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Klima
Von großen Klimawenden und kurzen Wetterereignissen

In seinem neuen Buch "Die Klimawende" beschäftigt sich Klimaexperte Tim Flannery mit dem Weg heraus aus der drohenden Klimakatastrophe. Und der Historiker und Journalist Ronald Gerste blickt in "Wie das Wetter Geschichte macht" nicht nach vorn, sondern in die Vergangenheit, um der Wirkung natürlicher Klimaschwankungen auf die Spur zu kommen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Kohlendioxidemissionen auf der Erde. Rote Flächen zeigen hohe Konzentrationen etwa von Auspuffgasen. Blaue Flächen zeigen hohe CO2-Konzentrationen über städtischen Zentren.
    Braunkohlekraftwerk: Zwei Bücher zum Klimawandel behandeln Lösungen und die Historie. (dpa / picture alliance / Nasa)
    Die Zukunft hat bereits begonnen - jedenfalls wenn es ums Klima geht:
    "Schon heute müssen wir düsteren Szenarien ins Auge sehen: Die Polkappen schmelzen, die Riffe sterben, Küstenbewohner werden von extremen Wetterbedingungen vertrieben."
    Fast ein Jahrzehnt nach seinem Bestseller "Wir Wettermacher" empfängt der australische Klimaexperte Tim Flannery seine Leser mit tristen Erkenntnissen. Politisch wäre es zwar ein grandioser Durchbruch, wenn durch den Pariser Klimagipfel die CO2-Emissionen so radikal gesenkt würden, dass das viel beschworene Zwei-Grad-Ziel erreicht wird. Aber selbst das würde uns nicht von des Messers Schneide holen. Also appelliert er an seine Leser:
    "Wir sollten uns nicht mit einer Zukunft abfinden, in der das Great Barrier Reef sterben, der Meeresspiegel rasch ansteigen und die biologische Vielfalt erheblich reduziert würde - und all das ist bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius noch immer sehr wahrscheinlich."
    Klimaschutzabkommen reiche nicht aus
    Klimaschutzabkommen alleine reichen nicht, um die Welt zu retten, urteilt Tim Flannery. Und so fahndet er in seinem Buch "Die Klimawende" nach rettenden Technologien. Dabei geht der Autor durchaus selbstkritisch mit seinen früheren Ideen ins Gericht - etwa wenn es um die Atomkraft geht:
    "Vor einem Jahrzehnt waren viele, darunter auch ich, der Ansicht, dass die Atomkraft beim Übergang zu einer sauberen Energiewirtschaft eine Rolle spielen könnte."
    Ein Irrtum, gibt er zu. Die Zukunft, schreibt er, sie gehört den Erneuerbaren. Weil Sonne und Wind allein den Klimakollaps nicht verhindern, prüft er Ideen, das Klima mit Geoengineering zu reparieren, etwa mit einem "Sonnenschirm" aus Schwefelpartikeln in der Stratosphäre.
    "In der Vergangenheit habe ich selbst Lösungen wie diese in Erwägung gezogen. Seither bin ich allerdings zu dem Schluss gekommen, dass es nicht sinnvoll sein kann, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen."
    Nach so viel Selbstkritik stellt er den dritten Weg vor: auch Geoengineering, aber umweltfreundlich, sozusagen. Von dem ist er - der Optimist, der an Innovation und technischen Fortschritt glaubt - überzeugt:
    "Dieser dritte Weg ist ein neuer Ansatz und basiert auf Modellen und Experimenten, die zeigen, wie der natürliche Kohlendioxidkreislauf der Erde dazu gebracht werden kann, den Kohlenstoff schneller aus der Luft und dem Meer zu ziehen, und wie er sich sicher deponieren lässt."
    Begeisterung von den technischen Möglichkeiten
    Begeistert beschreibt er, wie sich die Menschheit sozusagen an den eigenen Haaren aus dem Klimasumpf ziehen könnte - mit Technologien, die CO2 aus der Luft binden: Ein Zement, der Kohlendioxid aus Industrieabgasen einschließt. Oder Benzin aus Wasser und CO2. Oder der wuchernde Seetang, der Kohlendioxid in großem Maßstab einfangen soll und dann zum Ausgangsprodukt wird für Erdgas - die Lieblingsidee des Autors. Nein, aufgeben möchte der australische Biologe Flannery trotz seiner düsteren Analysen nicht: Und so argumentiert er in der "Klimawende" mal leidenschaftlich und voller Hoffnung, mal frustriert und warnend - aber am Ende gibt er sich optimistisch:
    "Mit schnellem und umfassenden Emissionsabbau und den Technologien des Dritten Wegs können wir es schaffen. Die Ziellinie ist in Sicht. Es ist an uns, das Rennen um die Zukunft zu gewinnen."
    Sein Wort in Gottes Ohr, möchte man ihm - und uns - wünschen. Und dass das fesselnd geschriebene Buch viele Leser findet, die bereit sind, seinen dritten Weg zu beschreiten.
    Blick auf die Historie des Wetters
    Ein anderes Buch, ein anderer Blickwinkel: Der Historiker und Journalist Ronald Gerste widmet sich in "Wie das Wetter Geschichte macht" dem Zusammenspiel von Klima, Wetter und Menschheitsgeschichte. Er skizziert keine ungewisse Zukunft in einer Welt, in der der Mensch tief ins Geschehen eingreift, sondern konzentriert sich auf die Vergangenheit, die Auswirkungen natürlicher Schwankungen:
    "Während wir die historischen Konsequenzen des Klimas quasi in Zeitlupe mitverfolgen können, wie das Erblühen der grönländischen Siedlungen, ist der "Impact" des Wetters auf die Geschichte etwas manchmal geradezu dramatisch Augenblickliches."
    Natürliche Klimaschwankungen, erklärt der Autor, halfen Kulturen beim Aufstieg, es waren Zeiten, in denen sie wirtschaftlich und kulturell erblühen konnten. Berühmt ist das Beispiel der mittelalterlichen Warmzeit in Europa, als das günstige Klima die Bevölkerung wachsen ließ - bis sich die Bedingungen änderten und im 16. Jahrhundert die kleine Eiszeit begann. Ein anderes Beispiel: die Maya:
    "Die Maya – und darin mag man ein warnendes Beispiel für moderne, ausschließlich an Wachstum, Wachstum und immer weiterem Wachstum interessierte Gesellschaften sehen – wurden Opfer ihres eigenen Erfolges."
    Sie hatten in Mittelamerika eine Hochkultur aufgebaut, sich mit dem Wechsel von tropischen Regenfällen und Dürre arrangierte, bis das regionale Klima kippte. Und dabei hatten sie ihre Hände im Spiel, schreibt Ronald Gerste: Um immer mehr Menschen satt zu machen, hatten sie den Urwald gerodet - dadurch der Dürre Vorschub geleistet. Schuld an ihrem Untergang waren danach Überbevölkerung und Raubbau an der Natur. Und damit wären wir dann auch bei dem Thema, das dem Autor - anders als der menschengemachte Klimawandel, mit dem er sich nur am Rande befasst - besonders am Herzen liegt und dem er den letzten Abschnitt widmet:
    "Das Problem der Weltbevölkerung ist weitgehend ein Tabu. Die Warnung von Aldous Huxley hat mehr denn je seine Berechtigung, auch beim Klimawandel: Wenn wir das Problem der Überbevölkerung nicht lösen, werden alle anderen Probleme unlösbar."
    "Wie das Wetter Geschichte macht" ist ein spannendes Buch, auch wenn die Beispiele außerhalb Europas etwas zu kurz kommen. Aber dem Lesevergnügen tut das dank des lebhaften Schreibstils des Autors keinen Abbruch. Es ist ein höchst interessantes Buch für alle, die sich noch nicht mit der Materie auseinandergesetzt haben. Wer sich gut auskennt, wird wenig Neues entdecken.
    Buchinfos:
    Tim Flannery: "Die Klimawende. Wie wir mit neuen Technologien unsere Atmosphäre retten", Fischer Taschenbuch Verlag, Übersetzung: Jürgen Neubauer, 233 Seiten, Preis: 16,99 Euro, ISBN: 978-3-596-03378-2

    Ronald D. Gerste: "Wie das Wetter Geschichte macht. Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute", Verlag Klett-Cotta, 288 Seiten, Preis: 19,95 Euro, ISBN: 978-3-608-94922-3