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Klimagipfel in Paris
Klimaforscher Höhne: "Wir müssen uns deutlich mehr anstrengen"

Auch die überarbeiteten Klimaziele der Länder reichen nicht aus, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Der Klimaforscher Niklas Höhne vom NewClimate Institute in Köln schätzt, dass sie sich trotzdem bis Ende des Jahrhunderts um mindestens 2,7 Grad erhöht. Mehr Niederschläge und extreme Wetterereignisse seien keine schöne Vorstellung, sagte er im DLF.

Niklas Höhne im Gespräch mit Jule Reimer |
    Palmenstrand auf einer Urlaubsinsel der Malediven des Ari Atolls, aufgenommen am 18.04.2014. Der Inselstaat Malediven liegt im indischen Ozean und besteht aus mehreren Atollen und mehr als 1.100 Inseln.
    Es gibt viele Länder ohne hohen Erhöhungen, zum Beispiel die Malediven. (picture-alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
    Jule Reimer: Uns droht die Klimakatastrophe, warnte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zum Auftakt der zweiten Woche beim Pariser Klimagipfel, und er wandte sich in einem eindeutigen Appell an die Minister, die heute das Ruder übernehmen. Nach zähen Verhandlungen auf Expertenebene hatten sich die 195 Länder und die Europäische Union am Samstag zwar auf einen neuen Textentwurf für einen Weltklimavertrag verständigt; bei den zentralen Punkten gibt es darin jedoch noch mehrere widersprüchliche Varianten.
    Niklas Höhne ist Wissenschaftler am NewClimate Institute in Köln, aber auch derzeit in Paris. Sein Institut gehört zum Climate Action Tracker. Das ist eine Gruppe von Klimainstituten, die die freiwilligen Reduktionsziele für CO2 und die anderen Treibhausgase, die die Staaten und Regierungen in den letzten Monaten vor dem Gipfel abgegeben haben, in konkrete Klimaerwärmungszahlen umrechnen. - Niklas Höhne, Sie kamen vor gut vier Wochen zu dem Schluss, dass uns auch mit diesen freiwilligen Reduktionszielen Ende des Jahrhunderts eine Erwärmung von rund 2,7 Grad droht. Jetzt haben manche Regierungschefs aber am letzten Montag zur Eröffnung der UN-Klimakonferenz noch mit Geboten nachgelegt und Sie haben weitergerechnet. Sind Ihre Prognosen denn jetzt optimistischer geworden?
    Niklas Höhne: Hallo, Frau Reimer. - Zunächst ist erst mal die Gesamtzahl der Staaten 180, die Vorschläge gemacht haben. Das sind wirklich sehr, sehr viele. Damit hatte niemand gerechnet. Wir haben die Prognose noch mal aktualisiert, aber da hat sich nicht wirklich viel geändert. Einige sind ein bisschen besser geworden, einige etwas schlechter, als wir vorher angenommen haben. Wir gehen immer noch davon aus, dass sich die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts um - unsere beste Schätzung ist - 2,7 Grad erhöht. Das ist deutlich besser als vor dem Pariser Prozess, bevor es diese freiwilligen Vorschläge gab, aber noch sehr, sehr weit weg von zwei Grad, geschweige denn 1,5 Grad.
    "Wichtig, dass viele Dinge verbindlich festgelegt werden"
    Reimer: Okay. Sagen Sie uns noch mal kurz: Was bedeutet 2,7 Grad für uns hier in Europa und in anderen Ländern?
    Höhne: Das ist auf alle Fälle keine schöne Vorstellung. Über Land erwärmt sich das Klima noch mal mehr als über dem Ozean. 2,7 Grad ist der Durchschnitt. Bei uns wird es deutlich wärmer, drei, vier, fünf Grad, mehr Niederschläge, mehr extreme Wetterereignisse. Das ist sicherlich keine schöne Vorstellung. Übrigens auch bei zwei Grad schon nicht und auch 1,5 Grad ist nicht die schönste aller Welten. Wir müssen uns deutlich mehr anstrengen.
    Reimer: In Paris ist unter anderem ein Knackpunkt das Kapitel Damages and Losses. Dahinter verbergen sich Schäden und Verluste aufgrund des Klimawandels - ein kritisches Thema. Allerdings auf der anderen Seite bei den Finanzgeboten der Industriestaaten für die Industrieländer, da nähern wir uns jetzt doch bereits schon diesen 100 Milliarden US-Dollar, die ab 2020 jährlich bereitgestellt werden sollen. Das heißt, Geld ist doch eigentlich viel vorhanden?
    Höhne: Ja, es gibt diese Zusage 100 Milliarden. Die gilt aber nur dafür, Entwicklungsländern zu helfen, Emissionen zu reduzieren und sich an den Klimawandel anzupassen. Was da noch nicht enthalten ist sind Schäden, an die man sich nicht mehr anpassen kann. Es gibt viele Länder zum Beispiel, die haben keine sehr hohen Erhöhungen. Die Malediven zum Beispiel sind im Schnitt einen Meter über dem Meeresspiegel. Auch in Bangladesch wohnen sehr viele Leute, die von einem Anstieg des Meeresspiegels bedroht werden. Und wenn die zum Beispiel umgesiedelt werden müssten, dann kämen sehr, sehr hohe Kosten auf die Weltgemeinschaft zu, und um genau die geht es jetzt und die sind in diesen 100 Milliarden noch nicht enthalten.
    Reimer: Es gibt den Ansatz, bei Extremwettern Entwicklungsländern Versicherungslösungen anzubieten. Ist das ein geeigneter? In Äthiopien wird eine Dürre pauschal versichert und wenn eine Dürre kommt, dann gibt es Geld aus Industriestaaten beziehungsweise aus diesem Versicherungstopf.
    Höhne: Ja, Versicherung ist ein gutes Mittel für Ereignisse, wo man nicht sicher ist, ob sie passieren, ob eine Dürre kommt oder nicht. Aber beim Meeresspiegelanstieg, der ist sehr langsam und da sind wir uns relativ sicher, dass der kommt, und so etwas ist einfach nicht versicherbar. Insofern: Für einige Schäden geht das, aber für andere wieder nicht.
    Reimer: Das Ergebnis von Paris wird geteilt sein in völkerrechtlich Verbindliches und in politische Absichtserklärungen, und da gibt es ganz viel Eiertanz um die einzelnen Formulierungen. Vertrag darf der verbindliche Teil des Abkommens nicht heißen, denn ein Vertrag müsste zum Beispiel durch den US-Senat, und da weiß man heute schon, da würde er wahrscheinlich scheitern. Das lassen die US-Senatoren, auch die Republikaner nicht zu. Aber bei allem, was verbindlich klingt, besteht ja auch die Gefahr der Ablehnung. Was müsste Ihrer Ansicht nach in diesen verbindlichen Teil eines Klimaabkommens am Ende der Paris-Verhandlungen rein?
    Höhne: Zunächst mal ist natürlich wichtig, dass in so einem Abkommen sehr viele Dinge sehr verbindlich festgelegt werden, damit Regierungen nicht zurückrudern können, oder, wenn die Regierung wechselt, dass die neue Regierung zurücktreten könnte von den Vorschlägen, die die vorherige Regierung gemacht hat. Deswegen ist dies wichtig.
    Auf der anderen Seite ist es natürlich sehr, sehr wichtig, dass die Gesellschaft, Investoren und Unternehmen erwarten, dass diese Klimaschutzzusagen auch wirklich umgesetzt werden, und das muss nicht immer davon abhängen, ob das nun wirklich rechtlich verbindlich dort festgelegt wird oder nicht. Zum einen gibt es keine Sanktionen, wenn ein Land die verbindlichen Zusagen einhält oder nicht. Es wird in diesem Vertrag sicherlich keine Sanktionen geben, wenn ein Land das nicht erreicht hat.
    "Die Städte sind eigentlich oft Vorreiter"
    Reimer: Wie schätzen Sie die Rolle von Städten und Gemeinden ein in diesem ganzen Klimapoker? Die dürfen zwar nicht mitverhandeln. Sind die wichtig zur Umsetzung?
    Höhne: Die sind auf alle Fälle wichtig. Wir sehen ja, dass die Zusagen der nationalen Regierungen nicht ausreichen, und man hofft jetzt, dass man vielleicht auf anderer Ebene noch mehr Ambitionen erreichen kann, und da sind die Städte eigentlich oft Vorreiter, weil es oft im Sinne der Städte ist, mehr zu tun, weil es die Städte oft lebenswerter macht. Und hier sieht man sehr viel Aktivität in Paris. Sehr viele Städte kommen hierher und stellen ihre wirklich ambitionierten Zusagen vor. Sie sind sehr wichtig, um dann nationale Regierungen davon zu überzeugen, dass sie doch tatsächlich mehr machen können. Insofern sind das sehr, sehr wichtige Player zurzeit.
    Reimer: Auf kommunaler Ebene kann man auch was tun. - Jetzt gehen wir noch mal auf die große Ebene. Wie groß ist das Erpressungspotenzial berüchtigter Bremser? Da sind ja zum Beispiel OPEC-Staaten dabei wie Venezuela oder Saudi-Arabien, die in der Tat eine ganze Menge zu verlieren haben mit ihren fetten Erdölvorräten.
    Höhne: Die Verhandlungen basieren ja darauf, dass alles im Konsens beschlossen wird. Das heißt, alle 193 Staaten müssen zustimmen, oder jedenfalls keines darf sein Veto einlegen. Und das bedeutet, dass Länder wie Saudi-Arabien oder Venezuela in der Tat alles stoppen könnten, wenn sie es wollen. Das passiert manchmal, aber meistens ist es so, dass alle anderen Länder diese Bremser im Prinzip in die Ecke drängen. Die meisten Verhandlungen werden am Ende öffentlich stattfinden und da ist es auch für solche Länder relativ schwierig, dann die Bremse einzulegen. Der öffentliche Druck derzeit ist so groß, hier ein Abkommen zu schließen, dass ich nicht glaube, dass die es wirklich schaffen, dort das zu verhindern.
    Reimer: Freitag und Samstag wird es spannend - Niklas Höhne vom NewClimate Institute live vom Klimagipfel in Paris. Danke schön!
    Höhne: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.