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Klimageschichte
Einblicke in die Folgen des Klimawandels

Im Erdalter Pliozän gab es schon einmal einen ähnlichen hohen Kohlendioxidgehalt wie heute. Deshalb lassen sich Erkenntnisse aus der Klimaforschung auf unsere Zeit und die nähere Zukunft übertragen. Aber es gibt auch gravierende Unterschiede, zum Beispiel bei dem für uns wichtigen Golfstrom.

Von Dagmar Röhrlich |
Sunset in Trincomalee, Sri Lanka 2019
Der Klimawandel sorgt für heißere Temperaturen. Ein Blick in die Erdgeschichte zeigt mögliche Folgen. (Emre Caylak)
Im vergangenen Jahr erreichte der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre 410 ppm (Anm.d.Red.: "parts per million", wörtlich übersetzt "Anteile pro Million") – und damit einen Wert, der zuletzt vor mehr als zweieinhalb Millionen Jahren herrschte, im Pliozän. Genau das macht diese Epoche für Paläoklimatologen so faszinierend.
"Wir können aus dieser Zeit lernen, wie es auf lange Sicht mit der Erde weitergeht – aber nur, wenn es uns gelingt, die CO2-Werte mehr oder weniger auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren."
Im Pliozän glich das System Erde in vielen Punkten dem heutigen. Das macht die Vergleiche besonders spannend, erläutert Alan Haywood von der University of Leeds.
Temperaturanstieg in Richtung Pole von bis zu 15 Grad
Und so überrascht es denn auch wenig, dass die Temperaturen damals global um zwei bis vier Grad über dem Niveau von 1.800 lagen. In höheren Breiten betragen die Abweichungen sogar plus zehn bis 15 Grad. Entsprechend waren denn auch die Ökosysteme in Richtung der Pole verschoben.
"Im Grunde gab es auf der Nordhalbkugel keine Tundra mehr, stattdessen wuchsen dort boreale Nadelwälder. Auch Permafrost dürfte selten gewesen sein, und im Sommer war der arktische Ozean anscheinend frei von Meereis. Im Vergleich zu heute war der grönländische Eisschild etwa 70 bis 80 Prozent kleiner und existierte nur in den Gebirgen im Osten der Insel."


Wie es in der Antarktis aussah, ist schwieriger abzuschätzen. Wahrscheinlich war auch der Westantarktische Eisschild wesentlich kleiner als derzeit, vielleicht sogar ganz abgeschmolzen – ebenso wie der sensible Teil des Eises in der Ostantarktis. Der Meeresspiegel lag wohl um zwölf bis 20 Meter über dem heutigen.
"Derzeit untersuchen wir mit Computermodellen, wie sich die Westwinde und damit die Niederschläge auf der Nordhalbkugel damals verhalten haben. Die Westwindzone lag damals weiter im Norden, so dass Zyklone bis nach Nord- und Mitteleuropa vordringen konnten. Und weil die Atmosphäre insgesamt wärmer war, stieg die Verdunstung, was wiederum für Teile Westeuropas mehr Niederschläge bedeutet hat."
Gletscher in dem 60km langen Prins-Christian-Sund (Prinz Christian Sund) in Südgrönland.
Aufgrund des Klimawandels gehen Gletscher zurück und schmelzen Polkappen. (dpa / Daniel Gammert)
Überraschung bei der Rekonstruktion von Meeresströmungen
Eine Überraschung brachte die Rekonstruktion der Meeresströmungen. Während Forscher heute erwarten, dass sich beispielsweise der Golfstrom abschwächen wird, waren die Meeresströmungen im Atlantik während des Pliozäns möglicherweise sogar stärker. Die Ursache könnte in einem kleinen tektonischen Unterschied liegen: Damals waren sowohl die Beringstraße, als auch die Nordwestpassage wohl blockiert, der Arktische Ozean also fast vollständig isoliert. Diese besondere tektonische Konstellation dürfte die atlantischen Strömungen verstärkt haben, so die Vermutung:
"Wegen der spezifischen geologischen Bedingungen damals stößt die Analogie der heutigen Situation zum Pliozän hier an ihre Grenzen."
Andere Mechanismen hingegen lassen sich durchaus übertragen, etwa die Rückkopplungseffekte, die anlaufen, weil das Meereis fehlt und der Planet damit mehr Sonnenstrahlen aufnimmt und sich noch schneller erwärmt als durch das Kohlendioxid allein. Und in diesem Sinne öffnet das Pliozän ein Fenster in die Zukunft der Erde jenseits von 2100.