Ob es wohl wirklich eine richtig gute Idee war, die Geschichte von Michael Kohlhaas im Theater aus der Sicht jener zwei Pferde zu erzählen, die der historische Anlass waren zum mörderischen (und selbstmörderischen) Amoklauf eines biederen Bürgers gegen alle Autoritäten des Landes, in dem er (bis dahin friedlich) lebte? Ob es wirklich genügt, diese beiden Tiere in Menschengestalt den Diskurs führen zu lassen, der allein heute die Auseinandersetzung mit dem Rechte-Fundamentalismus von Kohlhaas-Ausmaß lohnt?
Wurst wird schlussendlich nicht aus den Vierbeinern, die den hannoverschen Kohlhaas-Abend quasi als Erzähler begleiten; und mit den immer neuen Stadien des eigenen Abstiegs. Weil der Pferdehändler Kohlhaas aus Kohlhasenbrück an der Havel (zu Recht) darauf besteht, dass er - zu Unrecht und durch blanke Fürstenwillkür - an der Einreise nach Sachsen und zum Pferdemarkt in Leipzig gehindert wird, verbleiben ja die Mähren in den grausamen Händen der Peiniger aus Burg Tronka, wo offenkundig eine Versammlung armer Irrer mit guten Beziehungen herrscht. Der Rechtsstreit nimmt immer schlimmere Formen an, führt indirekt auch zum Tod der Kohlhaas-Gemahlin und damit zum Aufbruch des Geprellten und Gedemütigten in den tätigen Widerstand. Er jagt die Pferdeschänder, opfert dafür ganze Städte, die er (teils mehrfach) in Flammen aufgehen lässt – und gerät schließlich in die Fänge des sächsischen Hofes, der ihm Recht gibt, was die Zossen betrifft, im gleichen Atemzuge aber auch den Terroristen, den Staatsfeind Kohlhaas zum Tode verurteilt. Mit ähnlich viel Recht.
Mit einer sehr aufrührerischen Rede des toten Helden (und Anti-Helden) Kohlhaas endet Istvan Tasnádys Version über den fundamentalen Stoff des klassischen Kleist: keine Pflichten mehr erfüllen, fordert der Tote, nicht bei der Wahl und nicht bei der Zahlung von Steuern oder GEZ-Gebühren, solange Unrecht möglich ist ... aber die Pferde haben da schon längst nichts mehr zu sagen.
Wenn's doch nur ein solcher Streit um die Frage von Unrecht, Recht und Widerstand wäre, was da in Hannover zu erleben ist; immerhin gab es ja auch früher schon "Kohlhaas"-Bearbeitungen, etwa vom Dramatiker Harald Mueller. Tasnádys Text aus dem Jahr 1999 aber (der sehr zu Recht recht lange in den Schubladen schmorte) und vor allem die Uraufführungsinszenierung vom hannoverschen Schauspiel-Chef Lars Ole Walburg weisen in eine ganz andere Richtung – sie können dem Stoff selber offenbar derart wenig Ernst abgewinnen, dass um den Kern der Story herum ein Unmaß von Schickschnack und Sperenzchen entsteht, dass fundamentalere Fragen glatt übertönt. Da kann noch so aktuell ranschmeißerisch der Stuttgarter Bahnhofsbau hinein gestrickt werden in die ansonsten unfassbar einfältig geklöppelten Liedlein, die die Show begleiten; sie werten den historischen Kohlhaas nebenbei ab zum Naivling und "lonesome cowboy".
Wenn neben dem quälenden Gesang auch noch die umfänglichen Passagen abgezogen würden von der Spieldauer des Abends, die sich ausführlich mit der fürstenknechtischen Kompromisslerei des Ober-Reformators Martin Luther befassen (der zum historischen Kohlhaas-Fall wohl ein Sendschreiben an Sachsens Hof beisteuerte, sonst aber auch nichts), und wenn dann auch die späteren Pferde-Szenen gestrichen würden (völlig zu Recht), in denen die Klepper übers Fohlenkriegen philosophieren respektive der Hengst final kastriert wird, dann blieben vom ganzen großen Wutbürger-Ausbruch vielleicht drei Viertelstündchen.
"Staatsfeind Kohlhaas" in Hannover ist kein Theaterstück, sondern eine ebenso fahrig wie fahrlässig zusammen gestückelte Revue, die bloß rattenfängerisch spielt mit den weltumstürzenden Ideen, die der Erzähler Kleist kein Jahr vor dem Suizid in diesen unvergleichlichen Strom schwärmerisch-dokumentarischer Sprache goss, die in diesem Spektakel-Abend bestenfalls (im Kohlhaas-Ton von Rainer Frank) als Zitat, schlimmstenfalls (bei allen anderen) als Travestie vorkommt.
Ärgerlicher als in Hannover also hätte das Kleist-Jahr kaum beginnen können.
Wurst wird schlussendlich nicht aus den Vierbeinern, die den hannoverschen Kohlhaas-Abend quasi als Erzähler begleiten; und mit den immer neuen Stadien des eigenen Abstiegs. Weil der Pferdehändler Kohlhaas aus Kohlhasenbrück an der Havel (zu Recht) darauf besteht, dass er - zu Unrecht und durch blanke Fürstenwillkür - an der Einreise nach Sachsen und zum Pferdemarkt in Leipzig gehindert wird, verbleiben ja die Mähren in den grausamen Händen der Peiniger aus Burg Tronka, wo offenkundig eine Versammlung armer Irrer mit guten Beziehungen herrscht. Der Rechtsstreit nimmt immer schlimmere Formen an, führt indirekt auch zum Tod der Kohlhaas-Gemahlin und damit zum Aufbruch des Geprellten und Gedemütigten in den tätigen Widerstand. Er jagt die Pferdeschänder, opfert dafür ganze Städte, die er (teils mehrfach) in Flammen aufgehen lässt – und gerät schließlich in die Fänge des sächsischen Hofes, der ihm Recht gibt, was die Zossen betrifft, im gleichen Atemzuge aber auch den Terroristen, den Staatsfeind Kohlhaas zum Tode verurteilt. Mit ähnlich viel Recht.
Mit einer sehr aufrührerischen Rede des toten Helden (und Anti-Helden) Kohlhaas endet Istvan Tasnádys Version über den fundamentalen Stoff des klassischen Kleist: keine Pflichten mehr erfüllen, fordert der Tote, nicht bei der Wahl und nicht bei der Zahlung von Steuern oder GEZ-Gebühren, solange Unrecht möglich ist ... aber die Pferde haben da schon längst nichts mehr zu sagen.
Wenn's doch nur ein solcher Streit um die Frage von Unrecht, Recht und Widerstand wäre, was da in Hannover zu erleben ist; immerhin gab es ja auch früher schon "Kohlhaas"-Bearbeitungen, etwa vom Dramatiker Harald Mueller. Tasnádys Text aus dem Jahr 1999 aber (der sehr zu Recht recht lange in den Schubladen schmorte) und vor allem die Uraufführungsinszenierung vom hannoverschen Schauspiel-Chef Lars Ole Walburg weisen in eine ganz andere Richtung – sie können dem Stoff selber offenbar derart wenig Ernst abgewinnen, dass um den Kern der Story herum ein Unmaß von Schickschnack und Sperenzchen entsteht, dass fundamentalere Fragen glatt übertönt. Da kann noch so aktuell ranschmeißerisch der Stuttgarter Bahnhofsbau hinein gestrickt werden in die ansonsten unfassbar einfältig geklöppelten Liedlein, die die Show begleiten; sie werten den historischen Kohlhaas nebenbei ab zum Naivling und "lonesome cowboy".
Wenn neben dem quälenden Gesang auch noch die umfänglichen Passagen abgezogen würden von der Spieldauer des Abends, die sich ausführlich mit der fürstenknechtischen Kompromisslerei des Ober-Reformators Martin Luther befassen (der zum historischen Kohlhaas-Fall wohl ein Sendschreiben an Sachsens Hof beisteuerte, sonst aber auch nichts), und wenn dann auch die späteren Pferde-Szenen gestrichen würden (völlig zu Recht), in denen die Klepper übers Fohlenkriegen philosophieren respektive der Hengst final kastriert wird, dann blieben vom ganzen großen Wutbürger-Ausbruch vielleicht drei Viertelstündchen.
"Staatsfeind Kohlhaas" in Hannover ist kein Theaterstück, sondern eine ebenso fahrig wie fahrlässig zusammen gestückelte Revue, die bloß rattenfängerisch spielt mit den weltumstürzenden Ideen, die der Erzähler Kleist kein Jahr vor dem Suizid in diesen unvergleichlichen Strom schwärmerisch-dokumentarischer Sprache goss, die in diesem Spektakel-Abend bestenfalls (im Kohlhaas-Ton von Rainer Frank) als Zitat, schlimmstenfalls (bei allen anderen) als Travestie vorkommt.
Ärgerlicher als in Hannover also hätte das Kleist-Jahr kaum beginnen können.