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Kommentar zur Klimapolitik
Bundesregierung handelt bigott und janusköpfig

Die Publizistin Petra Pinzler geht mit der deutschen Klimapolitik hart ins Gericht: Bundeskanzler Scholz fordere international mehr Klimaschutz, während er zuhause das Klimaschutzgesetz schleifen lasse. Das hinterlasse einen fatalen Eindruck in anderen Ländern.

Ein Gastkommentar von Petra Pinzler | 06.05.2023
Bundeskanzler Olaf Scholz bei der offiziellen Inbetriebnahme des LNG-Terminals "Deutsche Ostsee" in Lubmin: Er steht hinter einem weißen Steuerrad, trägt eine gelbe Warnweste und blickt zur Seite.
Bundeskanzler Olaf Scholz führe die Klimapolitik seiner Vorgängerin Angela Merkel fort, meint Petra Pinzler: International bella figura machen - national bremsen (picture alliance / Geisler-Fotopress / Frederic Kern)
Bundeskanzler Scholz, so zeigt sich immer wieder, ist ein sehr gelehriger Schüler Angela Merkels. Merkel hatte in ihrer 16-jährigen Regierungszeit den Ruf, eine Klimakanzlerin zu sein. Heute hingegen ist weitgehend unumstritten, dass zu ihren großen Versäumnissen das Versagen in der Klimapolitik gehört.
Trotzdem hat das ihrem Image lange nicht geschadet – und zwar aus einem Grund: Merkel hat auf internationalen Konferenzen fast immer bella figura gemacht. Sie war auf Seiten derer, die mehr Ehrgeiz forderten und im Zweifel auch Geld für internationale Töpfe bereitstellte. Das hat ihren globalen guten Ruf gefestigt und der wiederum hat ihr wieder zuhause geholfen.
Genau das versucht Scholz jetzt auch. Auf dem Petersberger Dialog hat er gerade angekündigt, zwei Milliarden Euro für den Grünen Klimafonds bereitzustellen, und er hat höhere Ausbauziele für die Erneuerbaren gefordert.

Die Methode Merkel wirkt heute peinlich

Beides ist gut und beides ist richtig. Das Problem ist nur: Die Methode Merkel wirkt heute eher peinlich. Oder konkret: Wie kann Scholz, ohne rot zu werden, international mehr Klimaschutz fordern, während er hierzulande gerade das Klimaschutzgesetz schleifen lässt und - schlimmer noch - seinem Verkehrsminister anrät, über das Gesetz hinwegzugehen, also beim Klimaschutz zu trödeln, und damit gegen geltendes Recht zu verstoßen?
Über das nationale Versagen der Ampel beim Einsparen von CO2 ist schon viel geschrieben worden – weniger bekannt ist, wie fatal ihre Doppelzüngigkeit international wirkt. Denn weltweit wird das deutsche Handeln natürlich ebenso wahrgenommen wie die Reden des Kanzlers.
Man weiß auch in der Ferne, dass Deutschland gerade rund um den Globus nach neuen Gaslieferanten sucht und Regierungen wie die des Senegal drängt, neue Felder zu erschließen. Und das wiederum wird besonders in Afrika in eine Richtung interpretiert: Die da im Norden reden zwar gern vom Ausstieg aus den Fossilen. Aber wenn es ernst wird, halten sie sich selbst nicht daran. Warum sollen wir es dann tun?

Deutschland wird wieder zu den Guten gehören

Regierungen aber, die neue Gasfelder erschließen wollen, können international nicht für neue ehrgeizige Ziele stimmen. Also werden sie auf der nächsten Klimakonferenz eher bremsen. Und dann könnte genau das passieren, was schon in Merkel-Zeiten der Fall war: Deutschland wird wieder zu den Guten gehören, weil die Bundesregierung viel Geld für die Fonds bereitstellen kann, aus denen künftig die Klimaschäden in armen Ländern bezahlt werden. Die Schäden, um das nochmal festzuhalten, die wir verursachen, gemeinsam mit den anderen sogenannten entwickelten Ländern.
Und als ob das nicht alles schon bigott genug wäre, werden die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung dann zeitgleich darüber klagen, dass auf Klimakonferenzen nicht genug Tempo gemacht wird.
Scholz selbst treibt das janusköpfige Verhalten sogar noch einen Schritt weiter: Er gründet auch noch alternative, vermeintlich bessere Institutionen. Zuletzt hat er das mit dem sogenannten Klimaclub getan, in dem sich Länder zusammenschließen sollen, die beim Klimaschutz besonders ehrgeizig sein wollen. Klingt gut, die Idee hat nur international bisher nicht viele Anhänger gefunden, weswegen aus dem Club nun ein Verein zur Förderung der grünen Industrietransformation wird.

Jede Initiative zählt

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Klimakrise ist inzwischen so schlimm, dass jede Initiative zählt. Es ist also gut, wenn sich Regierungen in vielerlei Formaten darüber austauschen, wie ihre Industrien grün werden können. Gern können sie das auch in einem Club tun. Aber der ist eben nicht die wendige und innovative Alternative zu den großen Konferenzen, wie es das Kanzleramt suggeriert. Die Vergangenheit zeigt zudem: Oft genug bringen solche Alternativ-Veranstaltung nicht viel mehr als tolle Schlagzeilen.
Es bleibt damit leider - immer und immer wieder - eine Erkenntnis: Wer das Klima und damit sein Volk wirklich schützen will, der muss zuhause mehr tun. Also aus Merkels Fehler lernen – statt ihn zu wiederholen.

* Im ursprünglichen Text hieß es, dass die nächste Klimakonferenz in Abu Dhabi stattfindet. Sie findet jedoch in Dubai statt.