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Klimagipfel
Die zwei Gesichter der EU

Die letzten Verhandlungen beim Klimagipfel in Paris laufen auf höchster politischer Ebene. Für die Europäische Union drängt die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschburg auf ehrgeizige Ziele. Doch das ist nur die eine Seite der EU. Europa hat seine Klima-Vorzeigerolle längst verloren.

Von Georg Ehring |
    Miguel Arias Cañete, der EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie.
    Miguel Arias Cañete, der EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie. (AFP / Thierry Charlier)
    Das "Fossil des Tages" gehört nicht zu den Auszeichnungen, die man gern bekommt. Das Climate Action Network, ein weltweiter Zusammenschluss von Klimaschützern, vergibt sie jeden Tag in Paris – gestern Abend bekam ihn die Europäische Union – zusammen mit Ländern wie Australien, Kanada, Neuseeland, Kasachstan und Russland. Sie alle weigerten sich, in den nächsten Jahren vor 2020 mehr für den Klimaschutz zu tun, also mehr CO2 einzusparen und den Ausstieg aus der Kohle zu beschleunigen, so die Begründung der Klimaschützer.
    "Die Einheit der EU in Sachen Klimaschutz ist leider schon seit vielen Jahren ein Problem. Wir haben, wie Sie sagen, eine Opposition seitens der osteuropäischen Länder gegenüber ehrgeizigem Klimaschutz", erklärt Stefan Krug von der Umweltorganisation Greenpeace die Zurückhaltung Europas in dieser Frage. Vor allem Polen wehrt sich seit Jahren gegen höhere Ambitionen, das Land hat in den vergangenen Jahren mit seinem Veto verhindert, dass die Europäische Union ihr Klimaschutz-Ziel aufstockt.
    Der Negativpreis passt so gar nicht zum Selbstbild der EU - beim Klimagipfel in Paris sieht sie sich als Treiber für ein ehrgeiziges Abkommen - und wenige Stunden vor dem geplanten Ende des Gipfels fast am Ziel. Klimakommissar Miguel Arias Canete macht klar, worauf es ihm ankommt. "Ein ehrgeiziges Abkommen ist ein Abkommen mit langfristigem Ziel, mit einem dynamischen Prozess, um den Ehrgeiz im Laufe der Zeit zu steigern und ein ehrgeiziges Abkommen braucht Transparenz und Regeln für die Rechnungslegung."
    Ein Bündnis für hohe Ambitionen
    Wenn Canete durch die Leichtbauhallen des eigens errichteten Kongresszentrums auf dem Gelände des Pariser Flughafens Le Bourget läuft, ist er meist in Begleitung von Carole Dieschburg, der Umweltministerin von Luxemburg. Das Land hat gerade die EU-Präsidentschaft inne und Carole Dieschburg fühlt sich auf dem klimadiplomatischen Parkett sichtlich wohl. Rückenwind aus den Einzelstaaten ist der Grund – keineswegs selbstverständlich in Europa.
    "Ich sehe, dass Europa im Moment sehr geeint auftritt. Es ist möglich, in schwierigen Verhandlungen eine starke Stimme zu haben, Koalitionen zu bauen, Brücken zu bauen, innerhalb dieses Prozesses und die sind sehr wichtig, weil sie auch Europa als glaubwürdigen Partner erscheinen lässt."
    An den letzten Gipfeltagen gelang es der EU sogar, ein beeindruckend breites Bündnis für hohe Ambitionen zu schmieden: Eine große Gruppe von Entwicklungsländern ist dabei, vor allem ärmere Länder und Inselstaaten, die durch den steigenden Meeresspiegel vom Untergang bedroht sind. Und die USA machen mit, auch sie haben sich der Forderung angeschlossen, den Temperaturanstieg auf höchstens eineinhalb Grad zu begrenzen. Das Ziel soll neben der Obergrenze von zwei Grad im Abkommen verankert werden. Bisher jedoch will eine ganze Reihe von Ländern da nicht mitmachen, unter anderem Brasilien, Indien, China, Malaysia und Saudi-Arabien. Also Schwellenländer, die bei ehrgeizigem Klimaschutz um ihre Entwicklungsmöglichkeiten fürchten.
    Europa müsste den Ausstieg aus der Kohle beschleunigen
    Doch die Allianz für hohe Ambitionen erscheint brüchig. In den praktischen Verhandlungen stünden die EU und auch die USA oft gegen Forderungen aus armen Entwicklungsländern, klag Salemuul Huq, Delegierter aus Bangladesch. Zum Beispiel, wenn es um Ersatz für durch den Klimawandel bedingte Schäden geht. "Die Europäische Union unterstützt uns in diesem Punkt nicht. Das hätten wir von ihnen nicht erwartet, denn das, was sie in den Verhandlungen tun, entspricht nicht dem, was sie öffentlich sagen."
    Wenn Europa das ehrgeizige Abkommen bekommt, das es in Paris anstrebt, dann geht es in den nächsten Monaten zu Hause zur Sache. Europa müsste den Ausstieg aus der Kohle beschleunigen. Spätestens dann werden Länder wie Polen auf die Bremse treten, selbst wenn sie in Paris nach außen die Einheit der EU-Position wahren.