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Klimagipfel in Paris
"Gut, dass Macron das Ruder übernimmt"

Der Gipfel in Paris sei aus ihrer Sicht "keine Show", sagte die klimapolitische Sprecherin der Grünen, Annalena Baerbock im Dlf. Emmanuel Macron mache noch einmal deutlich, dass er nicht nur bei der Zukunft der Europäischen Union etwas bewegen wolle, sondern auch beim Klimaschutz.

Annalena Baerbock im Gespräch mit Stefan Heinlein | 12.12.2017
    Die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Grüne) spricht am 09.12.2017 in Hamburg während der Landesmitgliederversammlung der Hamburger Grünen.
    Es sei gut, dass Frankreichs Staatspräsident Macron das Ruder beim internationlen Klimaschutz übernehme, sagte die Grüne Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock im Dlf. (dpa / Georg Wendt)
    Stefan Heinlein: Mit 25.000 Teilnehmern war die Bonner Weltklimakonferenz ein Treffen der Superlative, die bislang größte, je in Deutschland stattfindende Konferenz. Inhaltlich jedoch waren die Ergebnisse aus Sicht der meisten Beobachter eher mager. Nur wenig Greifbares lag am Ende auf dem Verhandlungstisch, auch wenn das befürchtete große Scheitern ausblieb.
    Heute, nur wenige Wochen nach der Bonner Weltklimakonferenz, versammeln sich erneut gut 50 Staats- und Regierungschefs, um über die Rettung unseres Weltklimas zu reden. Eingeladen hat Frankreichs Präsident Macron, zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens.
    Mitgehört hat die grüne Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock, Klimaexpertin ihrer Partei. Guten Morgen, Frau Baerbock.
    Annalena Baerbock: Schönen guten Morgen.
    Heinlein: Was erleben wir da heute in Paris, eine Show für den jungen Präsidenten, oder kann da wirklich etwas für unser Weltklima erreicht werden?
    Baerbock: Aus meiner Sicht ist das keine Show, sondern Emmanuel Macron macht noch mal deutlich, dass er nicht nur bei der Zukunft der Europäischen Union was bewegen will, sondern auch beim Klimaschutz, und das ist ja auch der zweijährige Jahrestag des Pariser Klimaabkommens und deswegen finde ich das gut, da heute noch mal ein Zeichen zu setzen. Das Thema ist jetzt ja ein bisschen anders, internationale Klimafinanzierung, und hier müssen einfach die Industriestaaten auch was liefern, gerade mit Blick auf die unter den Klimaschäden am meisten leidenden Staaten. Deswegen finde ich das richtig. Aber es dürfen natürlich nicht nur schöne Bilder bleiben, sondern da muss jetzt richtig auch finanziell was in die Wege geleitet werden, dass die Investitionen weltweit in Zukunft auch wirklich in klimafreundliche Bahnen gehen.
    "Aus Deutschland wird jetzt aber nicht mehr kommen"
    Heinlein: Da sind Sie auf einer Linie mit Greenpeace, der Umweltschutzorganisation. Die haben im Vorfeld erklärt, der Klimaschutz brauche keine schönen Bilder, keine weiteren Gruppenfotos, sondern mutige Maßnahmen. Erwarten Sie solche mutigen Maßnahmen? Erwarten Sie mehr Geld für unser Klima?
    Baerbock: Da bin ich gespannt. Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks hat schon deutlich gemacht, aus Deutschland wird jetzt aber nicht mehr kommen. Das ist schon mal ein schlechtes Signal. Die Bundesrepublik ist da in den letzten Jahren auch in Vorleistung gegangen. Das erkenne ich auch als Grüne an. Aber auch wir haben hier Fragen immer wieder im Bundestag gestellt, wie zum Beispiel Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit auch doppelt angerechnet werden für die Klimagelder. Zum anderen ist das Thema wirklich der Frage der Umlenkung der Finanzströme ein zentrales Thema, und hier hinkt Deutschland massiv hinterher. Das kennt man auch unter dem Stichwort Divestment. Auch andere Länder wie Norwegen hatten ja angekündigt, in Zukunft ihr Geld nicht mehr in fossilen Bereichen anzulegen. In Deutschland ist das nach wie vor ein Fremdwort, auch in der Bundesregierung, gerade auch mit Blick auf die Beamtenpension. Da gibt es diese Geldanlagen auch in Öl, Kohle und Gas. Das wäre zum Beispiel ein Signal gewesen, mit dem man richtig gut hätte nach Paris fahren können, um zu sagen, ja, wir werden in Zukunft auch Steuergelder klimafreundlich in der Bundesrepublik anlegen.
    Heinlein: Nicht nach Paris, Frau Baerbock, fährt heute die Kanzlerin. Sie hat andere Dinge zu tun. Ist Frankreich gerade dabei, Emmanuel Macron, der junge Präsident in Paris dabei, Deutschland und der deutschen Kanzlerin den Rang abzulaufen als Nummer eins beim Thema Klimaschutz in Europa und in der Welt?
    Baerbock: Ja, und das halte ich für kein gutes Zeichen. Als das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet wurde, aber auch dann noch mal ein Jahr danach bei der Klimakonferenz in Marrakesch, als die USA bedauerlicherweise ihren Austritt schon mal angekündigt hatten, stellte sich die Frage, wer führt jetzt eigentlich beim internationalen Klimaschutz. Europa hätte in diese Rolle reingehen können, Europa unter einer starken Führung auch von Deutschland und gemeinsam mit Frankreich. Man hat als deutsche Bundesregierung aber ein Jahr überhaupt gar nichts getan. Deswegen ist es jetzt gut, dass Emmanuel Macron dieses Ruder übernimmt. Aber die deutsche Bundesregierung muss hier natürlich was tun. Seit neun Jahren stagnieren unsere Emissionen. Wir haben auch auf der Klimakonferenz in Bonn ein bisschen unsere internationale Glaubwürdigkeit dadurch verspielt, dass hier parallel bei den Sondierungsgesprächen in Berlin die FDP, aber leider auch die Union ja über Wochen überhaupt in Frage gestellt hat, in welchem Maße die deutschen Klimaziele gelten. Und das ist nicht nur fatal für den Klimaschutz, sondern auch für die deutsche internationale Glaubwürdigkeit.
    "Man muss natürlich auch über Atom reden"
    Heinlein: Nun kann man sagen, Frankreich, unser Nachbarland, hat es viel einfacher mit dem Klimaschutz, mit den Emissionen, denn das Land setzt ja weiter auf die klimafreundliche Atomkraft.
    Baerbock: Genau, und das verschweigen wir Grünen auch nicht. Auch nach der Rede von Emmanuel Macron, wo er deutlich gesagt hat, er steigt in dieses Kohle-Ausstiegsbündnis mit ein – auch so ein Punkt, wo Deutschland hätte mitmachen müssen aus meiner Sicht -, haben wir als Grüne aber auch deutlich gemacht, ja, man kann nicht nur über Kohle reden aus französischer Sicht. Man muss natürlich auch über Atom reden. Und diese Geschichte, dass man sagt, Atom ist ja so klimafreundlich, das geht aus unserer Sicht natürlich gar nicht. Da sind wir auch immer wieder kritisch unterwegs. Aber das heißt ja nicht, das eine tun und das andere lassen, sondern wir müssen raus aus Kohle und Atom und auch aus Gas in den nächsten Jahrzehnten dann.
    Heinlein: Frau Baerbock, ich möchte an dieser Stelle gerne einen dicken Strich ziehen und noch auf ein anderes Thema mit Ihnen zu sprechen kommen. Sie haben am Wochenende Ihren Hut in den Ring geworfen für den Vorsitz Ihrer Partei. Warum diese Ankündigung zu diesem Zeitpunkt?
    Baerbock: Weil ich als jemand, der in den letzten Jahren ganz intensiv an der Klimapolitik dran war, aber auch an der Europapolitik, die ich auch bei uns in der Bundestagsfraktion den Kohle-Ausstiegsplan mit gestaltet habe, glaube, dass es wichtig ist, dass wir den Schwung, den wir in den Sondierungen hatten, also die Fokussierung wirklich auf unsere Schwerpunktthemen, auf die Frage Klimaschutz, auf die Frage Weltoffenheit, ein starkes Europa und auch soziale Gerechtigkeit, dass wir uns hier fokussieren. Bei uns steht ein Grundsatzprogramm-Prozess an, wo wir auch über die Zukunftsfragen diskutieren werden: Was bedeutet eigentlich Digitalisierung in einer globalisierten Welt in allen Lebensbereichen? Was bedeutet das – ich komme ja aus Brandenburg – auch für strukturschwächere Regionen? Da möchte ich mit meiner Kandidatur ein Angebot machen. Ich habe in den letzten Jahren intensiv gerade innerparteilich gearbeitet. Wir haben Facharbeitsgruppen, Bundesarbeitsgemeinschaften. Aber auch in der Antragskommission, die gerade diese inhaltlichen Debatten ganz intensiv auch mit der Basis diskutiert und strukturiert. Ich glaube, dass ich da ein Angebot machen kann, um auch der Vielfalt in unserer Partei ein Wort zu geben. Und ich glaube zudem, dass es ganz gut ist, dass wir deutlich machen, dass bei uns nicht nur Männer um Posten ringen, sondern auch unterschiedliche Frauen. Deswegen ist meine Kandidatur auch eine sehr weibliche Kandidatur.
    "Wir sind eine starke, auch emanzipatorische Partei"
    Heinlein: Danach muss ich Sie gleich noch fragen. Zuvor aber: War denn Ihre Ankündigung mit Robert Habeck abgesprochen, oder haben Sie ihn kalt erwischt an diesem Wochenende? Diesen Eindruck konnte man bekommen. Sie sind ein wenig vorgeprescht.
    Baerbock: Ja! Ich habe dann irgendwann gesagt, wir haben natürlich auch nach den Sondierungen alle miteinander intensiv Gespräche geführt, was bedeutet jetzt diese neue Lage für uns, wie wollen wir uns eigentlich aufstellen, was bedeutet es auch, wenn wir sagen, mit Blick auf den Deutschen Bundestag, das ist jetzt eine ganz neue Konstellation. Da gab es von ganz verschiedenen Seiten immer wieder auch das Signal oder die Einforderung, es kann nicht sein, dass wir sagen, das ist hier eine Zeitenwende und wir machen einfach ganz komplett alles so weiter wie bisher. Da waren ja auch ganz viele unterschiedliche Personen im Gespräch. Dass das bei mir dann an einem Tag so ad hoc kam, war für mich auch so ein bisschen, dass sich bei uns es zugespitzt hat auf die Frage, welcher Mann wird eigentlich der neue Parteivorsitzende, und wenn diese Frage dann geklärt ist, dann schaut man mal, welche Frau an seine Seite kommen kann. Aus meiner Sicht ist das ein falsches Zeichen von Bündnis 90/Die Grünen. Wir sind eine starke, auch emanzipatorische Partei, und ja, deswegen habe ich deutlich gesagt, na ja, auch als eine Frau kann ich auch mal den ersten Schritt machen.
    Heinlein: Eine sehr weibliche Kandidatur, haben Sie gesagt. Können Sie sich ein weibliches Führungsduo vorstellen, gemeinsam mit Simone Peter, oder ist Robert Habeck als Mann in jedem Fall gesetzt aus Ihrer Sicht?
    Baerbock: Dass es sich so viel um die Männer gekreist hat, lag natürlich auch an dem Ausgang der Urwahl und auch an der Person Robert Habeck. In der Partei ist das sicherlich eine Kandidatur, die sehr, sehr viele begrüßen. Er hat das über sehr lange Zeit auch offen gehalten. Und er hat jetzt auch gesagt, er macht ein Angebot. Simone Peter hatte das schon vor ein paar Wochen gesagt, dass sie wieder erneut kandidieren wird. Ich habe das jetzt verkündet. Jetzt gucken wir mal, wer noch ein Angebot macht. Ich glaube einfach, wir brauchen ein starkes Team, und da ist es gut, wenn wir eine Auswahl haben an Leuten, die dafür kandidieren, und ich glaube, dass man mit unterschiedlichen Personen wirklich auch ein starkes Team bilden kann.
    Heinlein: Frau und Mann an der Spitze, das muss bleiben bei den Grünen, wenn ich Sie richtig verstehe, Frau Baerbock?
    Baerbock: Nein! Nein! Wenn ich da mal kurz widersprechen darf? Wir haben ja ein Frauenstatut, was genau deutlich macht zu sagen, zuerst kandidieren die Frauen. Deswegen finde ich auch richtig, dass die Frauen mit ihren Kandidaturen frühzeitig rausgehen. Und dann gibt es einen offenen Platz und da können sowohl Frauen und Männer antreten. Da muss man seine Kandidaturen für verkünden. Ich habe klar gesagt, ich werde auf dem Frauenplatz antreten. Ich glaube, Simone Peter auch. Das weiß ich, ehrlich gesagt, gar nicht so richtig. Aber nein, das ist ja genau unsere Stärke in der Partei, dass auch das möglich ist, und da müssen wir jetzt gucken, wer auf welchen Plätzen wie kandidiert, und dann werden die Delegierten auf dem Bundesparteitag das entscheiden.
    "Meine Kandidatur ist nicht gegen irgendjemanden gerichtet"
    Heinlein: Jetzt verwirren Sie mich, Frau Baerbock. Sie sagen, Frauenplatz, Männerplatz. Frau und Mann muss bleiben, schließe ich daraus, aber die Flügel, die können gestutzt werden? Denn Robert Habeck und Sie gelten ja beide als Realo und der linke Flügel wäre dann entsprechend gebrochen.
    Baerbock: Nein. Entschuldigung noch mal. Ich habe ja gerade gesagt, man kann auch zwei Frauen an der Spitze haben. Das ist bei uns in der Partei möglich und das ist auch ein Zeichen von Stärke. Ich trete einfach für mich als Person an. Meine Kandidatur ist nicht gegen irgendjemanden gerichtet. Auch das ist was, so habe ich immer Politik gemacht, dass man für etwas eintritt und nicht gegen jemand und dass man in Abgrenzung zu anderen geht und darüber sich selbst definiert. Ich trete an für Klimaschutz, für Europapolitik, für auch ostdeutsche Situationen und Lebenslagen, und ich trete auch an als Mutter zweier kleiner Kinder. Das meinte ich auch mit einer weiblichen Kandidatur. Diese Frage, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das ist ein Thema, was wir auch als Grüne immer wieder sehr deutlich in die Öffentlichkeit getragen haben. Deswegen ist für mich auch wichtig zu sagen, auch mit kleinen Kindern kann man so eine Kandidatur anstreben.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Baerbock: Ja, danke ebenso. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.