Jule Reimer: Morgen Vormittag soll er angeblich fertig sein, der Koalitionsvertrag, und dann von den drei Parteichefs inklusive Chefin Merkel vorgestellt werden. Das sagt die Berliner Gerüchteküche. Jedenfalls wird heute noch kräftig weiterverhandelt. Für die Bereiche Klima und Energie stand schon allerhand vor dem Wochenende fest.
Flugverkehrssteuer bringt keine Verbesserung
In Frankfurt bin ich jetzt mit Christoph Bals verbunden. Er ist politischer Geschäftsführer der Klimaschutz-Lobbyorganisation Germanwatch. – Herr Bals, 2020 steht immerhin als Klimaziel drin in den Papieren, die offenbar zum Koalitionsvertrag führen, und für 2030 klingt das doch eigentlich alles recht ambitioniert. Sind Sie zufrieden?
Christoph Bals: Die große Frage ist, ist der Scheck diesmal gedeckt? Es werden die Ziele wieder verkündet, das 2020-Ziel. Frau Hendricks sagt, dass wir etwas Probleme haben, das Ziel zu erreichen. Im Moment sieht es so aus, dass das krachend verfehlt wird. Und wenn das nicht bis 2022 nachgebessert wird, so dass es erreicht wird, dann ist man auch schon auf einem Pfad, wo man das Ziel für 2030 kaum noch erreichen kann. Man kündigt sehr ehrgeizige Ziele an, zum Beispiel im Verkehrsbereich, dass man 40 bis 42 Prozent bis 2030 reduzieren will. Bisher gab es gar keine Reduktion seit 1990. Aber die notwendigen Maßnahmen dafür beschließt man nicht, sondern die will man erst im kommenden Jahr beschließen. Das heißt, es ist die große offene Frage, werden denn auch die Maßnahmen beschlossen, die die Ziele erreichbar machen.
Reimer: Fangen wir mal beim Verkehr an, den Sie ja schon erwähnten. Immerhin: Die Flugverkehrssteuer ist offenbar wieder eingefügt, die wird es weiter geben. Ist das mehr ein finanzieller Vorteil oder macht das auch klimapolitisch was aus?
Bals: Das ist nicht nur symbolisch, sondern auch vom Anfang eines Verursacherprinzips in diese Richtung ein sehr wichtiger Schritt. Aber das ist hier keine Verbesserung gegenüber bisher, sondern nur, dass eine Verschlechterung vermieden worden ist.
Industrielle Massentierhaltung als klimapolitisches Problem
Reimer: Landwirtschaft: Passiert da genug?
Bals: Nein. Es wird zwar dort auch das Wort Klimaschutz in den Mund genommen, aber wenn man sich die Maßnahmenseite anschaut, dann ist ganz, ganz wenig, was bisher vorgeschlagen wird. Es ist eine landbauliche Maßnahme, die dabei mit vorgeschlagen wird. Das wird uns überhaupt nicht helfen, um die Klimaziele im Landwirtschaftsbereich tatsächlich zu erreichen.
Reimer: Was würde uns helfen?
Bals: Der Viehbestand für industrielle Massentierhaltung ist das große klimapolitische Problem in der Landwirtschaft: Einerseits durch die Ausgasungen der Tiere selber, dass sehr viel Methan freigesetzt wird, andererseits durch den Futtermittelimport, der auch häufig zu einer Abholzung des Regenwaldes mitführt. Wenn man hier nicht auf weniger Tiere, mehr Qualität einen Wandel hinführt, mehr Weidenhaltung, dann wird dieses Problem im Landwirtschaftsbereich nicht in den Griff zu bekommen sein.
Reimer: Ganz kurz noch. Morgen wird das Europäische Parlament darüber abstimmen, dass Emissionszertifikate vom Markt genommen werden, diese CO2-Verschmutzungsrechte. Wird das was helfen, um diesen CO2-Preis, der ja bei fünf Euro die ganze Zeit herumgedümpelt hat, wieder anzuheben?
Bals: Das hilft uns, dass er jetzt auf ungefähr acht Euro gestiegen ist in Erwartung dieses Beschlusses, acht, neun Euro. Aber wir bräuchten 30 bis 40 Euro, damit es wirklich investitionsrelevant wird. Das könnte nach 2025, aber wahrscheinlicher nach 2030 der Fall sein aufgrund dieser Regelung. Vorher brauchen wir einen Mindestpreis im Emissionshandel. Sonst ist dieses Instrument untauglich.
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