Der Ostwind bläst Axel Held eiskalt um die Ohren, trotzdem nutzt er die Gelegenheit sich draußen eine Pfeife anzuzünden. Denn raues Klima, das ist er als Insulaner gewohnt. Ihm macht so ein Wind auch eigentlich keine Sorgen, hätte sich das Wetter in den letzten Jahren nicht auffällig geändert.
"Dieser Sturm Christian, den wir hatten, aus einer besonderen Windrichtung, hat Windgeschwindigkeiten von 190 Stundenkilometern erzeugt, das ist noch nie gemessen worden hier und da hat man wirklich das Gefühl gehabt, da passiert was, hier wackeln die Wände. Das war schon schlimm, das war auch so ein Zeichen: Ok, das ist jetzt Klimawandel, das ist jetzt was Besonderes."
"Dieser Sturm Christian, den wir hatten, aus einer besonderen Windrichtung, hat Windgeschwindigkeiten von 190 Stundenkilometern erzeugt, das ist noch nie gemessen worden hier und da hat man wirklich das Gefühl gehabt, da passiert was, hier wackeln die Wände. Das war schon schlimm, das war auch so ein Zeichen: Ok, das ist jetzt Klimawandel, das ist jetzt was Besonderes."
Extremwetter und Sturmfluten haben zugenommen, erzählt Held weiter, hier auf der äußersten der deutschen Nordseeinseln bekämen sie das Wetter aus erster Hand. Zusätzlich droht die Insel, wenn der Meeresspiegel ansteigt, zu verschwinden. Auf Borkum ist Klimawandel schon lange kein abstrakter Begriff mehr. Also hat die ganze Insel beschlossen etwas dagegen zu unternehmen. Nach gemeinsamen Workshops und Vortragsreihen haben sie sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Ab 2030 soll die ganze Insel emissionsfrei sein.
Davor stand eine wichtige Erkenntnis, sagt Held: "zu sagen, dass das allgemeine Verhalten noch klimafeindlich ist."
Carsharing-Modell für die Bewohner
Axel Held ist der Direktor der Stadtwerke Borkum. Mit dem E-Auto fährt er über die Insel. So leise, dass die wenigen Touristen, die dem Wind trotzen, ihn kaum kommen hören.
"Borkum aufgrund seiner überschaubaren Fläche, der doch geringeren Fahrleistung, eignet sich ideal für den Einsatz von Elektromobilität, oder auch zukünftiger anderer Antriebsform, wie zum Beispiel den Betrieb mit Wasserstoff."
"Borkum aufgrund seiner überschaubaren Fläche, der doch geringeren Fahrleistung, eignet sich ideal für den Einsatz von Elektromobilität, oder auch zukünftiger anderer Antriebsform, wie zum Beispiel den Betrieb mit Wasserstoff."
Borkum ist eine der wenigen ostfriesischen Inseln auf denen Auto fahren erlaubt ist. Wenn die Insulaner ihr Ziel 2030 erreichen wollen, dann muss der gesamte Fuhrpark der Insel mit alternativen Energien betrieben werden, auch die Privatautos. Dafür haben die Stadtwerke jetzt ein Carsharing-Modell für die Bewohner eingeführt. Es soll für die neue Technologie werben, oder noch besser - Privatautos auf der Insel überflüssig machen.
Bildungsoffensive im Kindergarten
"Welche Mülleimer haben wir?" "So einen schwarzen Mülleimer." "Gelben!" "Und einen gelben und was noch?" "Einen roten!" "Was kommt denn in den roten Mülleimer?" "Papier!" "Ja, genau."
Held ist zum Inselkindergarten gefahren. 20 kleine Kinder sitzen aufgeregt um einen niedrigen Holztisch und lernen, wie sie Müll trennen. Zur Initiative "Borkum 2030" haben die Stadtwerke auch eine Bildungsoffensive gestartet. Im Kindergarten geht es dabei um ganz einfache Dinge, berichtet Kindergärtnerin Ina Laufenberg.
"Den Kindern auch bewusst machen: Es ist besser das Brot in der Brot-Dose mitzubringen, als jeden Tag beim Bäcker das Brot in der Tüte zu kaufen, das hat dann was mit gesunder Ernährung zu tun, aber auch Müllvermeidung, weil wir merken schon, dass die Kinder oft abgepacktes mitbringen, auch aus dem Supermarkt."
"Den Kindern auch bewusst machen: Es ist besser das Brot in der Brot-Dose mitzubringen, als jeden Tag beim Bäcker das Brot in der Tüte zu kaufen, das hat dann was mit gesunder Ernährung zu tun, aber auch Müllvermeidung, weil wir merken schon, dass die Kinder oft abgepacktes mitbringen, auch aus dem Supermarkt."
Regenerative Energie sinnvoll dezentral speichern
In einem Konferenzraum der Stadtwerke ist das Pilotprojekt zum Test dezentraler Speichersysteme untergebracht. In einem von außen unscheinbarer wirkenden Schrank, etwa so groß wie ein Kühlschrank, lagern zwei Batterien – Teil des von der EU mit neun Millionen Euro geförderten Projekts.
Gemeinsam mit sieben europäischen Partnern will die Stadt Borkum herausfinden, wie sich regenerative Energie sinnvoll dezentral speichern lässt. Dafür sind auf der ganzen Insel 40 unterschiedliche Speicher verteilt, die an Solaranlagen angeschlossen sind. Olaf Look betreut das Projekt.
Gemeinsam mit sieben europäischen Partnern will die Stadt Borkum herausfinden, wie sich regenerative Energie sinnvoll dezentral speichern lässt. Dafür sind auf der ganzen Insel 40 unterschiedliche Speicher verteilt, die an Solaranlagen angeschlossen sind. Olaf Look betreut das Projekt.
"Wir haben auch Batterien im Einsatz, die kommen aus alten Autos, Second-Life-Batteries nennt sich das und es gibt auch noch Wasserstoffspeicher, das heißt aus solarer Energie wird Wasserstoff hergestellt, durch Elektrolyse und durch eine Brennstoffzelle wird wieder Strom draus gemacht."
Diese Speicher sind alle in einem sogenannten virtuellen Kraftwerk verbunden. Das ist eine digitale Plattform, die weiß, welcher Speicher wieviel Energie zu Verfügung hat. Sie kann dann den Strom gezielt dort einsetzen, wo er gerade gebraucht wird. Wenn ein Betrieb zum Beispiel nachts nicht arbeitet, kann mit dem Strom, der tagsüber auf seinem Dach gewonnen wurde, die Straße beleuchtet werden. Mit diesem System soll auch auf Schieflagen im Netz reagiert werden, sagt Look.
"Nicht, dass wir in Deutschland diese Schieflagen explizit hätten, momentan, aber wir müssen EU-weit denken, das heißt unser Projekt muss überall in der EU ausgerollt werden können. Zum anderen geht es auch darum, dass überschüssige Energie ja auch am Markt eventuell verkauft werden kann, so dass man auch in anderen Bereichen dann einen monetären Benefit daraus machen kann."
Die Insulaner sind von dem Projekt überzeugt, sie schreiben der EU einen positiven Bericht und hoffen, dass sie Beispielcharakter haben.
Mikrokosmos als Spielwiese
Bei einer Tasse Ostfriesentee mit Kluntje, so nennt man hier Kandiszucker, erzählt der stellvertretende Bürgermeister Frank Pahl, warum er Borkum für ein geeignetes Testfeld hält.
"Dass man hier so einen kleine Mikrokosmos hat, wo man eigentlich alles abdeckt, ja, sowohl ländlichen Raum, wie auch städtischen Raum und das ist ein hervorragende Spielwiese für solche Projekte, um mal herauszufinden, zu erforschen und zu testen, ob solche neuen innovativen Ideen funktionieren können."
In anderen Projekten testet Borkum, wie sie ihre Gebäude so automatisieren können, dass sie wenig Energie verbrauchen. Oder wie sie mit einer speziellen Wärmepumpe in der Nordsee ihre Wohnungen heizen können. Ob sie damit bis 2030 wirklich jeden CO2-Ausstoss vermeiden können, das ist schwer zu sagen. Aber ein Anfang ist gemacht.