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Klimaschurke als Helfer

Technik. - Als Treibhausgas und Klimakiller kennt man es nur zu gut: CO2. Doch nicht immer ist sein schlechter Ruf gerechtfertigt. So macht Kohlendioxid nicht nur Mineralwasser schmackhafter, in Form von Kohlensäure, sondern könnte bald in vielen industriellen Prozessen gesundheits- und umweltschädliche Lösungsmittel ersetzen.

Von Martina Preiner |
    Er hat den Ruf, gesund, gut für das Herz und eher ein Getränk für Damen älteren Semesters zu sein. Doch als entkoffeinierter Kaffee Anfang des 20. Jahrhunderts aufkam, war seine Herstellung eher abenteuerlich – und alles andere als herzschonend oder gesundheitsfördernd: Das Koffein wurde den Kaffeebohnen mithilfe von giftigem und krebserregendem Benzol entzogen. Heute hat die Industrie dazu weniger riskante Mittel zur Hand, unter anderem Kohlendioxid. Zum Entkoffeinieren benutzt man so genanntes überkritisches CO2. Das Besondere daran: es ist gleichzeitig flüssig und gasförmig. Dadurch vereint diese Form von Kohlendioxid auch die Eigenschaften von Flüssigkeit und Gas.

    "Bei der Entkoffeinierung von Kaffeebohnen nutzt man dieses aus, indem man im überkritischen Zustand extrem tief und gut in die Bohne hinein diffundieren kann. Weil das Gas eben in jede Pore hineinströmen möchte durch den hohen Druck und dann auch noch die positive Eigenschaft hat, dass sich das Koffein im überkritischen Zustand, wegen diesen guten Lösungseigenschaften auch komplett löst im CO2 und bei Druckentspannung wir das Koffein rausziehen können und bei kompletter Druckentspannung das Koffein ausfällt aus dem CO2."

    Durch die Druckentspannung wird das CO2 spurlos aus dem Kaffee entfernt, erklärt Manfred Renner. Die Eigenschaften der CO2-Zwitterform will der Verfahrenstechniker vom Fraunhofer-Institut für Umwelt- und Sicherheitstechnik in Oberhausen nun auch für eine andere industrielle Anwendung ausnutzen: das Imprägnieren von Plastik. Dabei geht es nicht darum, wie bei der Entkoffeinierung etwas aus einem Stoff herauszulösen. Im Gegenteil: das überkritische CO2 soll etwas in die Kunststoffe hineintransportieren. Zum Beispiel Farbpigmente. Bisher wird hier noch sehr oft mit umwelt- und gesundheitsgefährdenden Lösemitteln gearbeitet. Im CO2-Prozess ist der wichtigste Parameter der Druck, der zum richtigen Zeitpunkt geändert werden muss. Renner:

    "'"Wir nehmen den Farbstoff und lösen ihn in überkritischen CO2 und transportieren ihn in Lösung hinein, wo vorher noch kein Farbstoff war. Durch Drucksenkung lagern wir dann den Farbstoff in unserem Kunststoff ab, das CO2 strömt wieder hinaus und wir haben das CO2 eben wieder als Gas vorliegen.""

    Und dieses Gas kann dann für weitere Prozesse wiederverwertet werden. Die Pigmente dringen dabei tief genug ein, dass Kratzer nicht sofort die ursprüngliche Farbe preisgeben, wie es bei Lack der Fall ist. Diese Oberflächenbehandlung funktioniert aber nicht nur mit Farbstoffen, sondern auch mit antibakteriell wirkenden Nanopartikeln.

    "Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, mit CO2 Nanopartikel in Oberflächen einzuschleusen, in oberflächennahe Schichten. Danach haben wir untersucht, ob Bakterien noch auf dieser Oberfläche anwachsen können. Wir haben dort gesehen, beim Züchten von E.coli auf der Oberfläche, dass eine komplette Abtötung der E.coli-Bakterienstämme möglich war."

    Dieses Verfahren könnte für Krankenhäuser, Labore oder öffentliche Toiletten von großer Bedeutung sein. Denn auf diese Weise ließen sich zum Beispiel Bakterienherde wie Plastik-Türklinken steril machen. Bisher versucht man antibakterielle Partikel in den Kunststoff einzubringen, bevor er in Türklinken-Form gegossen wird. Doch das hat den Nachteil, dass sich die Teilchen vor allem in der Mitte des Plastikgriffes ansammeln – wo sie gegen die Keime an der Oberfläche wenig ausrichten können. Es sieht also ganz so aus, als ob überkritisches CO2 Potential zum Universallösungsmittel hätte. Umweltneutral, da es wiederverwertet werden kann, nicht gesundheitsschädlich und äußerst effizient. In der Forschung benutzt man Kohlendioxid schon nahezu ein Jahrzehnt zum Lösen verschiedener Stoffe. Dennoch scheiterte es immer an der industriellen Anwendung. Der Grund sind die sehr teuren, für den Prozess nötigen Hochdruckanlagen. Deswegen arbeitet man in Oberhausen vor allem daran, mehr Produkte zu finden, bei denen sich der finanzielle Aufwand für das umweltfreundlichere Verfahren lohnt.

    "Bei Kontaktlinsen ist es so, dass zum Beispiel eine Kontaktlinse teilweise zwanzig, dreißig Euro – ohne Schliff, ohne Bearbeitung – kostet. Das heißt, dort ein Verfahren, das 2,50 oder drei Euro kostet, ist kein großer Mehraufwand."

    Was das Imprägnieren von Kontaktlinsen angeht, hat Manfred Renner gleich mehrere Ideen. So könnte man die Sehhilfen mithilfe von CO2 nicht nur färben, sondern auch Wirkstoffe gegen bestimmte Augenkrankheiten in sie einbetten.