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Klimagipfel und Terror in Paris
"Das Konfliktpotenzial des Klimawandels ist gegeben"

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den Konflikten in der Welt - dessen ist sich Achim Steiner sicher. Der Chef des UNO-Umweltprogramms sagte im DLF, Phänomene wie Dürre oder steigende Meeresspiegel trügen zu sozialem Unfrieden bei. Er sei dankbar, so Steiner, dass der Klimagipfel in Paris trotz der Anschläge stattfinden werde.

Achim Steiner im Gespräch mit Jule Reimer |
    Achim Steiner, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP
    Achim Steiner, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP (AFP/Tony Karumba)
    Jule Reimer: In Hannover haben sich die Bombendrohungen nicht bewahrheitet. In Paris soll heute Morgen bei einem Polizeieinsatz mindestens eine Person getötet worden sein. Ein Mann hält sich offenbar verschanzt in einer Wohnung. Frankreich fliegt weitere Luftangriffe auf die IS-Hochburg Rakka im Norden Syriens und immerhin: Es sind noch anderthalb Wochen bis zum Klimagipfel in Paris. Einer, der die UN-Klimaverhandlungen jetzt schon über ein Jahrzehnt ganz eng begleitet und immer wieder ein ambitioniertes Abkommen angemahnt hat, ist der Chef des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner. Guten Morgen nach New York.
    Achim Steiner: Guten Morgen, Frau Reimer.
    Steiner: Dass die Klimakonferenz stattfindet, ist "das richtige Signal"
    Reimer: Bis vergangenen Freitag sah es ja ganz gut für ein ehrgeiziges Klimaabkommen aus. Was haben Sie gefühlt, als Sie von den Anschlägen in Paris erfuhren?
    Steiner: Ich glaube, wie jeder erst einmal sehr betroffen und natürlich auch schockiert über das, was in Paris geschehen ist und was sich ja leider auch in vielen anderen Städten weltweit immer wiederholt, aber auch dankbar, dass Frankreich einen Tag nach diesen Angriffen trotzdem bestätigt hat, dass die Klimakonferenz weiter in Paris stattfindet. Das ist aus meiner Sicht die richtige Entscheidung und auch das richtige Signal.
    Reimer: Was würde denn eine Verschiebung bedeuten? Da kann ja noch einiges passieren bis dahin.
    Steiner: Ja. Es ist nicht einfach, die ganze Welt an einen Tisch zu bekommen, und allein die Logistik, eine solche Konferenz zu verschieben, wäre enorm. Aber vielleicht sogar der Verlust des politischen Moments, der ja auch gerade diesen Zusammenhang zwischen Klimawandel und letztlich auch den Konflikten in der Welt wieder so deutlich in den Vordergrund gerückt hat, bedeutet einfach, dass wir uns in solchen Augenblicken nicht vom Terror einschüchtern lassen, sondern mit einer solchen Konferenz vorangehen. Und es ist ja auch ein Augenblick, in dem die Welt letztlich bereit ist, eine Entscheidung in Paris zu treffen.
    Reimer: Benjamin Pohl von der Denkfabrik adelphi hat gestern hier im Interview gesagt, der Klimawandel sei wahrscheinlich eine größere Herausforderung für die globale Sicherheit als der internationale Terrorismus. Schließen Sie sich dem an?
    Steiner: Es liegt vor allem in den Zusammenhängen, die wir, glaube ich, uns immer wieder vor Augen führen müssen. Es ist ja nicht so, dass Terror ein isoliertes Phänomen ist und dass auch der Klimawandel in sich selbst sozusagen Terror oder Konflikte schürt. Aber was wir heute genau wissen ist, dass in unseren Gesellschaften durch Klimawandel Umstände entstehen und auch Entwicklungen stattfinden werden, die den Konflikt noch eher potenzieren, den Wettbewerb um Ressourcen, dass Menschen zu Flüchtlingen werden, und gerade auch an dem Beispiel Syriens, das ja sehr tragisch verdeutlicht, wie die Dürreperiode über vier Jahre dazu führte, dass über eine Million Menschen aus den ländlichen Regionen fliehen musste und dadurch den sozialen Unfrieden erst einmal noch geschürt hat, das sind Beispiele, die wir uns mit nicht sehr viel Fantasie auch in der Zukunft sehr vor Augen führen müssen, wenn Millionen von Menschen durch Dürreperioden, durch den Klimawandel, auch zum Beispiel Meeresspiegelanstieg, Umsiedlung in den Küstenzonen zu Situationen führen, wo unsere Gesellschaften unter Stress geraten. Und da ist natürlich der Konflikt vorprogrammiert und damit ja, ist der Zusammenhang Klimawandel-Konfliktpotenzial, der auch oft in Bürgerkriege ausarten kann, sicherlich gegeben und bereits durch viele Beispiele zumindest im Ansatz verdeutlicht.
    "Paris muss vor allem internationale Finanzierung liefern"
    Reimer: Dennoch: Das Ergebnis des gerade zu Ende gegangenen G20-Gipfels in der Türkei war ja in Sachen Klimaschutz eher kümmerlich. Es gab keine klare Absage an Subventionen für fossile Energien. Dann wieder die alte leidige Diskussion, wer mehr Verantwortung übernehmen muss, die Industriestaaten oder die Schwellenländer. Ist das ein Rückfall in alte Zeiten, auch ein schlechtes Zeichen?
    Steiner: Es hat vielleicht einen gewissen Symbolcharakter, dass wir uns in den Foren, die sich vor allem mit Wirtschaftspolitik befassen, immer noch in einer Zeit bewegen, in der man glaubt, dass wirtschaftliche Entwicklung, das Wachstum des Bruttosozialprodukts, internationaler Handel abgekoppelt von Umweltveränderungen betrachtet werden können. Ich glaube, viele von uns hätten uns von dem G20-Gipfel mehr erwartet. Andererseits ist es immer noch Usus, dass bei den G20-Gipfel vor allem wirtschafts- und finanzpolitische Themen im Vordergrund stehen. Ich glaube, wir müssen weiter blicken und können ja auch sehen, dass gerade im Vorlauf zu Paris jetzt über 160 Länder ihre nationalen Klimapläne vorgestellt haben, dass in unserer Weltwirtschaft die erneuerbaren Energien jedes Jahr neue Rekordwerte überschreiten, und dass Entwicklungsländer und Industrieländer immer noch mit einem differenzierten Ansatz an diese Thematik herangehen, ist ja nicht unbedingt unlegitim, denn Verantwortung und die Möglichkeit zu handeln ist halt unterschiedlich, wenn man ein Land wie Botswana oder Deutschland, Brasilien und einen Pazifikinselstaat nimmt. Das heißt, das Prinzip der differenzierten Vorangehensweise ist nicht unbedingt das größte Hindernis. Aber was Paris vor allem liefern muss - und da kommt Wirtschaftspolitik wieder ins Zentrum -, ist internationale Finanzierung. Wir müssen einfach akzeptieren, dass diese 100 Milliarden, die im Augenblick im Raume stehen, nicht ein Almosen sind, sondern eine Investition in die gemeinsame Zukunft, und das wird vielleicht die größte Hürde für Paris sein.
    Reimer: Braucht Paris den Druck der Straße, denn die Versammlungen werden ja verboten sein?
    Steiner: Ja, vielleicht nicht unbedingt auf der Straße, aber ich glaube, Paris wird ja in den nächsten Wochen einen Friedensmarsch noch organisieren, wenn die Sicherheitsumstände es erlauben. Ich glaube, gerade dieser Zusammenhang Frieden, Klimawandel und auch als Weltgemeinschaft zu agieren, das sind Voraussetzungen für den Erfolg, und da muss auch jeder Bürger, jede Bürgerin in welcher Form auch immer ihre Rolle spielen, denn sonst wird es nur die Politik sein und die ist manchmal für langfristige Entscheidungen nicht unbedingt die aktivste.
    Reimer: Achim Steiner war das, Chef des UN-Umweltprogramms. Vielen Dank nach New York.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.