Das Ende des lange ungebrochenen Technikoptimismus kam mit saurem Regen, dickem Smog, toten Gewässern und dem gedankenlosen Einsatz von DDT. Ende der 1960er-Jahre war Rachel Carsons Buch "Der stumme Frühling" zum Kristallisationskeim der modernen Umweltbewegung geworden, Paul Ehrlich hatte in "Die Bevölkerungsbombe" der Menschheit das Ende durch ihr eigenes Wachstum prophezeit. Und der Club of Rome gab 1972 in "Die Grenzen des Wachstums" einen pessimistischen Ausblick auf die Entwicklung der Weltwirtschaft. Die Zukunft war bedroht und bedrohlich. Und so erteilte US-Präsident Jimmy Carter am 23. Mai 1977 dem Rat für Umweltqualität seines Präsidialamts und dem Außenministerium einen Auftrag, nämlich...
"...in Zusammenarbeit mit anderen Behörden, die voraussichtlichen Veränderungen der Bevölkerung, der natürlichen Ressourcen und der Umwelt auf der Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu untersuchen".
Düsteres Bild wird gezeichnet
Das Ergebnis sollte als Grundlage für eine längerfristige Prognose dienen. Also trugen die Studienautoren Berge statistischen und analytischen Materials zusammen. Alle amtlichen US-Stellen inklusive CIA lieferten zu, aber auch die Weltbank. Dann simulierten Computermodelle aus den Daten eine Zukunft. Herauskam ein - ohne Anhänge - 1293 Seiten starker Bericht. Und der zeichnete ein düsteres Bild:
"Wenn sich die gegenwärtigen Entwicklungstrends fortsetzen, wird die Welt im Jahr 2000 noch überbevölkerter, verschmutzter, ökologisch noch weniger stabil und für Störungen anfälliger sein als die Welt, in der wir heute leben."
Klar ist: Ende der 1970er-Jahre waren viele Entwicklungen nicht abzusehen - weder der Zusammenbruch der Sowjetunion, noch der kometenhafte Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsgroßmacht, weder die Allgegenwart der Computer in der modernen Gesellschaft, noch das Internet, um nur sehr wenige Beispiele zu nennen. Ein Leser von heute trifft dafür auf vergessene Vokabeln, etwa wenn von
"den zentralen Planungswirtschaften Osteuropas..."
die Rede ist. Oder er erinnert sich an die ersten bekannten Umweltprobleme, wie
"das Waldsterben!"
Die Treffsicherheit der Statistiken
Und der Leser kann Prognosen checken. Manche Statistiken trafen ganz gut, etwa die Annahme, dass die Weltbevölkerung im Jahr 2000 auf 6,35 Milliarden Menschen angewachsen sein dürfte: Es waren 6,12 Milliarden Menschen. Bei der weiteren Prognose für die Zukunft öffnet sich aber dann eine Schere: Die Zehn-Milliarden-Marke wird nicht 2030 gerissen werden, sondern eher in Richtung Jahrhundertwende. Im Rückblick sind jedoch nicht die absoluten Zahlen interessant. Es ist der Blick auf die in dem Bericht aufgeführten Prozesse hinter den Zahlen, der erschreckt. Beispiel: Klimawandel:
"Es könnte eine entscheidende Veränderung in der Struktur der Niederschläge auf der ganzen Erde und einen Temperaturanstieg um zwei bis drei Grad in den mittleren Breiten der Erde eintreten."
Bis zum Jahr 2050, so die Schätzung, werde sich das Klima entscheidend ändern – als Folge des Kohlendioxidanstiegs und ozonabbauender Chemikalien in der Atmosphäre.
"Ein Anstieg der Polartemperaturen um fünf bis zehn Grad Celsius könnte am Ende zum Abschmelzen der grönländischen und antarktischen Eiskappen und damit zu einem schrittweisen Anstieg des Meeresspiegels führen. Zählreiche Küstenstädte müssten dann aufgegeben werden."
Dieselben Themen von heute
Das könnte aus dem derzeitigen IPCC-Bericht stammen - oder aus dem davor oder dem davor. Genau wie der nächste Satz:
"Landwirtschaft und andere Tätigkeitsbereiche des Menschen hätten große Schwierigkeiten, sich einem so großen und schnellen Klimawandel anzupassen..."
Und im aktuellen Bericht der UN-Umweltorganisation UNEP könnte folgender Zusammenhang stehen:
"Die vielleicht schwerwiegendste Umweltentwicklung wird in der zunehmenden Verschlechterung und dem Verlust von für die Landwirtschaft wesentlichen Ressourcen bestehen: (...) Bodenerosion, Nährstoffverlust und Verdichtung der Böden; zunehmende Versalzung sowohl der künstlich bewässerten Böden, als auch des zur Bewässerung verwendeten Wassers..."
Und auch das Thema Artensterben hat nichts von seiner Brisanz verloren:
"Eine (...) für Global 2000 angeforderte Schätzung deutet darauf hin, dass bis zum Jahr 2000 (...) - 15-20% aller auf der Erde lebenden Arten - ausgestorben sein können - vor allem aufgrund des Rückgangs unberührter Lebensräume, aber teilweise auch infolge von Umweltverschmutzung."
Inzwischen fürchten Wissenschaftler, dass bereits ein Massenaussterben läuft - und die Erfahrung aus der Erdgeschichte lehrt, dass die Menschheit dann eine sehr düstere Prognose bekäme. Ob Wasserverknappung, die Ausbreitung von Wüsten, steigende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise - die meisten der 1980 ausgemachten Problemfelder sind heute so aktuell wie ehedem.
Global 2000 endet mit einer Perspektive. Alle Nationen sollten entschlossen daran arbeiten, die Entwicklungstrends zu verändern:
"Angesichts der Dringlichkeit, Reichweite und Komplexität der vor uns liegenden Herausforderungen bleiben die auf der ganzen Welt in Gang gekommenen Anstrengungen allerdings weit hinter dem zurück, was erforderlich ist. Es muss eine neue Ära der globalen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Verpflichtungen beginnen, wie sie in der Geschichte ohne Beispiel ist."
Auch das könnte in einem beliebigen Umwelt- oder Klimabericht heute stehen. Und diese Einschätzung bestimmt dann auch das Resümee: Selbst wenn die Weltlage im Jahr 2000 nicht so bedrohlich war, wie befürchtet, sollte man den Bericht nicht als Schwarzmalerei abtun. Denn es ist, wie die Autoren betonten: Viele Folgen dürften erst weit nach dem Jahr 2000 sichtbar werden. Und so lohnt es sich, den Bericht noch einmal zu lesen - diesmal vielleicht online.
Global 2000. Bericht an den US-Präsidenten
Hrsg. vom Council on Environmental Quality und dem US-Außenministerium. Gerald O. Barney, Study Director. Washington, U.S. Government Printing Office, 1980. Deutsch: Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/Main, 1981
Hrsg. vom Council on Environmental Quality und dem US-Außenministerium. Gerald O. Barney, Study Director. Washington, U.S. Government Printing Office, 1980. Deutsch: Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/Main, 1981