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Klimapaket der Bundesregierung
"Die soziale Entlastung muss stimmen"

Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag stimmt heute über einen Kompromiss zum Klimapaket ab. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte im Dlf die parteiübergreifende Einigung. Wichtig sei dabei, dass die Maßnahmen sozial gerecht umgesetzt würden.

Svanja Schulze im Gespräch mit Mario Dobovisek |
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) spricht bei der Debatte über das Klimaschutzgesetz im Bundestag.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) spricht bei der Debatte über das Klimaschutzgesetz im Bundestag. (Kay Nietfeld/dpa)
Schulze (SPD) sagte im Dlf, sie sei froh, dass man sich parteiübergreifend geeinigt habe und CO2 ein Preis bekomme, der kontinuierlich steige. "Wichtig ist, dass das auch sozial gerecht läuft".
Mehr Anreize schaffen
Es müssten Anreize geschaffen werden, Fahrzeuge zu kaufen, die weniger CO2 ausstoßen. "Wir wollen, dass auch die Alternativen aufgebaut werden", so Schulze. CO2-Preise erhöhen bedeute nicht einfach nur "mehr Einnahmen für den Staat zu haben". Ziel sei es, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Verhalten zu verändern: "Es geht darum, klimafreundliches Verhalten billiger zu machen."

Mario Dobovisek: Europa soll bis 2050 CO2-neutral werden, klimaneutral, wie die neue EU-Kommission es nennt. Das klingt deutlich ambitionierter als die vagen Absichtserklärungen nach der Klimakonferenz in Madrid. Doch auch das Klimapaket der Bundesregierung wurde von Opposition und Klimaschützern heftig kritisiert. Die Grünen haben über den Bundesrat erreicht, dass die CO2-Preise nun erheblich steigen. Darüber beugt sich heute noch einmal der Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern in großer Runde.
Am Telefon begrüße ich Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD. Guten Morgen, Frau Schulze!
Svenja Schulze: Guten Morgen, Herr Dobovisek!
Kohleausstieg: "Es muss am Ende ein Gesamtkompromiss stimmen"
Dobovisek: Steigen wir ein, womit wir gerade im Gespräch mit unserem Korrespondenten aufgehört haben: mit dem Kohleausstieg. Welches Signal geht davon aus, dass der Ausstieg so lange auf sich warten lässt?
Schulze: Na ja. Erst mal ist es ja wirklich gut, dass wir die Entscheidung haben, dass wir aus Kohle aussteigen. Wir sind das einzige Industrieland, was parallel aus Kohle und aus Atomkraft aussteigt und komplett auf regenerative Energien setzt, und das ist ein sehr, sehr gutes Signal. Ja, ich hätte mir auch gewünscht, der Wirtschaftsminister hätte die Gespräche früher begonnen und wir wären jetzt schon weiter, aber das ist kompliziert, das ist schwierig, und mir ist auch wichtig, dass da wirklich ein gutes Ergebnis bei rauskommt.
Dobovisek: Wer steht da auf der Bremse? Allein der Wirtschaftsminister?
Schulze: Das ist nicht ganz einfach, mit den Unternehmen zu verhandeln. Da geht es ja um eine ganze Menge, weil sie müssen ihre Geschäftsmodelle verändern. Und mir ist es wichtig, dass wir da nicht ohne Not viel Geld investieren, sondern dass wir das Geld für die Regionen haben, dass wir in den Wandel investieren, dass es für die Beschäftigten da ist, und das ist nun mal nicht ganz einfach zu verhandeln.
Dobovisek: Sie lehnen Entschädigungen für 50 Jahre alte Kraftwerke ab?
Schulze: Es muss am Ende ein Gesamtkompromiss stimmen. Wir müssen die Kraftwerke Schritt für Schritt vom Netz bekommen. Das muss so laufen, dass wir weiterhin eine sichere Energieversorgung haben. Und es muss vollkommen klar sein, dass für die Regionen etwas Neues entwickelt wird, dass sie weiterhin Arbeitsplätze haben, und das hat uns die Kohlekommission vorgelegt. Sie haben einen sehr guten Pfad entwickelt, wie das funktionieren kann, und den müssen wir jetzt auch versuchen umzusetzen.
Klimapaket: "Wichtig ist, dass das auch sozial gerecht läuft"
Dobovisek: Kommen wir zum Klimapaket und dem Kompromiss. Statt zehn Euro soll die Tonne CO2 nun 25 Euro kosten und dann schrittweise bis 2025 auf 55 Euro erhöht werden. Reicht das aus Sicht der Umweltministerin, Frau Schulze?
Schulze: Ich bin erst mal sehr froh, dass wir uns parteiübergreifend jetzt einig sind, dass CO2 einen Preis bekommt und dass der kontinuierlich steigt. Als ich das vor knapp über einem Jahr gesagt habe, dass so was kommen muss, gab es noch einen riesen Aufschrei und die Mehrheit war dagegen. Jetzt gibt es eine große Einigkeit, dass das so kommt. Wichtig ist, dass das auch sozial gerecht läuft. Es geht darum, dass das nächste Auto, was man sich anschafft, dass das eines ist, was deutlich weniger CO2 in die Luft pustet, am besten gar keines mehr. Es geht darum, dass alle, die Mieter sind, dass die die Chance haben, mit ihren Vermietern darüber zu reden, dass die Heizungen austauschen.
Dobovisek: Auf die Entlastungen, Frau Schulze, möchte ich gerne etwas später noch mal zu sprechen kommen. Bleiben wir erst mal bei den Verhandlungen, denn die Grünen berichten aus dem Vermittlungsausschuss, dass auch die SPD beim höheren CO2-Preis auf der Bremse gestanden hat. Warum?
Schulze: Na ja, ich habe ja einen anderen Preis vorgeschlagen. Und der neue, der jetzt vorliegt, ist an dem Modell, was ich vorgeschlagen habe, sehr nahe dran. Ich hatte 35 Euro vorgeschlagen und jetzt sind wir bei 25. Da ist, glaube ich, vollkommen klar, dass die Sozialdemokratie da mehr wollte, dass wir nach vorne gehen wollten.
"Wir wollen, dass auch die Alternativen aufgebaut werden"
Dobovisek: Na ja. Die SPD-Fraktion im Bundestag hatte doch sinngemäß immer gesagt, zehn Euro Einstiegspreis sei richtig.
Schulze: Ja, weil die soziale Entlastung stimmen muss. Man kann doch den Leuten nicht einfach sagen, Autofahren wird teurer und Heizen wird teurer, aber Du hast gar keine Alternative. Wir wollen, dass auch die Alternativen aufgebaut werden, dass die Bahn billiger wird, dass Fliegen teurer wird, dass die Heizungen wirklich ausgetauscht werden sollen. CO2-Preis erhöhen heißt ja nicht einfach mehr Einnahmen für den Staat zu haben, sondern es muss wirklich die Menschen in die Lage versetzen, ihr Verhalten verändern zu können. Und was soll ich denn im ländlichen Raum tun, wenn es gar keine Alternative zum Auto gibt und auch die Ladeinfrastruktur für Elektro noch nicht da ist? – Es geht darum, das Verhalten zu verändern, klimafreundliches Verhalten billiger zu machen. Deswegen ist der SPD wichtig, dass man das auch leisten kann, dass die Alternativen auch da sind.
Dobovisek: Dass man das leisten kann und sich leisten kann. – Jetzt rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung heute in der "Bild"-Zeitung vor: Wer ein mittleres Jahreseinkommen habe und mit seinem Benziner 25 Kilometer zur Arbeit pendele, zahle 2021 insgesamt gut 40 Euro mehr. Bitter, so heißt es weiter. Geringverdiener treffe es am härtesten. Warum, Frau Schulze, funktioniert die versprochene Entlastung nicht?
"Das alles wird entlastend wirken"
Schulze: Ich glaube, dass man das, was jetzt entschieden wurde, dann auch mit einpreisen muss. Es gibt jetzt neu eine Absenkung des Strompreises. Es gibt eine Mobilitätsprämie. Es ist erstmals so, dass auch für diejenigen, die bisher über die Steuer gar nicht profitiert haben, die kleine Einkommen haben, dass die eine Mobilitätsprämie bekommen, Geld bekommen für diese Pendelwege. Das alles wird entlastend wirken und das ist was, was mir auch enorm wichtig ist.
Aber wenn es nicht reichen sollte auf der Strecke jetzt in den nächsten Jahren – wir werden ja jedes Jahr überprüfen: Wird das CO2 wirklich reduziert? Sind wir da auf dem Pfad? Und wir werden auch jedes Jahr überprüfen: Reicht eigentlich die soziale Entlastung? Können die Leute damit klarkommen? Weil das ist ganz wichtig. Man muss sich Klimaschutz auch leisten können. Wir wollen, dass das nicht nur ein Projekt ist für die Reichen.
Dobovisek: Die Industrie – das haben wir gestern hier an dieser Stelle im Interview mit Holger Lösch vom BDI gehört – macht sich ernsthaft Sorgen um die Kosten und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Es gehe um 30 bis 40.000 Firmen, die entlastet werden müssten, um Arbeitsplätze zu erhalten, wie beim Emissionshandel zum Beispiel. Welche Hilfen soll es geben?
"Auch bei den Firmen wirkt die Senkung des Strompreises"
Schulze: Auch bei den Firmen wirkt ja die Senkung des Strompreises und da wirkt auch, dass wir das ja alles nicht alleine machen, sondern dass auch europäische …
Dobovisek: Aber das reicht ja bei energieintensiven Betrieben nicht, sagen die Betriebe selber.
Schulze: Na ja. Aber wenn das Konkurrenzverhältnis wieder stimmt, wenn wir in Europa und wenn wir auf der ganzen Welt dafür sorgen, dass es ähnliche Bedingungen gibt – und das wird ja so sein …
Dobovisek: Na ja. Wenn, wenn, wenn! Das ist weit weg!
Schulze: Nee, das ist ganz konkret. Der European New Green Deal ist von der Europäischen Kommission vorgestellt worden zur Klimakonferenz. Es ist ganz klar gesagt worden, dass unsere Firmen auch geschützt werden sollen vor unfairer Konkurrenz aus dem Ausland. Wir wollen nicht, dass zum Beispiel billigerer Stahl mit einem sehr hohen CO2-Anteil hier nach Europa importiert wird und dazu führt, dass der bessere Stahl mit niedrigerem CO2-Anteil dann vom Markt verdrängt wird. Dieser Mechanismus, der ist ganz, ganz wichtig, und ich bin fest davon überzeugt, die deutsche Industrie wird vom Klimaschutz profitieren. Das ist ein Modernisierungs-, ein Innovationsprojekt. Diese Produkte, die wir machen können mit weniger CO2, die sind doch weltweit jetzt gefragt, und wenn wir diejenigen sind, die wieder die neuen Technologien nach vorne bringen, so wie bei den Erneuerbaren auch, dann werden wir auch international profitieren. Wir haben heute schon 15 Prozent des Weltmarktanteils bei diesen sogenannten grünen Technologien. Warum soll das nicht mehr werden und warum sollen wir nicht davon auch profitieren können. Das Knowhow, die Fähigkeiten, die sind in Deutschland vorhanden.
Dobovisek: Weil Sie die erneuerbaren Energien angesprochen haben – 43 Prozent des Stroms in Deutschland kommen inzwischen aus erneuerbaren Energien. Kohle geht weiter zurück, Atomkraft sowieso. So hat es gestern das Statistische Bundesamt veröffentlicht. Jetzt stockt aber ausgerechnet der Ausbau der Windenergie erheblich. Da geht es um komplizierte Genehmigungsverfahren, um Abstandsregelungen, Streit darüber, um fehlende Anreize. Jetzt soll, so hören wir, die Windkraft aus dem Klimagesetz ausgeklammert werden, verschoben werden, alles offen. Ist das das richtige Signal?
Schulze: Nein. Wir haben eine ganz klare Vereinbarung. Wir wollen 65 Prozent Erneuerbare in 2030 haben bei dem Strommix, der dann da vorhanden ist, von der Menge, die wir dann brauchen. Und wir bereiten jetzt alles dafür vor, dass das auch gelingt. Auch das ist nicht ganz einfach. Wir haben da mit der Union die Notwendigkeit, Kompromisse zu finden. Aber dass wir den Ausbau brauchen, ist vollkommen klar. Ich bin mit dem Wirtschaftsminister da in Verhandlungen und wir werden so schnell wie möglich auch die notwendigen Gesetze vorlegen.
"Diejenigen, die Windkraftanlagen haben, sollen auch davon profitieren"
Dobovisek: Wie gut gelingen denn die Verhandlungen? Bisher geht es ja nicht wirklich voran.
Schulze: Nein, das ist alles nicht einfach. Das ist so. Es gibt viele, die auch Vorbehalte gegen Windkraft haben, die das theoretisch gut finden, aber nicht in ihrer Umgebung. Deswegen, glaube ich, ist es wichtig, dass diejenigen, die diese Windkraftanlagen haben, auch davon profitieren. Man sieht es jetzt ja in Brandenburg. Brandenburg ist ein Land mit einem sehr, sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien. Die haben sehr stark darauf gesetzt. Und man sieht, dass bei internationalen Ansiedlungen wie jetzt von Tesla darauf geachtet wird, bekommen wir erneuerbaren Strom. Brandenburg hat jetzt davon profitiert und es muss noch viel mehr solche Beispiele geben. Es muss deutlicher werden, man hat was davon, wenn die Windkraftanlagen bei einem zuhause sind.
Dobovisek: Worüber streiten Sie sich denn konkret noch mit Altmaier?
Schulze: Wir streiten uns ganz konkret über die Abstandsregelungen. Das ist ja auch öffentlich bekannt. Mir ist ganz, ganz wichtig und der SPD ist wichtig, dass über die Abstandsregelungen nicht verhindert wird, dass wir das 65-Prozent-Ziel erreichen, und darüber müssen wir noch reden, wie wir das genau hinbekommen.
Dobovisek: Die Abstandsregelungen sind noch nicht vom Tisch, wie es vor ein paar Tagen schon mal hieß?
Schulze: Es kommt ja darauf an, wie man sie gestaltet. Die meisten Bundesländer haben Abstandsregelungen. Insofern ist da schon was vorhanden, auf was man zurückgreifen kann. Ich finde den Vorschlag der Ministerpräsidenten der Nordländer sehr beeindruckend, die uns ja einen Pfad aufgezeigt haben, wie wir den Ausbau hinbekommen können, und darüber müssen wir reden. Das sind Ministerpräsidenten mit sehr viel Erfahrung, die uns da einen sehr guten Vorschlag gemacht haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.