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Klimaschutz
"Das ist genau der falsche Weg"

Der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell kritisiert den Kompromiss in der Energiepolitik der Bundesregierung. "Wenn man Klimaschutz machen will, darf man nicht die Subventionen für die Klimaschädigung erhöhen", sagte Fell im DLF.

Hans-Josef Fell im Gespräch mit Rainer Brandes |
    Der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2010.
    Der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2010. (picture alliance / dpa / Therese Aufschlager)
    Rainer Brandes: Die Energiewende, sie war mal das Prestigeprojekt der Großen Koalition. Vor allem Kanzlerin Angela Merkel wollte international beweisen, dass ein Industrieland vollständig auf Ökostrom umsteigen kann. Dann kamen Lobbyisten aus allen Richtungen und es kam Horst Seehofer, der keine Stromtrassen durch sein Bayernland wollte. Die Energiewende, sie wurde zum zähen Zankapfel der Koalition. Gestern Nacht aber, da haben sich die Koalitionäre doch geeinigt.
    Die Regierungskoalition hat sich also auf einen Kompromiss in der Energiepolitik geeinigt. Wir wollen das mit jemandem besprechen, der die Energiepolitik der rot-grünen Koalition unter Schröder maßgeblich mitgestaltet hat. Hans-Josef Fell war Energieexperte der Grünen-Bundestagsfraktion. Seit 2013 ist er nicht mehr im Bundestag; nun ist er Präsident der Energy Watch Group. Das ist ein Netzwerk von Wissenschaftlern und Politikern, das der Erneuerbare-Energien-Branche nahesteht. Herr Fell, schon in zwei Jahren werden die ersten Braunkohlekraftwerke abgeschaltet. Das muss Sie als Klimaschützer freuen.
    Hans-Josef Fell: Mich freut dieser Kompromiss, wie er jetzt herausgekommen ist, überhaupt nicht. Unterm Strich müssen wir feststellen: Es ist ein Bestandsschutz organisiert worden für die Kohlewirtschaft mit hohen neuen Subventionen, die den Steuerzahler und auch den Stromkunden belasten wird, und zusätzlich auch das gleiche in der Erdgaswirtschaft. Wenn man Klimaschutz machen will, darf man nicht die Subventionen für die Klimaschädigung erhöhen, sondern man muss sie reduzieren. Insofern ist dies genau der falsche Weg.
    Brandes: Nun haben Sie zurecht gesagt, es gibt Subventionen. Der Steuerzahler muss dafür zahlen, dass die Kohlekraftwerke abgeschaltet und auf Reserve gehalten werden. Aber es ist doch auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der Ausstieg aus der Kohleenergie. Das muss doch dann auch die Gesamtgesellschaft bezahlen, oder nicht?
    Fell: Ja, natürlich! Aber das muss man auch richtig organisieren. Und Bezahlen ist das Ganze natürlich nur etwas, indem die Konzerne unterstützt werden, ihre Politik mit den Kohleemissionen weiterzumachen. Wenn wir aber in die Energiewende genau hineinschauen: Schon seit dem EEG 2014 ist ja die Branche der erneuerbaren Energien, also die Windkraft, die Fotovoltaik, die Bioenergieanlagen und die Wasserkraft, Geothermie, sie sind massiv unter Druck. Wir haben dort schon 70.000 Arbeitsplätze in dieser Branche in den letzten zwei Jahren verloren. Darüber wird nicht gesprochen, dass es hier Unterstützung gibt. Es wird nur der Bestandsschutz der Kohle- und Erdgaswirtschaft organisiert, aber nicht der Ausbau mit erneuerbaren Energien, die ja den entscheidenden Beitrag für den Klimaschutz leisten, weil sie emissionsfrei sind. Wenn sie immer mehr die Kohle- und die Erdgaskraftwerke verdrängen, was in den letzten Jahren ja bereits gelungen ist, dann kommen wir auf den richtigen Klimaschutzpfad.
    "Staatliche Aufgabe gewesen, den Strukturwandel endlich anzugehen"
    Brandes: Auf der anderen Seite dieser 70.000 Arbeitskräfte in der erneuerbaren Energie, die sie erwähnt haben, stehen aber ja auch Tausende Arbeitskräfte in der Kohlebranche. Auch die standen auf dem Spiel. Ist die jetzige Lösung nicht eigentlich eine sozialverträglichere Lösung auf dem Weg hin zur Energiewende?
    Fell: Ich frage mich, ob der Bestandsschutz von 20.000 Kohlearbeitsplätzen mit dem Verlust von 70.000 Arbeitsplätzen in der Branche erneuerbarer Energien dann wirklich eine sozialverträgliche Regelung ist. Wir haben neue Untersuchungen aus der Wissenschaft, die sagen, jeder wegfallende Arbeitsplatz in der fossilen Wirtschaft wird mehrfach durch neue Arbeitsplätze in den erneuerbaren Energien aufgebaut. Insofern wäre es eine staatliche Aufgabe gewesen, den Strukturwandel endlich anzugehen und gezielt natürlich die neuen Technologien dort anzusiedeln, wo die alten Technologien wegfallen. Dies wäre die entscheidende Aufgabe, auch aus sozialen Gründen gewesen.
    Brandes: Das wäre aber vermutlich nur über eine Kohleabgabe gegangen, wie sie Wirtschaftsminister Gabriel ursprünglich für die Kohlebranche vorgesehen hatte. Das war offenbar nicht durchsetzbar.
    Fell: Nein. Dazu kann man ganz andere Wege finden. Wir hatten ja schon einen gewissen Ausbau in Ostdeutschland mit dem Niedergang der alten Industrien, die ja auch hoch emittent waren, die uns ja einen Großteil des Klimaschutzes seit 1990 gebracht haben, und dann sind die neuen Windkraftfabriken, die neuen Solarfabriken gerade in den Ostbundesländern entstanden. Diese sind aber wieder in Insolvenz gegangen, vor allem in der Solarwirtschaft, mit den Aktivitäten der Bundesregierung, die die erneuerbaren Energien unter Druck gebracht hat. Dort sind die Arbeitsplätze auch verloren gegangen und wir hätten eigentlich den Aufbau dort schaffen müssen, damit der Wegfall der Kohlearbeitsplätze dort sozialverträglich gelingen kann. Das heißt, einen Ausbau der erneuerbaren Energien zu schaffen, und den Strukturwandel schafft man, indem man gezielt Unterstützung für Unternehmensaufbau, was es ja sowieso gibt, für diese Regionen dann organisiert. Dies ist keine Abgabe und dies ist keine Subvention im Sinne dessen, was wir jetzt erleben.
    "Es werden sehr große Backen aufgeblasen von der CSU"
    Brandes: Kommen wir mal auf den zweiten Punkt bei diesem Kompromiss: das Thema Stromtrassen. Die Trassen werden jetzt gebaut, und zwar auch durch Bayern. Da kann man sagen, Horst Seehofer ist auf der ganzen Linie gescheitert, oder?
    Fell: Ja. Er hat vor allem in Bayern immer verkündet, die Leitungen werden mit ihm nicht kommen. Die ganzen Bürgerinitiativen haben sich auf ihn verlassen und sie sind nun eigentlich auf dem sicheren Weg, dass sie sehen, Herr Seehofer hat sich nicht durchgesetzt, so wie übrigens auch bei der Maut oder anderswo. Es ist immer das gleiche Bild: Es werden sehr große Backen aufgeblasen von der CSU, aber in Berlin können sie dann letztendlich das nicht reißen. Es ist aber auch gut so, denn der eigentliche Weg ist ja, dass wir diese Gleichstromleitungen, den Südlink, den Ostlink, auch tatsächlich brauchen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, um den Ausgleich auch in kommenden Jahren schaffen zu können. Der gehört aber unter die Erde. Da hat die Koalition sich jetzt endlich durchgerungen, dass die Gleichstromtrassen vorrangig als Erdverkabelung verlegt werden. Das ist ein richtiger Weg. Ich muss aber auch noch sagen, das muss nun auch gut organisiert werden. Das kommt noch nicht automatisch so. Ein Beispiel: Wenn man sehr viel Freileitung- und Erdkabelwechsel macht, dann braucht man viele Übergangsbauwerke, die sehr teuer sind. Der sinnvollste Weg wäre nun, den Südlink und den Ostlink vollständig unter die Erde zu bringen. Das wäre die naturverträglichste, die anwohnerschonendste Lösung und würde wahrscheinlich nicht einmal mehr kosten als die vielen Bauwerke, die wir zum Wechsel zwischen Freileitungen und Erdverkabelungen bräuchten.
    Brandes: Aber werden das die Bürgerinitiativen, die Sie eben schon erwähnt haben und die ja auch den Grünen nahestehen, denn mitmachen, den Bau der Trassen, egal ob ober- oder unterirdisch?
    Fell: Ich komme aus der Gegend in der Rhön, wo die Bürgerinitiativen ganz heftig sind. Sie stehen den Grünen überhaupt nicht nahe, sondern sie haben ja pauschal gegen die Leitungen opponiert. Sie sagen in der Region, wir machen das dezentral selbst. Ich sehe aber überhaupt keine Aktivitäten von diesen Bürgerinitiativen, Windgenossenschaften zu gründen, oder die Regionalpläne zu verändern, gegen die 10h-Regelung, diese neue Abstandsregelung von Herrn Seehofer anzugehen. Da ist keine Unterstützung für die Energiewende. Diese stehen uns nicht nahe. Aber das ist nur in der Rhön in Nordbayern so der Fall. In anderen Bundesländern haben wir sehr aktive Bürgerinitiativen im Rahmen des Südlinks, die beispielsweise schon vor Monaten verlangt haben, das die Leitungen kommen, aber alle unter die Erde sollen. Das sind auch die Aktiven, die uns nahestehen und die damit auch eine aktive sinnvolle Energiewende-Politik betreiben.
    Brandes: ... sagt Hans-Josef Fell, Grünen-Politiker und Energieexperte. Wir haben das Gespräch vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.