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Klimafaktor Kondensstreifen

Klimaforschung. - Der Flugverkehr gerät zunehmend in den Focus der Klimaforscher - weniger wegen seines derzeitigen Anteils als wegen der rasanten Wachstumsraten, die im prophezeit werden. Offenbar wirken die Flugzeuge stärker durch die von ihnen erzeugten Kondensstreifen auf das Klima als durch ihren Treibhausgasausstoß.

Von Volker Mrasek |
    Aus den Triebwerken von Düsen-Jets strömt heißes, wasserdampfhaltiges Abgas. In Reiseflughöhen trifft es auf eiskalte Umgebungsluft. Die Folge: Der Wasserdampf kondensiert schlagartig, es entstehen die sogenannten Kondensstreifen.

    "Jeder kennt diese linienförmigen Wolken, die sich hinter den Flugzeugen bilden."

    Nicht immer lösen sie sich gleich wieder in Luft auf. Ist die Atmosphäre feucht und mit Wasser beziehungsweise Eis übersättigt, dann leben die Kondensstreifen weiter:

    "Mit der Turbulenz in der Atmosphäre können die auch nach einer Weile andere Formen annehmen und sind dann teilweise von den natürlichen Wolken gar nicht mehr unterscheidbar."

    Genau das ist das große Problem, mit dem sich Ulrike Burkhardt jetzt in ihrer neuen Studie befasst. Die Meteorologin hat versucht abzuschätzen, wie häufig sich Kondensstreifen in den globalen Flugkorridoren in Zirrus-Wolken verwandeln, die sich nicht nur ein paar Minuten am Himmel halten, sondern für Stunden oder manchmal sogar für Tage. So lange haben sie dann auch einen Klimaeffekt. Die feinen Wolkenschleier wirken nämlich wie Treibhausgase. Sie halten die ausgehende Wärmestrahlung der Erde zurück. Die Forscherin vom DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, nennt die von Flugzeugen fabrizierten Höhenwolken "Kondensstreifen-Zirren":

    "Bei unserer Studie ist herausgekommen, daß die Kondensstreifen-Zirren von dem gesamten Flugverkehrseffekt doch einen sehr großen Teil ausmachen. Da der Strahlungseffekt recht groß ist, ist die Erwärmung, die heute stattfindet aufgrund von den Kondensstreifen-Zirren, tatsächlich größer als die Erwärmung aufgrund des CO2 aus Flugzeugen."

    Auf Satellitenbildern lassen sich Zirren zwar erkennen, nicht aber, ob sie natürlich entstanden sind oder künstlich. Ulrike Burkhardt hat deshalb das heutige Luftverkehrsaufkommen in ein globales Klimamodell gepackt. In der Computersimulation ist es nämlich möglich, Kondensstreifen in ihrem Werdegang zu verfolgen und von natürlicher Höhenbewölkung abzugrenzen. Dabei kam dann zum Beispiel heraus, daß Kondensstreifen-Zirren über Zentraleuropa zeitweilig bis zu zehn Prozent des Himmels bedecken. Man muss aber auch sehen: Die DLR-Studie ist die erste ihrer Art. Und noch immer lassen sich Wolken und ihre kleinräumige Entstehung in Klimamodellen nicht wirklich darstellen. Burkhardt:

    "Also, sie werden zwar nicht direkt simuliert. Aber der Effekt der Wolken wird parametrisiert. Das bedeutet einfach nur, daß man sich anschaut: Wenn die Atmosphäre feucht genug ist oder wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, dann hätten wir in dieser Atmosphäre Wolken."

    Ulrike Burkhardt sagt selbst, daß ihre Ergebnisse erst einmal durch weitere Studien bestätigt werden müssen. So sehen das auch andere Experten wie der Franzose Olivier Boucher. Der Physiker forscht im Klimazentrum des Britischen Wetterdienstes in Exeter.

    "Diese Studie bestätigt, daß der Flugverkehr die Bewölkung verstärken kann und daß sich ausbreitende Kondensstreifen dabei eine Schlüsselrolle spielen. Die Arbeit ist auch deshalb interessant, weil sie uns Wege aufzeigt, um den Einfluß des Flugverkehrs auf das Klima zu vermindern."

    Um einige dieser Möglichkeiten zu nennen: Jet-Triebwerke könnten in Zukunft so konstruiert werden, daß sie weniger Wasserdampf ausstoßen. Flugzeuge könnten einfach tiefer fliegen oder besonders feuchte Zonen wenn möglich umkurven. Bevor man tatsächlich solche Maßnahmen ergreift, wäre allerdings zu prüfen, ob die Maschinen dadurch nicht andererseits mehr Treibstoff verbrauchen und damit auch mehr CO2 ausstoßen. Denn dann könnte der positive Klimaeffekt am Ende doch wieder verpuffen.