Archiv

Klimapaket
"Es ist ein Sieg für die Kohlelobby"

Der gefundene Kompromiss in der Klimapolitik sei ein sehr schlechter Deal für die Verbraucher, sagte Niels Schnoor vom Verbraucherzentrale Bundesverband im DLF. Der Klimaschutz in Deutschland werde dadurch unnötig teuer, während die Kohlelobby von einer "Luxusrente für Braunkohlekraftwerke" profitiere.

Niels Schnoor im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Ein Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde (Brandenburg)
    Ein Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde (Brandenburg) (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Stefan Römermann: Zugehört hat auch Niels Schnoor. Er ist Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband und mir jetzt aus Berlin zugeschaltet. Herr Schnoor, statt der ursprünglich geplanten Kohleabgabe auf Braunkohlekraftwerke, wir haben es gehört, da bekommen die Energiekonzerne jetzt sogar noch Geld. Was war denn Ihr erster Eindruck, als Sie das gestern Früh gehört haben?
    Niels Schnoor: So vollkommend überraschend kam das ja leider nicht. Es war ja schon in den letzten Wochen und Monaten absehbar, dass diese ursprünglich geplante Klimaabgabe leider nicht kommen wird aufgrund der massiven Kritik der Gewerkschaften und der Betreiber der Kohlekraftwerke, die da massive Arbeitsplatzeffekte gesehen haben durch diesen ehemaligen Vorschlag von Gabriel. Insofern kam es wie gesagt nicht überraschend. Aber trotzdem war natürlich die Enttäuschung groß. Wir hatten bis zuletzt gehofft, dass vielleicht doch dieses andere Instrument umgesetzt würde.
    Was jetzt auf dem Tisch liegt ist ein sehr schlechter Deal für die Verbraucher. Es ist ein Sieg für die Kohlelobby. Es macht den Klimaschutz in Deutschland nicht nur unnötig teuer, sondern führt auch dazu, dass die Kosten, diese hohen Mehrkosten, die da entstehen, einseitig verteilt werden und insbesondere Haushalte treffen.
    "Was jetzt kommt ist Klimaschutz quasi per Umlage"
    Römermann: Es hat ja im Vorfeld gehießen, bezahlen müssten ja ohnehin irgendwie die Steuerzahler oder die Verbraucher, weil so eine Kohleabgabe auf alte Kohlekraftwerke, die hätten die Unternehmen sich ja auch von den Kunden wiedergeholt. Das klingt doch erst mal bestechend logisch.
    Schnoor: Das ist sicherlich in gewisser Weise logisch. Nur man muss sehen: Das was jetzt beschlossen wurde, erhöht die Kosten noch mal insgesamt. Bei der Klimaabgabe hätte sich der Börsenstrompreis erhöht, um 0,2 Cent ungefähr. Das hätten alle bezahlt, auch die große Industrie. Was jetzt kommt ist Klimaschutz quasi per Umlage, und diese Umlage wird auf den Strompreis aufgeschlagen und trifft eben gerade nicht große Verbraucher, sondern in erster Linie kleinere, und insofern ist das nicht nur teurer, was da jetzt auf dem Tisch liegt, sondern wie gesagt, es führt auch zu einer ungerechteren Kostenverteilung.
    "Luxusrente für die Braunkohlekraftwerke"
    Römermann: Vereinbart wurde jetzt auch, dass die abgeschalteten Kraftwerke, die abgeschalteten Kohlekraftwerke als Reserve in der Rückhand behalten werden sollen. Macht das überhaupt energiepolitisch irgendwelchen Sinn?
    Schnoor: In der Form, wie es jetzt beschlossen wurde, macht das nicht wirklich viel Sinn. Wir haben genug Kraftwerke am Markt. Wir haben Überkapazitäten. Die europäischen Märkte wachsen immer stärker zusammen. So eine Reserve brauchen wir nicht, schon gar nicht in dem Umfang, wie es jetzt geplant ist. Und die Bundesregierung sagt ja selber, dass diese Kapazitätsreserve vermutlich nie in Anspruch genommen wird. Insofern ist das schon gewissermaßen eine Luxusrente für die Braunkohlekraftwerke, die kein Mensch mehr braucht. Denen wird jetzt der Ruhestand vergoldet durch diese Reserve und Verbraucher müssen es zahlen.
    Römermann: Beschlossen wurden ja auch neue Rahmenbedingungen für den Bau von Stromtrassen. Da sollen unter anderem mehr Erdkabel gebaut werden, Leitungen sollen irgendwie gebündelt werden. Wie sinnvoll erscheint Ihnen das denn? Ist das wenigstens was, wo Sie sagen, okay, das können wir unterschreiben?
    Schnoor: Es macht sicherlich in einigen Fällen Sinn, diese neuen Stromleitungen in die Erde zu verlegen, da wo die Akzeptanz besonders leiden würde. Aber man muss natürlich auch sehen, dass diese Erdverkabelung sehr teuer ist, und zudem ist diese HGÜ, diese Hochspannungs-Gleichstromübertragung noch sehr unausgereift. Das heißt, da könnten wirklich massive Kosten auf die Verbraucher zukommen, denn auch diese Kosten werden über die Netzentgelte auf die Stromkunden abgewälzt.
    Emissionshandel werde nicht mitgedacht
    Römermann: Ohne, dass wir jetzt zu weit ausholen, was würden Sie sagen? Bringt uns diese Einigung den Klimaschutzzielen eher näher, oder eher davon weg?
    Schnoor: Sie bringt uns den Klimaschutzzielen sicherlich ein Stück weit näher, aber nicht so weit, wie die Klimaabgabe es getan hätte - zum einen, weil dieses Instrument jetzt den Emissionshandel, den es ja auf europäischer Ebene gibt, nicht mitdenkt, das heißt den komplett ignoriert. Es wird auf europäischer Ebene vermutlich zu keinerlei Effekten kommen. Und auch die nationalen Klimaschutzziele werden nach den Berechnungen verschiedener Institute vermutlich nicht erreicht werden, so wie sich die Bundesregierung und auch die Gewerkschaften, die diesen Vorschlag gemacht haben, es vorstellen.
    Römermann: Niels Schnoor vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.