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Klimanotstand in Europa
EU-Parlament will ein Zeichen setzen

Das Europaparlament hat den Klimanotstand für Europa ausgerufen. Der Klimanotstand hat einen eher symbolischen Charakter und soll Druck für eine konkrete Gesetzgebung aufbauen. Während die einen von einem wichtigen Schritt reden, gibt es auch kritische, gar hämische Stimmen.

Von Paul Vorreiter |
Totale des Plenarsaals im Europaparlament vor der Wahl zur EU-Kommissionspräsidentschaft
Blick in den Plenarsaal im Europaparlament vor der Wahl. Ursula Von der Leyen bewirbt sich als neue EU-Kommissionspräsidentin. D (dpa / picture alliance / Michael Kappeler)
Wie stark soll die Botschaft aus dem Europaparlament ausfallen? "Klimanotfall", "Notstand" oder "Klimadringlichkeit": Über das passende Wort herrscht im EU-Parlament Uneinigkeit.
Unabhängig davon: Der Entschließungsantrag des EU-Parlaments hat nur symbolischen Charakter. Er soll Druck machen, auf die Mitgliedsstaaten und auf sie, Ursula von der Leyen, die künftige Kommissionspräsidentin, deren Kommission gestern von einer Mehrheit der Abgeordneten bestätigt wurde und in den ersten 100 Tagen Vorschläge für einen Europäischen Grünen Deal vorlegen will:
"Wenn es einen Bereich gibt, in dem die Welt unsere Führung benötigt, dann ist es der Klimaschutz. Er ist für Europa und für den Rest der Welt von existenzieller Bedeutung. Wir haben keine Zeit zu verschwenden."
Es gebe keine Zeit zu verlieren, sagte von der Leyen.
Ziel: Der erste klimaneutrale Kontinent
Die künftige Kommission will dafür sorgen, dass die EU im Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Das heißt, dass ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen werden, als auf natürliche Weise kompensiert werden können. Um das zu erreichen, verspricht die künftige Kommissionspräsidentin von der Leyen bis 2030 den Ausstoß von C02 um 50 oder gar 55 Prozent zu reduzieren, statt wie bisher vorgesehen um 40 Prozent. Die neue EU-Kommission will unter anderem den Emissionshandel auf weitere Bereiche ausweiten, auf den Bausektor sowie den See- und Flugverkehr. Der Personenverkehr und Warentransport sind allein für rund ein Drittel der europäischen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Mit leeren Händen zur UN-Klimakonferenz 2019?
Mit der Entschließung geht es dem EU-Parlament auch darum, ein starkes Signal zum anstehenden Weltklimagipfel im Dezember in Madrid auszusenden. Das Pariser Klimaschutzabkommen, zu dem sich die EU bekannt hat, sieht vor, dass die Vertragsstaaten ihre Klimaschutzversprechen im kommenden Jahr bekräftigen oder steigern müssen, was auch für die EU gilt. Der niederländische Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout kritisierte allerdings bei der Parlamentsdebatte in Straßburg, dass die Europäische Union mit leeren Händen zur Klimakonferenz fahre.
"We can declare climate emergencies, but the people on the streets they are not asking us for declarations they want us to for actions. And unfortunately on European Level when we go to Madrid the EU comes emptyhanded. We can’t even say that the 2050 climate neutrality will be embraced by the EU.
Die Bürger erwarteten Handlungen, keine Erklärungen, kritisierte Eickhout. Die EU fahre auch deshalb mit leeren Händen nach Madrid, weil sich Länder wie Tschechien dem Klmaneutralitätsziel 2050 verweigern würden.
"Ein Dokument von peinlicher Dürftigkeit"
Doch im Parlament sind auch Stimmen zu hören, die eine Klimanotstands-Erklärung für überflüssig halten:
"Die Resolution zu COP25 ist für mich ein Dokument von peinlicher intellektueller Dürftigkeit, nicht nur wegen der lächerlichen Behauptung, dass die globale Aktion der nächsten zehn Jahre Einfluss auf die Zukunft der Menschheit der nächsten 20.000 Jahre habe. Klimarettung also, ein Klima, das sich unstrittigerweise ganz ohne Zutun der Menschen manchmal drastisch wandelt - und dieses soll nun eingefroren werden auf den Standpunkt anno domini 2015", sagte Silvia Limmer von der AfD.
Notstandserklärungen zum Klima gibt es bereits weltweit. In Deutschland hatte im Mai Konstanz als erste Kommune den "Klimanotstand" ausgerufen. Inzwischen sind rund 50 Städte diesem Beispiel gefolgt. Mit dabei: Köln, Kiel, Saarbrücken, Bochum, Karlsruhe und Gelsenkirchen. Sie haben sich auf dieser Grundlage zu weitreichenden Umweltschutzmaßnahmen verpflichtet, wollen Autospuren zu Radwegen umbauen oder höhere Parkgebühren in Innenstädten verlangen.