kein Mikrofon. Sie müssen also versuchen, sehr laut zu sprechen."

    Kleine Seminare mit persönlicher Betreuung gibt es hingegen nicht. Deshalb ist viel Eigeninitiative gefragt, sagt Babantsinna Tchamou, die sogar mit Kind studiert.
    "Ja, das ist Autodidaktik. Ich lerne zu Hause. Ich meine, was hier an der Uni gelehrt ist [wird], das ist nur die Theorie. Im Hörsaal sprechen wir immer zu viel Französisch und wir haben nicht die Möglichkeit, die deutsche Sprache wirklich zu üben."
    Kleine Lerngruppen wie diese an der Eliteuniversität gibt es im normalen Hochschulbetrieb nicht.
    Kleine Lerngruppen wie diese an der Eliteuniversität gibt es im normalen Hochschulbetrieb nicht (Deutschlandfunk / Katrin Gänsler)
    Anstrengender Blockunterricht
    Doch nicht nur das verlangt viel Disziplin ab, sondern auch der Blockunterricht. Aufgrund des Platzmangels finden die Vorlesungen alle zwei Wochen statt. Unterrichtet wird dann zwölf Stunden - am Stück und ohne Pause. Abdoulaye Koumbeau, der einst zum Philosophiestudium an die Universität kam, findet das extrem anstrengend.
    "Ab [nach] sechs Stunden bekommen wir Langeweile. Als [da] wir ja so viele sind, ist das ein bisschen heiß und sehr, sehr schwierig, alle zu hören."
    Hohe monatliche Kosten
    Mit hunderten Kommilitonen im Hörsaal zu schwitzen, ist jedoch häufig die einzige Möglichkeit zum Lernen. Große Bibliotheken gibt es nicht. Um Lernmaterialien zu kaufen, fehlt meist das Geld. Abdoulaye Koumbeau hat zwar zahlreiche Bücher angeschafft, doch er rechnet vor:
    "Man muss ja vielleicht eine Miete bezahlen, Bücher, das Essen, Verpflegung und so weiter. Pro Monat ich gebe zirka 50.000 Francs für mein Studium aus."
    Das sind rund 75 Euro und so viel, wie ein einfacher Bauarbeiter oder eine Putzfrau verdienen.
    Zahl der Studierenden wird zunehmen
    Dennoch ist das Studium beliebt. Zum einen wurde vor zehn Jahren die Einschreibegebühr abgeschafft. Zum anderen war Benin französische Kolonie. Bis heute richtet sich das Schulsystem nach Frankreich und die duale Ausbildung ist kaum bekannt. Auch verspricht ein Hochschulabschluss eine Stelle im öffentlichen Dienst, ein angesehener Sektor. Deswegen wird die Zahl der Studierenden künftig eher weiter steigen. Um darauf vorbereitet zu sein, ist neben dem Bau neuer Gebäude vor allem eins nötig, sagt Universitätssprecher Serge Attenoukon.
    "Heute liegt das Verhältnis bei einem Professor, einem Lehrer für 40 Studenten. Die UNESCO empfiehlt jedoch das Verhältnis eins zu 25. Ich würde mir deshalb sehr wünschen, wenn wir mehr Personal im Bereich der Lehre einstellen könnten."
    Studium bietet Zukunftsperspektiven
    Davon wird Babantsinna Tchamou nicht mehr profitieren. Das Studium bereut sie trotz aller Schwierigkeiten aber nicht. Sie sieht es als gute Grundlage für die Zukunft an. Während sie gerade noch auf die Prüfungsergebnisse wartet, hat sie schon zahlreiche Pläne:
    "Wenn alles gut läuft, dann werden wir unsere Bachelor-Arbeit anfertigen, und danach werde ich mich an [für] Stipendien bewerben und vielleicht weiter in Deutschland mit meinem Masterstudium zu machen."