Krauter: In Australien stellen sich viele Menschen gerade natürlich auch die Frage: Ist das jetzt der Klimawandel, dem wir die höllischen Feuer in dieser Waldbrand-Saison zu verdanken haben? Oder sind da einfach nur Wetterkapriolen dran schuld? Australiens Premierminister Scott Morrison ist sich sicher: Mit der Erderwärmung hat das nichts zu tun. Die meisten Wissenschaftler und auch immer mehr Australier sehen das aber anders. Der Klimaforscher Malte Meinshausen ist seit einigen Jahren Professor an der Universität Melbourne, und lebt und arbeitet also in der Hauptstadt des Bundesstaates Victoria, wo wegen der wütenden Waldbrände kürzlich das erste Mal in der Geschichte der Notstand ausgerufen wurde. Ich habe vor der Sendung mit ihm telefoniert und ihn gefragt: Ist das Ausmaß der Buschfeuer in Australien in diesem Jahr überraschend? Oder war das eine Katastrophe mit Ansage?
Meinshausen: Ja, natürlich. Also es gab hier in den letzten Monaten eine der stärksten Dürreperioden in New South Wales und auch in Teilen von Victoria. Kombiniert mit den heißen Winden, die es dann gibt - dass es da dann Buschfeuer gibt, ist klar. Dieses Ausmaß von den Buschfeuern hat jedoch keiner so erwartet. Was wir jedoch wissen: Mit dem Klimawandel werden wir mehr von den Trockenperioden haben, wir werden noch höhere Temperaturen haben, wo dann noch mehr Bodenfeuchtigkeit auch verlorengeht, wo die Vegetation noch dürrer ist. Dass dadurch die Feuersaison und auch die Heftigkeit von den Feuern noch stärker zunehmen wird, ist leider außerfrage gestellt. Es ist ein bisschen schade, dass das hier manche Politiker in Australien noch nicht so wahrhaben wollen.
Ralf Krauter: Sie arbeiten in Victorias Hauptstadt Melbourne. Wie wirken sich die ungewöhnlich heftigen Buschfeuer in diesem Jahr ganz konkret auf Ihren Alltag aus?
Malte Meinshausen: Also heute ist die Luft wieder relativ klar. Man hat ein bisschen Rauchgeschmack hin und wieder. Gestern jedoch war die ganze Stadt sehr in einen dicken Rauch gehüllt. Die Sicht war, ich würde sagen, so circa anderthalb Kilometer, aber man hatte also doch wie in einer kleinen schweizerischen Berghütte, wo der Abzug nicht richtig funktioniert, das Gefühl, hier qualmt es irgendwo ganz eindeutig. Es war ein Rauchgeschmack von Holzfeuer. Also es war nicht die übelste Sorte von Smog, doch das Atmen fiel etwas schwerer, und man wollte nicht unbedingt auf dem Fahrrad sein. Es ging hier auch die Warnung von den Behörden durch, dass man alle Aktivitäten auf das Geringstmögliche einstellen sollte. Für Melbourne, was eine Stadt ist, die im Sommer eigentlich von nonstop klarem blauem Himmel und sehr guter Luftqualität geprägt ist, ist das doch sehr unüblich.
"Beide großen Parteien verpassen da eine Riesenchance"
Krauter Wie erleben Sie die politische und gesellschaftliche Debatte in Australien zu den Ursachen der Feuerkatastrophe? Australiens Premier Scott Morrison werfen Kritiker ja vor, ihm sei der Schutz der heimischen Kohleindustrie wichtiger als der Schutz der Bevölkerung. Ist da was dran?
Meinshausen: Im Moment ist es leider so, dass sich der Premier also Wochen darum gedrückt hat, irgendeine Verbindung mit dem Klimawandel herzustellen, die also ganz klar auch da ist. Das ist keine Frage, dass die Wahrscheinlichkeit von solchen Buschfeuern enorm gestiegen ist durch den menschenverursachten Klimawandel. Aber es ist auch bei der anderen großen Partei, der Labour-Partei, doch leider so, dass sie sehr stark um die Arbeiter in den Kohleminen in Queensland zum Beispiel besorgt ist. Und beide großen Parteien verpassen da eine Riesenchance, die eigentlich in Australien gegeben wäre. Sowohl die Konservativen als auch die Labour-Regierung könnte Australien neu definieren mit einem ökonomischen Wachstumsmodell, was also voll auf erneuerbare Energien ausgerichtet ist. Australien hat, wie sonst kaum ein Land, Sonne- und Windenergien im Überfluss vorhanden. Daraus könnte ein neues Wachstumsmodell entstehen: Gerade mit dem Eisenerz, was man hier fördert, könnten energieintensive Industrien hier angesiedelt werden. Das wäre eine grüne Industrie mit vielen Arbeitsplätzen. Aber leider scheint dazu politisch im Moment kein Appetit zu sein, weder bei den Konservativen noch bei der Labour-Partei.
"Deshalb hat man auch jetzt neuerdings Brände in Schweden und Sibirien"
Krauter: Australien ist einer der weltweit größten Exporteure von Kohle und erzeugt bis heute Dreiviertel seines Stroms mithilfe von Kohle. Was müsste Australiens Regierung denn ganz konkret und schnell tun, was müssten seine Bürger tun, um Waldbränden solch katastrophalen Ausmaßes künftig den Nährboden zu entziehen?
Meinshausen: Also es gibt die Diskussion über diese Feuer, die man legt, hauptsächlich in der feuchten Saison, wenn die Brände sich nicht so schnell ausbreiten können, um einfach dieses Unterholz zu lichten. Das hat man schon seit Jahrzehnten gemacht. Es ist immer wieder ein bisschen fraglich, weil von diesen Bränden, die man also absichtlich legt, entwischen immer wieder einige. Vor einigen Jahren ist auch hier ein großes Naturschutzgebiet einmal den Flammen zum Opfer gefallen, weil also ein geplanter Brand außer Kontrolle geraten ist. Da muss man sicherlich mit vorsichtigen Brandschutzmaßnahmen herangehen, um gerade in der Umgebung von Siedlungen zu verhindern, dass es da zu viel Dürre und trockenes Unterholz gibt. Aber sonst kann man da nicht viel machen.
"Wälder werden langfristig verschwinden, es wird Savannen geben"
Wenn einfach monatelang die Vegetation dann nach dem Winter und nach ein bisschen Wachstum in den kälteren Monaten austrocknet und es dann die heißen Winde gibt, dann wird es Waldbrände geben. Das sieht man in Kalifornien, das ist hier in Australien so, das ist auch in anderen Regionen in Europa so. Deshalb hat man auch jetzt neuerdings Brände in Schweden und Sibirien. Da kann man nicht viel machen. Da wird sich dann irgendwann langfristig, wenn wir der Klimakatastrophe nicht einen Riegel vorschieben, ein anderes Ökosystem einstellen. Dann werden die Wälder teilweise verschwinden, dann wird es Savannen geben.
Die Modelle zeigen alle, es wird nur weiter in die Richtung von mehr Trockenheit und mehr Hitze gehen. Am Ende von solchen Dürreperioden kann dann auch Starkregen auftreten, weil man eine wärmere Atmosphäre hat, die kann mehr Wasser halten. Und wenn die Vegetation darniederliegt, kann das alles mit Überschwemmungen enden. Dann gibt es noch eine ganze Menge anderer Mechanismen.
Gefahr für die Trinkwasserversorgung von Sydney
Zum Beispiel, wenn man jetzt in Sydney sich anschaut, wo das Trinkwasser herkommt: Die Bergregionen, die sind abgebrannt, da hat man eine ganze Menge Asche auf dem Boden liegen. Sollte es jetzt einen Regen geben, könnte das verheerend sein für die Trinkwassersituation in Sydney, weil dann wird die Asche in diese Trinkwasserreservoire gespült. Dann gibt es Algenwachstum, und dann bilden sich Toxine, und dann hat man plötzlich eine Millionenstadt ohne Trinkwasser. Ein anderer Effekt, der jetzt entsteht, ist dieser ganze Rauch, der in Australien entsteht, der wird bis nach Neuseeland gezogen und setzt sich da auch auf den Gletschern nieder. Für Gletscher ist es natürlich verheerend, wenn sie noch ein kleines schwarzes Mäntelchen bekommen und in der Sommerhitze durch noch mehr Absorption der Sonnenstrahlen dann noch schneller schmelzen.
Also es gibt eine ganze Reihe von Kettenwirkungen, die hier jetzt passieren aufgrund dieser verheerenden Feuer. Ich habe gerade auch heute von einem anderen Kollegen erfahren, der in Santiago arbeitet an unserem nächsten IPCC Weltklimabericht: Die sehen dort am Himmel jetzt auch schon die australischen Rauchschwaden. Also es ist erstaunlich, wie groß die Feuer sind, und es ist erstaunlich, wie viele Verkettungen damit einhergehen. Wir stoßen als Menschen einfach das Klima in eine Region herein, wo es traditionell nicht war. Und da kommen jetzt leider eine ganze Menge böser Überraschungen auf uns zu.
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