Ein Thema des Treffens soll sein, wie Deutschland zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen kann, um seine Klimaziele zu erreichen. Der Vorschlag einer Klima-Abgabe auf ältere Kohlekraftwerke von Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel habe Vor- und Nachteile, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil. Die Abgabe sei ein kosteneffizientes Instrument, wecke bei Gewerkschaften und Arbeitnehmern aber Sorgen um Arbeitsplätze.
Der Alternativ-Plan dazu sieht vor, dass mehrere Braunkohlekraftwerken in eine Kapazitätsreserve verschoben werden. Außerdem ist ein weiterer Ausbau umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen geplant. Heil betonte, auch diese Alternativen seien von den Gewerkschaften und den Wirtschaftsministern verschiedener Bundesländer gemeinsam mit Gabriel erarbeitet worden. Die Union dagegen habe bisher keine eigenen Vorschläge gemacht, wie die Klimaschutzziele erreicht werden könnten. Für das Gelingen der Energiewende sei zudem der Netzausbau noch viel entscheidender. Diesen infrage zu stellen, wie CSU-Chef Horst Seehofer dies tue, sei nicht klug: "Da muss Seehofer sich heute bewegen", sagte Heil mit Blick auf das geplante Energie-Spitzentreffen, "das wäre sonst ein Anschlag auf das Gelingen der Energiewende."
Das Interview in voller Länge:
Jasper Barenberg: Schon vor Jahren hat sich Deutschland verpflichtet, bis zum Jahr 2020 genau 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als im Jahr 1990. Ein großes Versprechen und, wie sich mehr und mehr gezeigt hat, ziemlich schwer zu halten. Mindestens 22 Millionen Tonnen CO2 im Jahr fehlen noch, damit die Bundesregierung die eigene Zusage beim Klimaschutz einhalten kann. Auch die Verursacher sollen ihren Teil beitragen. Nach diesem Prinzip hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Idee einer Klimaabgabe für die Kohleindustrie entwickelt und lange dafür geworben. Am Ende aber hat er sich der Kritik der Energiewirtschaft, der Gewerkschaften und der Kritik aus Teilen der Union gebeugt und einen Alternativvorschlag gemacht. Heute Abend soll entschieden werden in einem Gespräch zwischen CDU-Chefin Angela Merkel, dem CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Am Telefon ist der SPD-Politiker Hubertus Heil, als Fraktionsvize zuständig für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit. Schönen guten Morgen.
Am Telefon ist der SPD-Politiker Hubertus Heil, als Fraktionsvize zuständig für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit. Schönen guten Morgen.
Hubertus Heil: Guten Morgen.
Barenberg: Vorab vielleicht, Herr Heil: Gestern konnte Sigmar Gabriel noch nicht sagen, ob das Treffen der drei Parteivorsitzenden überhaupt stattfinden wird, mal unabhängig von Griechenland. Wissen Sie es inzwischen?
Heil: Ich rechne damit, dass es heute stattfindet. Das ist auch wichtig, dass heute unter anderem über das Energiepaket gesprochen wird. Wir wollen ja die Energiewende zum wirtschaftlichen und ökologischen Erfolg führen und dafür brauchen wir jetzt auch Entscheidungen.
"Für Versorgungssicherheit sorgen"
Barenberg: Und da steht eine Niederlage für Sigmar Gabriel ins Haus bei diesen Beratungen. Für alle steht fest, dass er mit seinem Vorschlag für eine Klimaabgabe Schiffbruch erleiden wird. Ist das auch für Sie schon klar?
Heil: Nein, es geht nicht um diese Kategorien. Worum geht es? Es geht vor allen Dingen darum, dass wir dafür sorgen, dass Versorgungssicherheit da ist. Das Thema Strommarkt-Design steht heute Abend auf der Tagesordnung. Es geht zum zweiten um die Frage Kraft-Wärme-Kopplung und die Frage, wie wir die Klimaschutzziele erreichen, und da ist es Sigmar Gabriels Verdienst, dass verschiedene Handlungsoptionen auf dem Tisch liegen heute. Die gilt es zu entscheiden. In dieser Kategorie kann ich nicht denken. Die Union muss sich heute entscheiden, sich daran zu beteiligen. Die hat ja bisher keine eigenen Vorschläge gemacht, wie man die ehrgeizigen Klimaschutzziele tatsächlich erreicht.
Barenberg: Nun hat Sigmar Gabriel für seinen Vorschlag einer Klimaabgabe ja heftigen Gegenwind von den Gewerkschaften bekommen und auch aus einigen Bundesländern, vor allem aus Bundesländern, die viel Kohleindustrie noch haben. Dass er dann einen Alternativvorschlag vorgelegt hat, ist für Sie ein Ausweis von Durchsetzungskraft?
Heil: Nein. Sigmar Gabriel hat dafür gesorgt, dass jetzt Lösungen auf dem Tisch liegen. Der Vorschlag der Klimaabgabe - das ist in Ihrem Beitrag sehr deutlich geworden - hat Vor- und Nachteile. Ein Nachteil, den viele Regionen in Deutschland befürchtet haben, ist, dass er nicht nur Strukturwandel befördert, der findet ohnehin statt, sondern dass es zu Strukturbrüchen führt. Das ist vor allen Dingen eine Sorge auch der Gewerkschaften und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewesen. Auf der anderen Seite ist der Klimabeitrag ein recht kosteneffizientes Instrument gewesen.
Jetzt gibt es einen Alternativvorschlag. Der ist gemeinsam erarbeitet worden zwischen den Gewerkschaften, den Wirtschaftsministern aus Brandenburg und vor allen Dingen Nordrhein-Westfalen und auch Sachsen, mit Sigmar Gabriel zusammen. Diese Handlungsoptionen liegen jetzt auf dem Tisch. Ich sage da deutlich: Es kann sein - das ist ja in Ihrem Beitrag auch deutlich geworden -, dass diese Möglichkeiten, die jetzt auf dem Tisch liegen, die auch 22 Millionen Tonnen erlösen - denn das Ziel ist, nicht irgendein Instrument zu verteidigen, sondern ein Klimaschutzziel zu erreichen -, dass diese Instrumente tatsächlich nicht so kosteneffizient sind wie der Klimabeitrag. Aber da sage ich auch: Falls das zu einem höheren Strompreis führen sollte, müssen wir an anderer Stelle den Strompreis entlasten, auch von Umlagen, und da sage ich, könnte ich mir vorstellen, dass wir die Stromsteuer beispielsweise adäquat senken. Das wäre ein Beitrag, den müsste die Union über Bundesfinanzminister Schäuble auch leisten. Also noch mal: Der Weg ist nicht das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel und das heißt Klimaschutz und das erlösen wir auch mit diesen alternativen Vorschlägen.
"Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif"
Barenberg: Aber wenn ich Sie jetzt so sprechen höre über den ursprünglichen Vorschlag und über die Handlungsoptionen, wie Sie es nennen, dann klingt das ein bisschen danach, als wüssten Sie selbst nicht so genau, welchen Vorschlag Sie nun favorisieren, welchen Sie möchten und welchen Sie ablehnen.
Heil: Nein, das weiß ich sehr wohl. Aber es geht tatsächlich darum, dass es Klimaschutz nicht zum Nulltarif gibt, und jeder Vorschlag hat Folgen. Das ist gar keine Frage. Die letzten Jahre auch in schwarz-gelber Zeit haben vieles liegen gelassen. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann erreichen wir keines der gesetzten Ziele der Energiewende. Es geht ja darum, dass es sauber, sicher und bezahlbar wird. Das erzählen immer alle. Jetzt erleben wir, dass das Klimaschutzziel für 2020 scheitern würde, wenn wir nicht zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Dafür gibt es jetzt Vorschläge für den Bereich Reserve, für Kraft-Wärme-Kopplung, den für den Gebäudesektor, auch für den Verkehrssektor, die sind sehr handfest. Ich rechne damit, dass man hier eine Lösung finden kann. Aber man muss wissen, alle haben Risiken und Nebenwirkungen, und das ist die Abwägung, die heute Abend zu treffen ist.
Es ist ein Riesenfortschritt im Vergleich zu vor einem halben Jahr. Am 3. Dezember hat das Kabinett einhellig beschlossen, 22 Millionen Tonnen auch im Stromsektor zusätzlich einzusparen. Sigmar Gabriel hat aufgezeigt, wie das geht. Die Union hat erst mal Nein gesagt. Dann sind Alternativen erarbeitet worden, die liegen jetzt auf dem Tisch und jetzt muss die Union sich auch bekennen. Es gilt das alte Motto: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Barenberg: Die Alternative bedeutet ja am Ende, dass nicht die Verursacher in der Kohleindustrie für den Klimaschutz zahlen und einen Beitrag dazu leisten, sondern zum großen Teil die Stromverbraucher und die Steuerzahler. Ist das Politik für den kleinen Mann, wie sie der SPD vorschwebt?
Heil: Nein. Es geht tatsächlich darum, dass auch die Energiewirtschaft ihren Beitrag leistet. Dazu war sie vor einem halben Jahr, wenn ich erinnern darf, überhaupt nicht bereit. Es wird auch zu Stilllegungen kommen. Allerdings wird es einen Strukturwandel geben und keine Strukturbrüche. Das wird begleitet. Das hat Folgen natürlich auch für den Bundeshaushalt und im Zweifelsfall auch für den Strompreis, die man wie gesagt an anderer Stelle mindern muss. Wir haben tatsächlich die Möglichkeit, die Stromsteuer zu senken, damit die Kosten auch im Griff zu halten und eben nicht die kleinen Leute die Zeche zahlen zu lassen, auf der anderen Seite aber einen rapiden Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Das finde ich eine vernünftige, eine sachgerechte Lösung. Wir haben übrigens heute Abend noch ein paar andere Themen, die für das Gelingen der Energiewende noch viel entscheidender sind, und das ist zum Beispiel das Thema Netzausbau, wo Frau Merkel mithelfen muss, Herrn Seehofer zur Vernunft zu bringen.
"Horst Seehofer muss sich bewegen"
Barenberg: Weil da die CSU Nein sagt, ebenso wie in dem Punkt, der auch heute Abend diskutiert werden soll, wo Atommüll zwischengelagert werden soll, wo die Umweltministerin Barbara Hendricks ja auch einen Standort in Bayern ins Spiel gebracht hat. Rechnen Sie da mit Bewegung?
Heil: Ich rechne vor allen Dingen damit, dass es Lösungsmöglichkeiten gibt. Die liegen jetzt auf dem Tisch. Es gibt wie gesagt im Bereich Klimaschutz mögliche Alternativen, alternative Instrumente, die alle dasselbe Ziel erreichen, aber es gibt Bereiche, da gibt es entweder oder, und beim Netzausbau sage ich ganz offen, da kann man mit uns immer drüber reden, wie man das macht. Aber das Ob infrage zu stellen, wie Horst Seehofer das tut, das ist nicht klug und das ist jetzt nicht Aufgabe von uns, das zu klären, sondern das muss unter Schwesterparteien zwischen CDU und CSU geklärt werden. Die Union im Sinne der CDU weiß das auch. Vernünftige Leute in der CSU, in der bayerischen Wirtschaft wissen auch, dass das notwendig ist. Da muss Horst Seehofer sich heute bewegen. Das wäre sonst, ich sage es ganz offen, ein Anschlag auf das Gelingen der Energiewende, sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch, und das ist der eigentlich knacklige Punkt, der heute Abend zu klären sein wird.
Barenberg: Ich will trotzdem noch mal auf die Klimaabgabe beziehungsweise die anderen Möglichkeiten, CO2 einzusparen, zurückkommen, weil es ja auch eine Gerechtigkeitsfrage ist und sich da die Frage stellt: Wenn es jetzt auch noch Subventionen geben soll, um besonders alte und besonders dreckige, schmutzige Kohlekraftwerke als Reserve zu erhalten, ist das eine richtige Politik, Subventionen für diese dreckigen Kohlekraftwerke?
Heil: Nein. Ich glaube, das ist keine zureichende Beschreibung an dieser Stelle. Tatsache ist, dass wir eine Kapazitätsreserve brauchen. Wie gesagt, heute Abend steht auch auf der Tagesordnung, wie organisieren wir den Strommarkt so, dass beim Ausbau der Erneuerbaren, der massiv stattfindet, wir gleichzeitig zu jeder Zeit Versorgungssicherheit haben. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, brauchen wir konventionelle Kraftwerke. Die stehen heute in vielen Bereichen nicht im Geld, die rechnen sich nicht, weil der Wind weht und die Sonne viel scheint, und sie vorgehalten werden müssen für die Zeit, wenn das nicht der Fall ist. Deshalb gibt es ohnehin eine Kapazitätsreserve für das Vorhalten tatsächlich von solchen Kraftwerken, die übrigens, wenn sie in die Reserve kommen, nicht mehr zurückkehren werden. Das heißt, die werden langfristig stillgelegt. Das wird begleitet, wird auch entschädigt an dieser Stelle. Aber ich finde, das ist ein Weg, dass wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Versorgungssicherheit ist ein ganz hohes Gut in der Energiewende und gleichzeitig wollen wir Klimaschutzziele erreichen.
Das wird zur Stilllegung auch von Braunkohlekraftwerken in erheblichem Umfang führen, aber wie gesagt im Sinne eines Strukturwandels, nicht von Strukturbrüchen, weil ein Argument übrigens aus diesen Regionen, in denen Braunkohle gefördert wird, immer war, wenn ihr zu viele von den Blöcken sofort abschaltet, dann hat das einen Dominoeffekt übrigens auf die Wirtschaftlichkeit von Tagebauen und vielem anderen mehr. Wir wissen, dass es nicht so bleiben kann wie es ist, Strukturwandel findet statt, aber bitte helft mit, dass keine Strukturbrüche stattfinden. Und deshalb noch mal ist das ein gutes Instrument, das als Alternative vorliegt. Das hat Nebenwirkungen wie gesagt finanziell. Deshalb werden wir über die Lastenverteilung noch mal reden müssen. Ich bin dafür, dass wir im Zweifelsfall wie gesagt Stromkunden an anderer Stelle entlasten. Das ist möglich, weil wir natürlich auch windfall profits der öffentlichen Hand haben. Durch die steigende EEG-Umlage der letzten Jahre hat der Staat Geld eingenommen über die Mehrwertsteuer. Das kann man auch Bürgerinnen und Bürgern im Sinne von Senkung der Stromsteuer zurückgeben. Da muss dann allerdings Frau Merkel sich bewegen.
Barenberg: Damit müssen wir es bewenden lassen. Vielen Dank für dieses Interview. Hubertus Heil, SPD-Fraktionsvize im Bundestag. Danke Ihnen.
Heil: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.