Gabriele Bentscheck sucht vor allem eines: bezahlbares Stroh. Für die Pferde im Stall, als Futter, zum Ausmisten. Aber das wird für die Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins Kriftel in Hessen zunehmend schwerer. Denn Stroh ist in den vergangenen Jahren zum Luxusgut geworden. In einigen Regionen haben sich die Preise für die Ballen nahezu verdoppelt.
Grund dafür ist die Klimakrise, sagt Bentscheck: "Weil einfach die Ernten der vergangenen Jahre durch das Wetter schlechter waren. Oft gab es keinen zweiten Schnitt." Teilweise war Bentscheck froh, überhaupt Stroh für die Tiere zu finden: "Durch die Heuknappheit konnten wir von unseren Lieferanten gar kein Heu bekommen. Das heißt, das war nicht mal mehr eine Frage des Geldes, es war wirklich eine Frage der Verfügbarkeit. Wir haben uns Heu vom Bodensee liefern lassen müssen."
Beitragserhöhung um bis zu 50 Prozent
Die gestiegenen Futterkosten kann der Verein nicht mehr aus eigener Kraft stemmen: "Wir sind mit unseren finanziellen Mitteln komplett ausgereizt, da geht derzeit nichts mehr.“ Bentscheck bleibt nur noch eine Möglichkeit: Sie muss die Mitgliedsbeiträge erhöhen, und zwar drastisch. Das wollte sie schon vor Corona, um bis zu 50 Prozent, von 60 auf 90 Euro pro Monat für Erwachsene. Doch dann kam Corona, da war sie froh, dass die Mitglieder überhaupt geblieben sind.
Gleichzeitig muss das Training immer öfter ausfallen, weil es im Sommer einfach viel zu heiß wird: "Das kann schon bedeuten, dass bei einer richtigen Hitzewelle die Pferde nur Schritt gehen dürfen. Weil es einfach zu anstrengend ist. Die können dann nicht galoppieren oder können dann nicht drei Mann im Voltigieren auf sich tragen." Auch die Fahrt zu Turnieren ist bei mehr als 30 Grad zu anstrengend für die Tiere, sagt Bentscheck.
"Viele bringen das nicht mit dem Klimawandel in Verbindung“
Sportvereine, die unter der Klimakrise leiden, sind kein Einzelfall, verdeutlicht auch Alexandra von Winning vom Projekt "Klimasport“: "Viele Vereine sind schon jetzt ganz akut vom Klimawandel betroffen. Weil sie merken: ‚Uns fallen die Kinder um, die haben ständig Sonnenbrand.‘ Oder gerade die Kanuvereine: ‚Wir haben immer häufiger Hochwasser.‘ Aber die bringen das nicht mit Klimawandel und Klimaanpassung in Verbindung."
Deshalb möchte von Winning das Verständnis für die Auswirkungen der Klimakrise auf den Sport stärken. Ihre gemeinnützige Agentur "Lust auf besser Leben" hat zusammen mit dem Bundesumweltministerium das Projekt "Klimasport" ins Leben gerufen, das Infomaterialien für Vereine bereitstellt: Wo macht sich die Klimakrise schon heute bemerkbar, wie kann man darauf reagieren, und wo bekommt man die nötige Förderung?
Von Winning hofft, Sportvereine und -Verbände für das Thema Klimawandel und Klimaanpassung zu sensibilisieren. Und über den Sport mehr Menschen zu erreichen, ihnen zu zeigen, was die Klimakrise schon heute bedeutet. Dabei war die Skepsis von Seiten der Vereine am Anfang groß, sagt sie: "Vor drei Jahren, als wir uns Gedanken über ein mögliches Projekt gemacht haben, haben die Sportvereine gesagt: ‚Lasst uns in Ruhe, wir haben echt genug zu tun.‘ Aber durch die letzten zwei Hitzesommer ist die Dringlichkeit auch bei den Vereinen angekommen. Und deshalb ist die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen, dramatisch gestiegen.“
Ein Hochwasser, und alles ist weg
In Halle an der Saale waren es nicht die Hitzesommer, sondern Hochwasser, die zum Umdenken geführt haben. 2013 hat das Wasser alle Sportanlagen der Stadt geflutet, einige sind bis heute noch nicht wiedereröffnet worden: "Bei den Sportvereinen war es so, dass ganz vieles, was man über die Jahrzehnte aufgebaut hat - das war natürlich mit einem Schlag weg.“
Aurel Siegel ist Leiter des Fachbereiches Sport der Stadt Halle. Er hat bei den Instandsetzungen und beim Wiederaufbau der Sportanlangen perspektivisch im Blick: Das nächste Hochwasser soll weniger Folgen haben: "Wir haben natürlich überlegt, geht es an einer anderen Stelle, wenn ja, wo wäre denn eine geeignete Stelle. Und so haben wir die ein oder andere Sportanlage in einem Bereich angesiedelt, die Hochwassersicher ist. Viele Sportvereine, wie Rudern, Kanufahren, müssen natürlich am Wasser bleiben. Und dort haben wir versucht, die Gebäude Hochwassersicher zu bauen, in einer aufgeständerten Variante. Wenn ein neues Hochwasser kommt, wird dieses das Gebäude zwar erreicht, aber eben nur die untere Etage, wo dann keine wertvollen Dinge lagern.“
Für Siegel ist klar: Sportstätten heute noch im Hochwassergebiet zu bauen, ist unverantwortlich und würde nicht mehr genehmigt werden.
Fördergelder nur bei Klimaschutz
Auch Alexandra von Winning hofft, dass Klimaschutz und Klimaanpassung in Zukunft bei der Genehmigung und Förderung von Sportstätten eine wichtige Rolle spielen: "Ich würde mir wünschen, dass von Bundesebene aus Fördergelder nur dann bewilligt werden, wenn Klimaschutz und Klimaanpassung berücksichtigt werden." Sie fordert außerdem eine bessere Beratung für die Sportvereine, damit sie mehr Unterstützung bei der Klimaanpassung bekommen.
Gabriele Bentscheck vom Reit- und Fahrverein Kriftel würde vor allem eines helfen: Geld. Am besten von der Kommune oder vom Land. Denn die Futterkosten werden auch in den kommenden Jahren steigen. "Wir können unsere Mitglieder ja nicht bitten, immer mal ein Kilo Heu mitzubringen.“