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Kleines Luxemburg im großen Weltraum
Am Anfang war der Satellit

Der Griff nach den Sternen hat sich für das Großherzogtum Luxemburg schon einmal als Glücksfall erwiesen. Seit Jahrzehnten versorgt der Satelliten-Betreiber SES nicht nur die Europäer, sondern die ganze Welt mit Fernsehprogrammen und Internet.

Von Tonia Koch |
Satelitten-Anlage der Société Européenne des Satellites (SES) auf Schloss Betzdorf in Luxemburg
In ländlicher Idylle, auf Schloss Betzdorf, bezog die SES, die Société Européenne des Satellites Quartier. (SES / Tobias Smith)
Früher grasten Kühe auf den Weiden rund ums Schloss. Sozusagen in friedlicher Koexistenz mit den riesigen Empfangs-Antennen die SES hier aufgestellt hat. "Diese ganzen Antennenanlagen, die Sie hier sehen, sind mit den Satelliten in ständigem Austausch." Und es werden immer mehr, sagt Gabriele Hano. "Da kommen immer welche dazu; natürlich kommen dann welche dazu, wenn ein neuer Satellit da ist, den es zu kontrollieren und zu beaufsichtigen gilt."
Sie leitet bei SES die interne Kommunikation und führt Besucher über das mit Tür und Tor mehrfach elektronisch gesicherte Gelände. Das Drehkreuz schwingt auf. Der Weg zum neu errichteten Kontrollraum, dem Herzstück der Anlage ist frei. "Von hier aus werden 24 Stunden lang unsere Satelliten betreut und geguckt, ob es ihnen gut geht."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reihe "Der Traum vom All – Luxemburg will den Weltraum erobern".
Über 70 Satelliten hat SES ins All geschossen. Gebaut werden sie von verschiedenen Anbietern, darunter Airbus, Boing oder die französische Thales-Gruppe. Die Satelliten umkreisen die Erde in zwei verschiedenen Umlaufbahnen. Die mittelgroßen in etwa 8.000 und die geostationäre Flotte in 36.000 Kilometern Höhe. Sie versorgen die Menschen weltweit in erster Linie mit Fernseh- und Radioprogrammen, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens Romain Bausch. "Wir erreichen offiziell nach den Resultaten von 2018 355 Millionen Menschen weltweit und haben über 8.200 Fernsehprogramme, die wir ausstrahlen."
Bevorzugte TV-Technik - auch in Deutschland
Theoretisch kann mit den Satelliten unter luxemburgischer Flagge die gesamte Weltbevölkerung erreicht werden, auch deutsche Haushalte setzen bevorzugt auf diese Technik, um Fernsehen zu gucken. Das war nicht immer so, erinnert sich Bausch. Zunächst wurden von Luxemburg aus private Hörfunk- und Fernsehprogramme über Antenne in die Nachbarländer ausgestrahlt. Doch die aufkommende Satellitentechnik habe den Antennen Konkurrenz gemacht, da habe der ehemalige Regierungschef Pierre Werner gehandelt.
"Ehrenstaatsminister Pierre Werner hat das immer so ganz locker gesagt, als man mir das erste Mal von den Satelliten erzählte, habe ich gesagt: Och, das können wir. Wir haben diese Antennen hier in Luxemburg stehen, die sind zwar nur ein paar hundert Meter hoch, aber diese Satelliten, die stehen auf 36.000 Kilometer Höhe, aber im Grunde ist es das Gleiche. Programme werden da hoch geschickt und werden dann ausgestrahlt über einen Raum, der dann größer ist als die terrestrische Verteilung. Aber im Grunde ist es die gleiche Ausstrahlung von Radio und Fernsehprogrammen."
Ein Mann sitzt im Kontrollzentrum der Société Européenne des Satellites (SES) auf Schloss Betzdorf in Luxemburg
Vom neu errichteten Kontrollraum aus werden die SES-Satelliten betreut (Société Européenne des Satellites (SES) )
"Coca-Cola-Satelliten" machten EU-Nachbarn skeptisch
Ganz so einfach verhielt es sich nicht. Denn um Satelliten in den Orbit zu befördern, müssen Lizenzen beantragt werden. 1977 wurde auf der Weltfunkkonferenz ein weltweiter Satelliten-Plan verabschiedet. In weiser Voraussicht sicherte sich das kleine Luxemburg ebenso viele Plätze im All wie die großen Länder. Und nachdem eine Kooperation mit den Franzosen nicht zu Stande kam und das deutsche Satellitenprojekt scheiterte, war der Weg frei für den wirtschaftlichen Erfolg der Astra-Satelliten. Aber weil die Luxemburger dabei auf amerikanische Technik setzen, begegneten ihnen die europäischen Nachbarn mit Argwohn.
"Weil dies halt industriepolitisch delikat war, wurde dieses Luxemburger Projekt unter Beschuss genommen, und zum Beispiel in Frankreich hat man immer von Coca-Cola-Satelliten geredet usw. Und so ist dann diese Luxemburger Schiene, die dann in SES-Astra einmündete, gegen den Widerstand der großen Nachbarländern gestartet." Die Schwierigkeiten seien längst beigelegt, und die Herausforderungen von heute seien andere, so Bausch.
"Heute schauen weniger Leute ein Fernsehprogramm, das linear produziert wird, und wo man weiß, aha um acht Uhr kommt die Tagessschau auf ARD, sondern heute schauen die Leute, auch wenn sie sich sogar diese Programm anschauen, sehr oft zeitversetzt, auf iPad oder anderen Empfangsgeräten, die über Breitband erschlossen sind."
Die SpaceX Falcon-9-Rakete mit dem recycleten Raumfrachter Dragon startet von Cape Canaveral Richtung Internationaler Raumstation.
Dragon 2‘ fliegt erstmals zur ISS
Das Unternehmen SpaceX schickt 2019 erstmals seine neue Raumkapsel ‚Dragon 2‘ zur ISS. Sie soll künftig als Taxi ins All fungieren. Beim Testflug der Dragon 2 saßen noch Dummys in der Kapsel.

Eine SpaceX Falcon 9-Rakete im Orbit, mit 60 Starlink-Satelliten an Bord, Mai 2019.
Gigantisches Projekt Starlink
Die US-Firma SpaceX plant ein riesiges Netzwerk aus womöglich mehr als 40.000 Satelliten. Sie sollen in drei Höhen die Erde umkreisen – 350, 550 und mehr als 1100 Kilometer hoch.

Netflix und Mediatheken verändern Sehgewohnheiten
Das Internet hat Einzug gehalten in die Sehgewohnheiten der Menschen, zumindest in den Industrienationen. Und je besser die Versorgung mit Breitband, desto besser der Empfang, das gilt nicht nur für den Fernsehkonsum. Die Satelliten der neuesten Generation verfügten über eine ähnliche Leistung wie Glasfasernetzte. Sie könnten Menschen, Unternehmen und Kontinente über Kommunikationsnetze miteinander verbinden, sagt Romain Bausch. Ob unterversorgte Gebiete oder mobile Kunden, der Satellit biete viele Möglichkeiten.
"Sie können nicht mit einem Kabel oder welcher Technologie auch immer Internet zu den Flugzeugen bringen oder Internet auf Schiffen mitten im Pazifik oder im Atlantik. Da gibt es keinen Wettbewerb zu den Satelliten. Deshalb ist das ein Markt, den man sich als Satellitenbetreiber selbstverständlich prioritär anschauen muss."
Von Jeff Bezos bis Elon Musk - die Konkurrenz im All ist groß
Neue Spieler drängen ins All. Elon Musk der Tesla-Gründer oder Jeff Bezos, der Chef von Amazon haben hochfliegende Pläne. Sie möchten im Weltraum eigene Kommunikationsnetzte installieren. Wann sie es machen und ob sie es überhaupt machen, steht jedoch in den Sternen, das sei eben "die große Unbekannte", so Bausch.
Vorerst hilft Elon Musk mit seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX dabei, die luxemburgischen Kommunikationssatelliten ins All zu schießen, die ansonsten überwiegend mit einer europäischen Ariane-Rakete befördert werden.
"Das ist vielleicht auch ganz interessant, dass SES der erste Satellitenbetreiber war, der auf SpaceX gesetzt hat."
Und man sei nicht enttäuscht worden, sie hätten zuverlässig funktioniert, fügt Gabriele Hano hinzu. Konkurrenz belebt nun einmal das Geschäft und das gilt zunehmend auch für den Weltraum.