Die Gran Via ist einer der Schlagadern Madrids. Bisher ist sie eine wichtige Verbindungsachse zwischen dem Osten und dem Westen der Stadt. Und am Wochenende Treffpunkt von Tausenden Einkaufsbummlern.
Lebenswerter, sauberer, grüner
Bis vor kurzem rollten noch 50 000 Autos täglich über die Gran Vía, jetzt dürften es schon deutlich weniger sein. Denn der Bürgersteig ist verbreitert worden – wo kürzlich noch Autos fuhren, stehen jetzt junge Bäume. Inés Sabanés ist zuständig für Umwelt und Verkehr im Rathaus von Madrid:
"Die Frage ist, wie viel uns die Gesundheit unserer Bürger wert ist. Ist sie uns wichtiger als das Recht von Menschen, jeden Tag mit dem Auto in die Stadt zu fahren? Die Gran Vía wurde nicht als Durchgangsstraße angelegt, sondern um Waren in bestimmte Zonen zu bringen - und als Eingangstor zur Stadt. Eine Durchgangsstraße sollte sie nie sein – und darf sie auch nicht sein."
Inés Sabanés will Madrid lebenswerter machen, sauberer und grüner - und den Bewohnern die Stadt zurückgeben, wie sie sagt:
"In Madrid werden 80 Prozent des öffentlichen Raums von Autos besetzt, die aber nur 20 Prozent der Bewohner gehören. Was die Straßen im Zentrum angeht, haben Fußgänger, Radfahrer und öffentlichen Nahverkehr oft das Nachsehen, die Priorität haben bisher private Autos"
Einschränkungen für Diesel und Motorräder
Das ändert sich jetzt. In der Innenstadt dürfen künftig nur noch Anwohner auf der Straße parken – und Fahrer von besonders sauberen Autos, etwa Elektroautos. Alle anderen müssen ihren Wagen in Parkgaragen abstellen. Nummernschilderscanner sollen sicherstellen, dass das auch geschieht. Außerdem benötigen die Autos eine spezielle Umweltplakette. Ältere Diesel-Fahrzeuge dürfen beispielsweise überhaupt nicht mehr in die Stadt fahren – und auch für Motorräder gibt es Beschränkungen.
Wer also demnächst als Tourist mit einem eigenen Fahrzeug nach Madrid will, sollte unbedingt vorab mit seinem Hotel Kontakt aufnehmen. Bußgelder werden allerdings erst nach einer Übergangszeit von zwei Monaten verhängt.
Der linken Stadtregierung geht es vor allem darum, Madrid von seinem chronischen Smog zu befreien. Regelmäßig werden die hier die EU-Grenzwerte überschritten. Von den neuen Vorschriften erhofft sich die Stadt 40 Prozent weniger Abgase, vor allem weniger Stickstoffdioxid. Applaus bekommt die Stadt von Iñigo Errejón, Fraktionssprecher der Linkspartei Podemos im spanischen Parlament:
"Madrid geht damit den richtigen Weg: Den Weg des Umweltschutzes, der Modernität, der besten Städte Europas. Wir appellieren an die konservativen Parteien, dass sie ihre Kritik mäßigen – denn in zehn Jahren werden sie vielleicht einsehen, dass es der richtige Weg war."
Protestaktionen geplant
Zu den heftigsten Kritikern gehört Ángel Garrido, konservativer Präsident der Landesregierung von Madrid:
"Die Linke ist gerade nicht gerade Spezialist in Sachen Mobilität, ganz im Gegenteil. Wir haben jetzt eine absolut Immobilität - und mehr Luftverschmutzung!"
Tatsächlich hat das Rathaus 2015 erstmals Tempolimits und Fahrverbote verhängt. Das hat allerdings wenig geholfen, die Abgasbelastung zu reduzieren. Garrido glaubt, dass sich das auch mit den neuen Vorschriften nicht ändern wird. Er ist mit seiner Kritik nicht allein. Schon hat sich eine Bürgerbewegung gegründet, die gegen die neuen Regelungen Front macht. Sie plant Protestaktionen, will in den kommenden Wochen zeitweise den Verkehr lahmlegen - mitten in der Weihnachtszeit. Auch hier auf der Gran Via sind die Meinungen über die neuen Maßnahmen geteilt.
"Das wird es ein absolutes Chaos in der Stadt geben", sagt Cristina. "Die Stadt hat die Zufahrt zum Zentrum eingeschränkt, aber keine wirklichen Alternativen geschaffen. Bei all dem Andrang in der Weihnachtszeit kann das für die Geschäfte hier gut sein – aber für das tägliche Leben in der Stadt nicht."
David ist da anderer Meinung:
"Ich finde es gut - beim Kampf gegen die Abgase müssen wir uns halt alle ein bisschen anstrengen. Auch ich kann mit meinem Auto künftig nicht mehr einfach ins Zentrum fahren, ich muss mich anders organisieren. Aber wenn wir in Zukunft besser und länger leben wollen, müssen wir eben auch Opfer bringen!"