Nach dem Bruch der Ampelkoalition finden voraussichtlich am 23. Februar 2025 wieder Bundestagswahlen statt. Während große Parteien wie CDU, SPD oder Grüne sich bereits in Stellung bringen, ist so manche Kleinpartei kurz vor der Verzweiflung. Denn damit Parteien, die nicht bereits im Bundestag vertreten sind, bei den Wahlen überhaupt antreten dürfen, müssen sie einige formale Hürden überwinden.
Wer sind die stärksten Kleinparteien?
Zu den stärksten Kleinparteien bei der Bundestagswahl 2021 zählten die Freien Wähler sowie die Tierschutzpartei. Die Freien Wähler bezeichnen sich selbst als „liberal-konservativ“ beziehungsweise „wertkonservativ“. Parteichef Hubert Aiwanger vertritt die Ansicht, dass durch eine unkontrollierte Zuwanderung der Antisemitismus in Deutschland zugenommen habe. 2023 geriet Aiwanger selbst in die Kritik, weil er an der Veröffentlichung eines antisemitischen Flugblattes mitgewirkt haben soll.
Die Freien Wähler haben Aiwanger zum Spitzenkandidaten bestimmt. Dieser kündigte an, seine Partei wolle bei der kommenden Wahl mit mindestens drei Direktmandaten in den Bundestag einziehen und strebe eine „bürgerliche Koalition“ mit CDU/CSU und FDP an.
Die Partei Mensch Umwelt und Tierschutz – auch bekannt unter Tierschutzpartei – setzt sich für bessere Bedingungen bei der Tierhaltung in der Landwirtschaft ein und fordert ein Verbot von Tierversuchen in der Wissenschaft. Weiterhin spricht sie sich dafür aus, Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern. Die Partei bereitet derzeit Maßnahmen vor, um für die Bundestagswahl zugelassen zu werden. Dazu sammelt sie online Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten. Vorsitzende der Partei ist Paula López.
Zu weiteren Kleinparteien, die zuletzt gut abschnitten, gehören die Satirepartei „Die Partei“ und die Basis-Partei. „Die Partei“ wurde vom ehemaligen Titanic-Redakteur Martin Sonneborn gegründet wurde, setzt bei ihren Wahlplakaten auf Humor und Satire und war damit auch erfolgreich. 2014 zog Sonneborn mit der „Partei“ ins Europaparlament ein. Von 2020 bis 2021 wurde sie durch den fraktionslosen Abgeordneten Marco Bülow im Bundestag repräsentiert, der ehemals SPD-Mitglied war und schließlich „Der Partei“ beitrat.
Die Basis Partei ist aus einem Zusammenschluss der sogenannten „Corona Rebellen“ entstanden und setzte sich während der Pandemie gegen staatliche Maßnahmen ein. Ihre Mitglieder vertreten die Ansicht, dass der Staat sich aus Erziehung und Fürsorge raushalten soll. Experten zufolge lässt sich die Partei weder als links noch rechts einordnen. Ihr Bundesvorsitzender ist Sven Lingreen.
Mit welchen Problemen kämpfen die Kleinparteien?
Parteien, die nicht bereits im Bundestag oder einem Landtag sitzen, müssen unterstützende Unterschriften von Stimmberechtigten sammeln, damit sie zur Wahl zugelassen werden. Bis zu 69 Tage vor der Wahl brauchen sie bis zu 2000 Unterschriften pro Landesliste. Das ist laut Parteiengesetz vorgeschrieben, damit eine Partei nachweisen kann, dass sie ernsthafte Interessen verfolgt. Angesichts der vorgezogenen Wahlen müssen die kleinen Parteien innerhalb von kurzer Zeit, Kandidaten auswählen und Landeslisten erstellen. Erst dann geht es an die Unterschriftensammlung.
Weil die Wahl schon im Februar sein soll, klagen die kleinen Parteien über Benachteiligung und mangelnde Chancengleichheit. Die Piraten-Partei etwa braucht insgesamt 27.000 Unterschriften, um zur Bundestagswahl antreten zu können. Bei einer normalen Bundestagswahl im September hätte sie mehr Zeit, um diese zu sammeln.
In einem offenen Brief forderten die Piraten daher den Bundeskanzler und die Mitglieder des Bundestages dazu auf, die Zahl der benötigten Unterschriften an die verkürzte Zeit anzupassen. Kritik gab es auch von der Tierschutzpartei und der Basis Partei. Die Vorsitzende der Tierschutzpartei, Paula López, erwägt, ein juristisches Verfahren einzuleiten.
Zudem habend kleinen Parteien das Problem, dass sie nur ein geringes Budget und damit weniger Ressourcen für den Wahlkampf als die großen Parteien haben. Um ihre Chancen zu verbessern, können sich nach Ansicht von Parteienforscher Hendrik Träger von der Uni Leipzig den Online-Wahlkampf für sich nutzen. Dabei genügt es bereit, einen Social-Media-Kanal und ein kleines Team von Ehrenamtlern zu haben. Diese könnten die Accounts mit Inhalten bespielen und in Austausch mit den Bürgern treten.
Warum sind Kleinparteien wichtig?
Die kleinen Parteien spielen eine wichtige Rolle für die Demokratie und den Pluralismus. „Sie können ein Auffangbecken für Meinungen jenseits der politischen Mainstream-Parteien sein“, sagt Hendrik Träger. In der Regel ist es so, dass sich die Kleinparteien auf bestimmte Politikfelder konzentrieren, die bei den größeren Parteien wenig repräsentiert sind. Sie werden auch Splitterparteien genannt.
Bei der letzten Bundestagswahl 2021 haben die Kleinparteien, die nicht in den Bundestag eingezogen sind, insgesamt 8,6 Prozent der Zweitstimmen gewonnen. „Wenn man die sonstigen Parteien als Fraktion rechnen würde, wäre das die sechstgrößte Fraktion und noch größer als die Fraktion der Linken beispielsweise“, sagt Parteienforscher Träger.
Auch wenn sie nicht in den Bundestag einziehen sollten, haben sie doch eine wichtige Funktion für die Demokratie. Angesichts der vorgezogenen Neuwahlen rät Träger den Kleinparteien deshalb dazu, öffentlich auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Wie sind die Chancen von Kleinparteien, ins Parlament einzuziehen?
In den Bundestag können Parteien eigentlich nur einziehen, wenn sie die sogenannte Fünf-Prozent-Hürde überwinden, die auch Sperrklausel genannt wird. Diese ist im Bundeswahlgesetz vorgeschrieben, damit es nicht zu einer zu großen Zersplitterung des Parlaments kommt.
Es gibt aber auch noch die sogenannte Grundmandatsklausel, nach der eine Partei auch mit weniger als fünf Prozent ins Parlament einziehen kann, wenn sie drei Direktmandate erringt. Davon profitierte bei der Bundestagswahl 2021 Die Linke, die bei 4,9 Prozent der Stimmen drei Direktmandate gewann und der deshalb 36 Landeslistensitze zugeteilt wurden.
Drei alte Männer für die Linke: Projekt "Silberlocke"
Auch bei der kommenden Wahl strebt die Linke Direktmandate an. Dazu haben die Politiker Gregor Gysi (76), Dietmar Bartsch (66) und Bodo Ramelow (68) das "Projekt Silberlocke" gestartet: Sie wollen jeweils ein Direktmandat erringen, um die Linke mithilfe der Grundmandatsklausel im Bundestag zu halten – auch wenn die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt wird.
Bei Gysi und Bartsch steht einer Kandidatur nichts entgegen. Ramelow ist jedoch in Thüringen weiter Ministerpräsident, da dort nach der Landtagswahl noch keine neue Regierungsbildung gelungen ist.
Bei Gysi und Bartsch steht einer Kandidatur nichts entgegen. Ramelow ist jedoch in Thüringen weiter Ministerpräsident, da dort nach der Landtagswahl noch keine neue Regierungsbildung gelungen ist.
Auf den Vorteil der Grundmandatsklausel hoffen auch bei der Wahl 2025 Parteien wie die Freien Wähler. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge liegen die Freien Wähler in bundesweiten Umfragen bei rund drei Prozent der Stimmen. Sie hatten bei der Landtagswahl in Bayern zwei Direktmandate errungen und 15,8 Prozent der Stimmen geholt.
Bei den Europawahlen 2024 konnten viele Kleinparteien Gewinne verbuchen, denn es gibt hier bisher keine Sperrklausel. So konnten Parteien wie die Familienpartei und die Piratenpartei 2019 bereits mit einem Stimmenanteil von weniger als ein Prozent ins Parlament einziehen. Auch die junge proeuropäische Partei Volt profitierte davon. Sie setzt auf Themen wie Klimagerechtigkeit und ist bei Wählern der jüngeren Generation beliebt.
tan