Tobias Armbrüster: Es sind dramatische Bilder, die wir in diesen Tagen aus Texas bekommen, dramatisch, weil sie Menschen zeigen, die plötzlich nur noch Wasser um sich herum sehen und die in diesen Wassermassen fast alles verloren haben, was sie besitzen. Dramatisch aber auch, weil das alles in einem Land geschieht, das sich eigentlich, was Technik, Infrastruktur und Wohlstand angeht, an der Spitze sieht: in den USA nämlich.
Wie konnte es nun soweit kommen und was müssen wir aus dieser Katastrophe rund um den Hurrikan Harvey lernen? Das können wir jetzt besprechen mit einem der versiertesten und einflussreichsten Klimaforscher Deutschlands. Am Telefon ist Mojib Latif. Er ist Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Schönen guten Morgen.
Mojib Latif: Guten Morgen.
Armbrüster: Herr Latif, haben Sie diese Katastrophe vorhergesehen?
Latif: Ja, kurzfristig schon, denn die Wettervorhersagen, die sind schon sehr, sehr gut, und insofern war schon abzusehen, dass hier die Region Texas besonders stark betroffen sein würde. Was diese extremen Niederschläge angeht, das war so nicht vorherzusehen. Das liegt vor allen Dingen daran, dass dieser Hurrikan (oder später ist er ja runtergestuft worden als Tropensturm) einfach nicht von der Stelle gekommen ist und immer noch dort wütet, und das hat mit der Großwetterlage zu tun.
"Wasser kann nicht abfließen"
Armbrüster: Was sagen denn die Daten, zu denen Sie Zugang haben? Wie könnte das jetzt weitergehen mit diesem Hurrikan und mit den Unwettern in den USA?
Latif: Es sieht so aus, als wenn es immer noch weiter regnen wird, und das Problem ist ja, dass in Houston das Wasser gar nicht abfließen kann, weil Houston ist einfach eine Stadt, die schlecht geeignet ist für Starkregen. Man hat dann zwar Kanäle vor Jahrzehnten gebaut, aber die sind viel zu klein dimensioniert gewesen, weil man mit solchen Wassermassen nicht gerechnet hat. Und was dann noch dazu kommt ist einfach, dass das Wasser gar nicht abfließen kann, weil so ein Tropensturm immer noch ziemlich starke Winde hat, und diese Winde, die pressen das Wasser vom Golf von Mexiko ins Landesinnere, so dass es dort auch einen Stau gibt. All das führt im Moment zu diesen katastrophalen Verhältnissen.
"Anpassungsmöglichkeiten sind begrenzt"
Armbrüster: Haben Sie denn den Eindruck, ist das ein Thema, das die Städteplaner in anderen Regionen der Welt auf dem Schirm haben, dass sie Boden nicht übermäßig versiegeln sollten, um solchen Regenwassermengen auch Abflussmöglichkeiten zu bieten?
Latif: Nein, eben nicht. Wir sehen es jetzt in Houston. Wir haben es aber auch immer wieder in der Vergangenheit bei uns in Deutschland gesehen. Wir haben einfach es noch nicht begriffen, dass der Klimawandel häufiger zu solchen extrem starken Niederschlägen führen wird, und wir sind wirklich nicht angepasst. Andererseits – und das sehen wir ja auch gerade an den dramatischen Bildern, die uns gerade erreichen – gibt es Grenzen der Anpassung. Das darf man auch nicht vergessen. Es heißt immer so schön, ja, wenn wir den Klimawandel nicht begrenzen können, dann müssen wir uns anpassen.
Aber wir sehen gerade, irgendwo sind da Limits, und dann können Sie sich einfach nicht mehr anpassen. Besonders deutlich wird das natürlich in diesem Dilemma, in dem der Bürgermeister von Houston gewesen ist, denn er hatte doch eigentlich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder lässt er nicht evakuieren, dann kommt es zu diesen Szenen, die wir jetzt gesehen haben, oder er riskiert eine Massenpanik, wenn er die Evakuierung anordnet, und da sehen wir schon, dass man eigentlich mit solchen Extremereignissen historischen Ausmaßes gar nicht mehr umgehen kann.
Armbrüster: Herr Latif, jetzt haben Sie in das Gespräch schon das nächste Stichwort eingebracht: Klimawandel. Kann man das wirklich sagen, Hurrikan Harvey ist eine Folge des Klimawandels, das ist nicht einfach nur ein schweres Unwetter, wie es die USA ja regelmäßig erleben?
Latif: Na ja, das ist schon schwierig, das zu quantifizieren. Ich bin schon davon überzeugt, dass der Klimawandel hier eine gewisse Rolle gespielt hat, weil bei solchen extremen Niederschlägen, die es vorher noch nie gegeben hat, muss man sich natürlich fragen, wie kann so etwas passieren. Wir warnen ja schon lange genau vor solchen Situationen und der Grund ist eigentlich für uns Wissenschaftler zumindest ziemlich einfach. Wenn es wärmer wird und es ist natürlich auch in den USA wärmer geworden, die Weltmeere erwärmen sich, auch der Golf von Mexiko hat sich deutlich erwärmt, dann kann einfach mehr Wasser verdunsten. Die Luft kann mehr Wasser in Form von Wasserdampf halten und bei entsprechender Wetterlage, wie wir sie gerade haben, kann dann entsprechend mehr Wasser in Form von Regen runterkommen. Und wir erleben weltweit, dass solche Katastrophen, solche Flutkatastrophen zunehmen.
"Hurrians brauchen mindestens 26,5 Grad warmes Wasser"
Armbrüster: Könnten uns solche Hurrikans auch hier in Deutschland bedrohen?
Latif: Nein, das ist nicht möglich. Starkregen natürlich, das haben wir ja immer wieder jetzt gesehen in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Ich erinnere an die Oder-Flut, an die Elbe-Fluten, aber auch an die kleinen Sturzfluten, die wir immer hatten. Auch in den Alpen waren immer wieder extreme Katastrophen zu beobachten. Aber Hurrikans brauchen einfach sehr warme Wassertemperaturen von mindestens 26,5 Grad, und die wird es bei uns trotz Erderwärmung nicht geben und deswegen werden wir zumindest von Hurrikans verschont bleiben, was nicht heißt Entwarnung, sondern wir werden mit anderen Wetterextremen zu tun haben.
Armbrüster: Was glauben Sie denn, schließt sich Donald Trump irgendwann dieser Meinung an, dass das Ganze Teil des Klimawandels ist? Sieht er das auch so?
Latif: Ich glaube es nicht. Vor ein paar Monaten hatte ich mal in einem Interview tatsächlich gesagt, als ich gefragt wurde, als Donald Trump in Aussicht gestellt hatte, dass er das Pariser Klimaabkommen verlassen wird, was dann passieren müsste. Dann hatte ich gesagt, es müsste ein Hurrikan biblischen Ausmaßes passieren. Aber wenn ich jetzt sehe in den letzten Monaten, wie der amerikanische Präsident sich verhält, dann muss ich einfach sagen, dieser Mann ist absolut beratungsresistent und deswegen fürchte ich einfach, dass auch dieses Ereignis die Meinung des Präsidenten nicht ändern wird.
Armbrüster: Sie beschäftigen sich ja auch viel mit Stimmungen rund um den Klimawandel. Das ist jetzt zwar nicht Teil Ihres Forschungsgebiets, aber das hängt natürlich damit immer stark zusammen. Was ist denn Ihr Eindruck, bei solchen Katastrophen, wenn die sich noch weiter häufen in den USA, könnte dann der Druck auf Donald Trump in dieser Frage wachsen?
30 Prozent der Amerikaner glauben nicht an Klimawandel
Latif: Ja, natürlich kann das passieren. Das Problem ist aber, dass solche Ereignisse immer noch trotz Klimawandels sehr, sehr selten sind. Ich erinnere an den Hurrikan Katrina. Der ist ja schon viele Jahre her, der damals New Orleans unter Wasser gesetzt hat. Jetzt haben wir den Hurrikan Harvey. Zwischendurch hat es auch immer wieder katastrophale Hurrikans gegeben. Aber ich fürchte, dass dieser amerikanische Präsident – und das sehen wir an vielen anderen Dingen auch -, der so sprunghaft ist, der mehr oder weniger immer aus der Hüfte agiert, hier nicht zur Einsicht kommt, weil am Ende des Tages muss man einfach sehen, im Gegensatz zu Deutschland sind in Amerika ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung der Meinung, es gebe gar keinen Klimawandel. Deswegen ist der Druck aus der Öffentlichkeit auch nicht so stark, wie er zum Beispiel bei uns hier in Deutschland wäre.
Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk Mojib Latif, Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Vielen Dank, Herr Latif, für Ihre Zeit heute Morgen.
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