"Meine Damen und Herren!!"
Die Glocke und der Tonfall des Bundestagspräsidenten klingen so streng, dass das versammelte Plenum mit einer Standpauke rechnet. Wolfgang Schäuble die Tischglocke in der Tat fest umklammert, lässt "die Damen und Herren" aber seelenruhig zu Boden gehen:
"Erstens mal ist das Zeigen von Transparenten…"
Ehe Schäuble sich versieht, machen sich knapp zwei Dutzend Jugendliche einfach lang und demonstrieren, auf dem Teppichboden des Bundestags liegend, für mehr Klimaschutz.
"Diejenigen, die sich da unten hingelegt haben, denen sage ich: Wenn wir jetzt in einer ordentlichen Bundestagssitzung wären, müsste ich irgendwie dafür sorgen, dass Sie da weggehen. Jetzt würde ich sagen: Bleiben Sie ruhig liegen! Ich sage allerdings …"
Innerhalb von Sekunden schlägt die Fassungslosigkeit des Publikums im Plenarsaal in Begeisterung um. Die Schülergruppe, die für ein Schnupper-Praktikum im Bundestag verweilt, erweckt mit ihrer Überraschungs-Aktion viel Sympathie, auch die des Hausherrn.
"Morgen Mittag um 12 Uhr muss ich hier die Sitzung des Bundestags eröffnen – und bis dahin sollten Sie sich entfernt haben!"
Wettlauf gegen die Zeit
Der ehemalige Innen- und Finanzminister Wolfgang Schäuble ist früher nicht gerade als beherzter Umweltpolitiker aufgefallen. Doch immer deutlicher fordert der Christdemokrat die Bundesregierung in letzter Zeit auf, beim Klimaschutz endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Zum Beispiel bei der Umsetzung des Pariser Abkommens. Dieser internationale Vertrag verlangt, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Es gehe nicht an, dass man "Vereinbarungen trifft und sie dann nicht erfüllt", mahnte der Bundestagspräsident kürzlich in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
"Das ist so ein bisschen die internationale Gemengelage. Die Zielvorgaben werden immer ehrgeiziger."
Meint Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung.
"Etwa die Forderung, bis zum Jahr 2050 CO2-neutral zu sein. Aber wir sind weit davon entfernt, die Maßnahmen ergriffen zu haben, die jetzt notwendig sind. Und das treibt mich schon um. Es ist im Kern ein Wettlauf gegen die Zeit."
Kommende Woche wird Edenhofer im Auftrag des Kanzleramts ein Gutachten zur CO2-Bepreisung vorlegen. Das Bundesumweltministerium will bereits an diesem Freitag drei entsprechende Studien vorstellen. Die Idee, den Ausstoß von Treibhausgasen mit einem Preis zu versehen, ist eine von mehreren Maßnahmen, über die die schwarz-rote Bundesregierung zurzeit fieberhaft diskutiert. Endlich, seufzt Klimaforscher Edenhofer. Noch im letzten Jahr seien er und seine Kollegen freundlich verspottet worden.
"Ich habe mehrere Podiumsdiskussionen gehabt mit Bundestags-Abgeordneten, die immer gesagt haben: Eine CO2-Bepreisung lässt sich nicht durchsetzen. Das ist dem Wähler nicht vermittelbar. Das ist ein typisches Elaborat von Professoren, damit kann man in der politischen Praxis nichts anfangen."
Druck im Kessel beim Klimaschutz-Gesetz
Doch der Dürresommer 2018, die Wahlerfolge der Grünen, ihre Appelle für mehr Klimaschutz, und vor allem die Fridays-for-Future-Bewegung haben den Spieß umgedreht. Anderen hingegen geht das alles zu weit. Es werde auch noch andere Themen geben außer dem Klimaschutz, orakelt Christdemokrat Friedrich Merz:
"In dem Augenblick, wo wir eine steigende Arbeitslosigkeit sehen, möglicherweise eine weitere Finanzkrise, der Euro-Raum in Turbulenzen kommt, wir möglicherweise auch in anderen Plätzen der Welt sehen, dass dort die Spannungen bis hin zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zunehmen, da wird sich innerhalb von wenigen Stunden die Perspektive der Menschen gerade auch in Deutschland wieder ändern."
Merz übersieht allerdings, dass seine eigene Partei sich im Koalitionsvertrag mit der SPD festgelegt hat: Bis Ende dieses Jahres will die Bundesregierung ein Klimaschutz-Gesetz verabschieden, das den CO2-Ausstoß etwa beim Autofahren, beim Heizen oder in der Landwirtschaft deutlich drosseln soll. Ein äußerst ehrgeiziges Ziel. Deshalb der Druck im Kessel. Hinzu kommt der geplante Kohleausstieg. Das Zeitfenster ist also eng. Und überall lauern Fallstricke: Der Netzausbau und die Energiewende verlaufen schleppend. Außerdem will die SPD im Herbst Halbzeit-Bilanz ziehen und ihre Zusammenarbeit mit der Union prüfen. Zuvor finden in drei ostdeutschen Bundesländern Landtagswahlen statt – dort ist besonders in den Braunkohle-Revieren der Klimaschutz kein Wahlkampf-Schlager:
"Es ist eine irre Bedrohung."
Findet Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Unüberhörbar sitzt dem Christdemokraten wenige Wochen vor der Landtagswahl die AfD im Nacken:
"Es ist eine gewaltige Wirtschaftsleistung, die durch den Ausstieg aus der Braunkohle wegfällt. Das betrifft uns am Ende alle, dieses gesamte Land. Wir müssen verhindern, dass die Menschen weggehen."
Die AfD hält den Klimawandel für nicht wissenschaftlich nachgewiesen und lehnt eine CO2-Bepreisung ab. Umweltschutz müsse vielmehr – Zitat – "dem Heimatschutz dienen", meint Partei-Vize Georg Pazderski und übernimmt damit eine Parole der rechtsextremistischen Kleinpartei "Der III. Weg". Pazderski begründet das so:
"Weil ich glaube, dass den Bürger eben sein unmittelbares Umfeld doch mehr berührt und wichtiger ist als beispielsweise die Insel im pazifischen Ozean."
Wille zur Einigung - aus Angst vor Neuwahlen
Union und SPD wissen derweil, dass die Mehrheit der Bundesbürger laut Umfragen eine effiziente Klimaschutz-Politik fordert. Und die Zeit drängt, denn die Bundesregierung will unbedingt ihr CO2-Minderunsgsziel einhalten: Bis zum Jahr 2030 sollen die deutschen Emissionen um mindestens 55 Prozent sinken. Das sogenannte 2020er-Ziel hat die Koalition bereits verpasst. Ein nochmaliges Scheitern wäre peinlich. Und teuer: Deutschland müsste Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe an die EU-Nachbarn überweisen, falls die nationalen Minderungsziele in den kommenden Jahren nicht eingehalten werden. Alles müsse jetzt zur Umsetzung des 2030er-Ziels getan werden, warnt Matthias Miersch. Der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, droht andernfalls mit einem Bruch der Koalition:
"Wenn dieses Thema nicht adäquat bearbeitet wird, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass es noch eine große Zustimmung gibt. Weil man schlichtweg eingestehen muss, dass man hier Zukunft eben nicht gestalten kann."
Geht also wieder einmal um den Fortbestand der schwarz-roten Koalition? Wegen der Personalie von der Leyen ist die Stimmung ohnehin schon angespannt. Hilfreich für das Klima könnte jedoch sein, dass derzeit weder die SPD noch CDU und CSU Interesse an einer Neuwahl haben. Um Druck aus dem Kessel zu nehmen, betonen alle Beteiligten ihren Willen zur Einigung. Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein, der in der Klimadebatte bislang als konservativer Hardliner gilt, gibt sich ebenfalls zahm:
"Ich glaube, dass wir, wenn wir vernünftig mit dem Thema umgehen und jeder für sich seine Wählerschaft im Blick hat, am Schluss zu Regelungen kommen, die nicht nur ökologisch sinnvoll sind, sondern die auch sozial ausgewogen sind. Und wenn es uns gelänge, diese Thematik fest im Blick u haben, müsste die SPD das gleiche Interesse haben wie die CDU/CSU."
Schädliche Subventionen beenden wäre ein Weg
Damit skizziert Nüßlein bereits mögliche Kompromisslinien. Die Zauberworte lauten: "sozialer Ausgleich." Mit ihnen rennt der CSU-Politiker bei den Sozialdemokraten offene Türen ein. Die Genossen wollen zum Beispiel den Verkauf von Elektroautos mit einem "sozial gestaffelten Bonus" ankurbeln: Wer sich ein vergleichsweise einfaches E-Auto für unter 30.000 Euro kauft, erhält eine doppelt so hohe Bonuszahlung vom Staat wie Käufer großer elektrischer Edelkarossen. Die Sozialdemokraten befürworten außerdem eine europaweite Kerosin-Steuer und eine 365-Euro-Jahreskarte für Bus und Bahn.
Diese und andere Maßnahmen hat die Parteispitze vergangene Woche in einem Zehn-Punkte-Plan aufgeschrieben. Kaum ein Wort jedoch zur Gegenfinanzierung, was Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter scharf kritisiert:
"Man könnte die Kerosinsubventionen für Inlandsflüge schnell beenden. Man könnte die Dieselsubventionen schnell beenden. Und man könnte die Subventionen für die Produktion von Plastikverpackungen schnell beenden, immerhin auch 700 Millionen Euro pro Jahr. All das finden wir im Haushalt nicht. Was wir im Haushalt auch nicht finden, sind ausreichende Mittel für Investitionen."
Hashtag #Pillepalle macht die Runde
CDU und CSU wollen ihr Klima-Konzept sogar erst Mitte September, nach der Sommerpause, vorlegen. Mit dem "Pillepalle" – also einem einfachen "Weiter so" in der Klimapolitik, sei jedenfalls Schluss, so wird die Kanzlerin in diesen Tagen aus einer Fraktionssitzung der Union zitiert.
"Ich kann nur sagen, dass die Bundeskanzlerin das Thema sehr, sehr ernst nimmt."
Meint Klimaforscher Ottmar Edenhofer.
"Und ich glaube, ihr sind die Herausforderungen bewusst. Das erste Mal setzen wir einen Transformationsprozess ins Werk, und es geht da gar nicht mal um Umweltpolitik. Es geht um die Transformation der gesamten Wirtschaft."
Der Hashtag #Pillepalle machte zwischenzeitlich Furore in den sozialen Netzwerken. Die Fachpolitiker beider Regierungsfraktionen sind deshalb noch immer angefasst. Man habe durchaus schon einiges auf den Weg gebracht, heißt es bei Union und SPD. Die Grünen sehen das naturgemäß anders. Klimaschutz sei die "Menschheitsaufgabe des Jahrhunderts".
Und nicht irgendeine grüne Spielwiese."
Kommentiert Winfried Kretschmann mit beißendem Spott. Vergangene Woche weilte der baden-württembergische Regierungschef in Berlin, um der Hauptstadtpresse gemeinsam mit Partei und Fraktion ein grünes "Sofortprogramm" für die Sommerpause vorzustellen.
Ökoanleihen und "Energiegeld"
"Das ist natürlich ein bisschen vertauschte Köpfe. Eigentlich ist es Aufgabe einer Regierung, konkrete Vorschläge zu machen. Oppositionsparteien agieren in der Regel mit Überschriften, jetzt ist es genau umgekehrt."
Mit Blick auf die Planungssicherheit werden auch aus der Wirtschaft die Rufe nach einer verlässlichen Klimaschutzpolitik immer lauter. Die Grünen legten vor wenigen Tagen einen detaillierten Entwurf für eine CO2-Bepreisung vor. Sie regen unter anderem an, die schon bestehenden Energiesteuern auf Benzin, Diesel, Kerosin, Heizkohle und Heizgas um einen CO2-Aufschlag zu erhöhen. Im Gegenzug soll die Stromsteuer fast komplett abgeschafft werden und jeder Bürger pro Jahr pauschal ein "Energiegeld" von hundert Euro ausgezahlt bekommen. Die Idee dahinter lautet: Je weniger CO2 jede und jeder einzelne produziert, desto mehr bleibt vom ausgezahlten Energiegeld im eigenen Portemonnaie. Das ebenfalls letzte Woche vorgelegte SPD-Papier zum CO2-Preis bleibt im Vergleich vage. Dabei hat Umweltexperte Matthias Miersch bereits ganz konkrete Vorstellungen, wie sich die Klimaschutz-Politik der Zukunft unter anderem finanzieren ließe:
"Durch zum Beispiel so genannte Ökoanleihen. Wo wir zum Beispiel – wenn wir uns vornehmen, die Deutsche Bahn richtig fit zu machen – wo man wirklich sagen kann: Man kann sich mit privatem Geld an diesem Projekt beteiligen und hat dort einen Mehrwert, weil wir sehen: Die Bahn wird billiger gegebenenfalls. Oder sie wird besser. Und ich finde es auch wichtig, dass der Staat zum Beispiel, wenn es um Rückstellungen für Beamtenpensionen et cetera geht, hier nachhaltig investieren und anlegen muss, und nicht in irgendwelche Fonds investieren darf, die eigentlich mit Energiewende und mit Transformation nichts mehr zu tun haben."
CDU noch ohne Konzept
Diese Ideen überschneiden sich zum Teil übrigens mit den Plänen der Grünen. Doch die SPD als Ganze ist noch nicht so weit. Partei und Fraktion werden derzeit nur kommissarisch geführt. Das dadurch entstandene Macht-Vakuum macht es deutlich schwerer, in der Sachpolitik voranzukommen. Mindestens genauso vertrackt ist die Lage beim Koalitionspartner: Die Union hat bisher überhaupt kein Konzept vorgelegt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze reißt deshalb bald der Geduldsfaden:
"Das ist das Problem der letzten Jahre, da war immer nur die Umweltministerin zuständig. Jetzt müssen alle handeln, damit wir da wirklich vorankommen!"
Doch in der CDU geht es beim Thema CO2-Preis derzeit zu wie Kraut und Rüben, auch hier sind interne Führungsprobleme der Grund. Wirtschaftsminister Peter Altmaier zeigt sich offen für einen CO2-Preis, Parteichefin Kramp-Karrenbauer reagiert zurückhaltend, und ihr Vize Armin Laschet will nichts ausschließen. Unionsfraktionsvize Nüßlein befürwortet die Abgabe nur unter strengen Bedingungen.
"Mir geht’s darum, dass wir die Menschen nicht zusätzlich belasten, denn ich glaube, die Deutschen zahlen genug Steuern."
Das ist Nüßleins Credo, und auch das der gesamten CDU. Alle drei Regierungsparteien wollen beim Klimaschutz möglichst keine Mehrbelastungen für die Bürger. Die SPD betont allerdings, dass sie vor allem kleine und mittlere Einkommen schonen wolle. Georg Nüßlein wirft der Umweltministerin deshalb Umverteilung vor. Der gebürtige Schwabe schlägt lieber finanzielle Anreize für klimafreundliches Heizen und Autofahren vor. Im Kern entspricht das genau dem Modell einer CO2-Abgabe. Nüßlein nennt es nur anders, und er will alle Einkommensklassen entlasten, nicht nur die unteren.
"Für mich ist die CO2-Bepreisung ein Gradmesser für die Ernsthaftigkeit der Klimapolitik."
Sagt Klimaforscher Ottmar Edenhofer.
"Es ist sehr leicht zu sagen, wir wollen 2050 CO2-neutral werden. Das sind Ziele, die sind weit in der Zukunft. Aber wenn man über CO2-Bepreisung spricht – was werden wir morgen an der Zapfsäule bezahlen? – dann wird es sehr schnell sehr real, und dann wird sich auch zeigen, ob wir es tatsächlich ernst meinen."
Stadt gegen Land
Eine kleine Umfrage des ARD-Fernsehens zeigt, dass Edenhofer den Nagel auf den Kopf trifft:
"Das ist mein Auto: Der weiße Große. Ein Transporter. Damit verdien ich mein Geld. Und das geht nicht – wie soll denn das funktionieren?!"
"Ich hab ein bisschen den leisen Verdacht, dass viele Menschen glauben, andere müssten was dafür tun."
Meint Georg Nüßlein. Der CSU-Politiker steckt allerdings selbst in der Zwickmühle. Sein Wahlkreis bei Neu-Ulm ist ländlich geprägt. Nüßlein ist deshalb nicht der einzige, der im Zuge der Klimadebatte einen verschärften Konflikt zwischen Stadt und Landbevölkerung fürchtet. Zum Bäcker oder Metzger gehe es schon heute nur mit dem Auto:
"Bei mir kann niemand auf die S-Bahn umsteigen. Das heißt, ich muss mich beschäftigen mit der Situation einer jungen Familie, beispielsweise, die sich bisher einen gebrauchten Diesel kauft, und wo ich momentan noch nicht beschreiben kann, wo die Alternativen sind. Und deshalb ist das schon ein Thema, das mich umtreibt an der Stelle."
Nationaler Emissionshandel - ein Lösung?
Das ist die gesellschaftspolitische Herausforderung des Klimawandels. Doch auch finanz- und sozialpolitisch dürfte die Einführung eines CO2-Preises alles andere als leicht werden. Die erste Möglichkeit wäre eine direkte CO2-Steuer. Klimaökonom Ottmar Edenhofer hält sie jedoch für juristisch problematisch. Denkbar wäre eher eine Anpassung der schon bestehenden Energiesteuer: Die Primär-Energieträger, wie etwa Gas oder Benzin, würden dann entsprechend ihres Kohlenstoff-Gehalts besteuert werden. Der Staat würde den Preis also festsetzen – an der klimapolitischen Wirkung hat der Ökonom allerdings Zweifel.
"Also die Haushalte, die Unternehmen, die Investoren, die Banken – das ist unklar. Wir wissen dann nicht genau, wie stark ist die Emissionsreduktion. Also wer eine Steuer erhebt, der hat zwar eine Sicherheit über das wirtschaftliche Risiko, aber er weiß nicht genau, wie stark die Emissionen sinken werden."
Eine weitere Option wäre die Ausweitung des europäischen Emissionshandels, wie sie etwa die FDP vorschlägt. Die nötigen Mehrheiten dafür zu beschaffen, wäre in Brüssel jedoch schwer und langwierig. Das Bundesumweltministerium hat zudem rechtliche Bedenken. Als wahrscheinlich gilt deshalb die Einführung eines nationalen Emissionshandels. Er entspricht im Wesentlichen einer CO2-Abgabe. Der Preis entsteht in diesem Fall über den Handel mit Zertifikaten:
"Dann haben wir eine Sicherheit über die Menge, aber es ist unklar, welcher Preis dabei herauskommt. Was passiert, wenn Kohle, Öl und Gas mit einem Preis belegt wird? Dann schlägt sich das unmittelbar auf meine Investitions- und Konsumentscheidungen nieder. Also es sind schon mal zwei Schritte. Das erste ist: Es wird die Nutzung der fossilen Energieträger teurer, entsprechend des Kohlenstoffgehalts. Die CO2-freien Technologien werden damit rentabler. Und drittens durch die CO2-Bepreisung entstehen Einnahmen."
Kompletter gesellschaftlicher Wandel
Hier schließt sich der Kreis, auch Ottmar Edenhofer landet am Ende wieder bei der sozialen Dimension des Klimawandels:
"Diese Einnahmen können dazu verwendet werden, diejenigen, die Verlierer sind – und es wird Verlierer geben – die zu kompensieren."
Beispielsweise durch einen Härtefallfonds. Gelingt es Union und SPD, sich auf eine sozial ausgewogene, transparente und klimaschonende CO2-Bepreisung zu einigen, wäre die Koalition einen großen Schritt weiter. Sie wäre allerdings nur eine Maßnahme innerhalb eines großen Gesamtpakets. Aus der sozialen soll eine sozial-ökologische Marktwirtschaft werden. Sozialdemokrat Matthias Miersch:
"Die Frage, wie wir als Gesellschaft diesen Umstieg gestalten wollen, das ist alles nicht ganz einfach. Es gibt einen Widerstand gegen Atomkraft, gegen Kohle, gegen Stromtrassen, und gegen Windräder. Und die Politik hat jetzt die Aufgabe, Maßnahmen in die Wege zu leiten. Das ist nicht trivial. Dazu braucht man die Zeit."
Für die nächste Sitzung des Klimakabinetts am 18. Juli wird kein Durchbruch erwartet, das könnte frühestens im September geschehen. Nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg.