Wochenlang goss es wie aus Kübeln. Bis auch der Chao Phraya über die Ufer trat, einer der größten Flüsse Thailands. Das war im Herbst 2011...
"Diese Flut war sehr ungewöhnlich, weil sie über Wochen anhielt. Am Chao Phraya sind in dieser Zeit sechs große Industrieparks nördlich von Bangkok überschwemmt worden. Rund 1600 Firmen sitzen dort."
Der japanische Umweltingenieur Masahiko Haraguchi hat die Flutkatastrophe im Nachhinein genauer untersucht. Mit ihren Folgen hat kaum jemand wirklich gerechnet - aber viele werden sich noch daran erinnern.
Überschwemmt wurden damals auch die Fabriken japanischer Autokonzerne, und das Werk des US-amerikanischen Weltmarktführers für Computer-Festplatten. Alle hatten ihre Produktion nach Thailand verlegt. Durch die Flut schoss der Preis für Festplatten-Laufwerke steil in die Höhe, die Gewinne der Autofirmen brachen massiv ein. Haraguchi:
"Den größten Schaden hatte Honda. Die Firmenverluste waren größer als durch das Erdbeben und den Tsunami in Japan im selben Jahr."
Lokales Ereignis mit globalen Auswirkungen
Selbst ein einzelnes regionales Unwetter kann also globale Warenströme durcheinander bringen. Oder sogar ganz zum Erliegen. Ein Risiko, das noch steigen könnte, wenn Wetterextreme durch die Klimaerwärmung wie erwartet zunehmen. Masahiko Haraguchi beschäftigt sich intensiv mit diesem Problem, am geowissenschaftlichen Institut der Columbia University in New York. Das dort ansässige Wasserzentrum hat ein neues Forschungsprojekt gestartet, an dem der Umweltingenieur beteiligt ist. Es geht darum, das Flut-Risiko für globale Versorgungsketten zu ermitteln und zu reduzieren.
"Was bisher fehlt, und zwar sowohl in der Industrie wie auch in der Wissenschaft, das ist eine Gesamtbetrachtung der Versorgungsketten. Wir versuchen sie jetzt in einem globalen Netzwerk darzustellen. Indem wir nicht nur einzelne Firmen betrachten, sondern ganze Branchen und deren Versorgungsketten."
Aktuell arbeiten die Columbia-Forscher mit einem der führenden Hersteller von Sportbekleidung zusammen. Eine Branche, die ebenfalls sehr viele ihrer Artikel in Asien herstellen lässt. Weil das Kosten spart. Seit der Flutkatastrophe in Thailand und ihren Auswirkungen auf den Weltmarkt sei die Industrie stärker an Risikovorsorge interessiert, sagt Haraguchi. Es gebe Konzerne, die ihre Versorgungsketten inzwischen umgestellt hätten, um die Abhängigkeit von einem einzigen Standort zu reduzieren:
"Toyota hat zum Beispiel eine neue Initiative gestartet und das Netz seiner Zuliefer-Firmen umstrukturiert - als Reaktion auf die Katastrophen in Thailand und Japan 2011. Der Autokonzern baut jetzt regionale Zulieferer-Zentren in verschiedenen Ländern der Erde auf. Und damit mehrgleisige Produktionssysteme, die unabhängig voneinander sind."
Bei Computern würde man von Backup-Systemen sprechen, ohne die Systemausfälle böse Folgen haben. Regionale Wetterextreme können im Übrigen nicht nur die Produktion von Waren für den Weltmarkt unterbinden, wie Haraguchi erläutert. Sondern auch den Transport von Handelsgütern. Das gelte nicht nur bei Überschwemmungen wie in Thailand, als zeitweilig alle Häfen geschlossen waren, sondern auch im Fall von Dürren:
"Nehmen wir zum Beispiel den Mississippi in den USA. Dort fiel der Wasserspiegel während längerer Trockenphasen so stark, daß keine Güterschiffe mehr fahren konnten. Der Mississippi ist aber ein ganz wichtiger Transportweg für Agrarprodukte aus den USA. Infolge der Dürre fiel er aus."
Überschwemmungen wie in Thailand, Trockenheit wie im Megastrom Mississippi – die Studien der Columbia-Forscher sollen der Industrie helfen, sich besser auf solche Wetterrisiken für den Weltmarkt einzustellen.