Britta Fecke: Es ist das wichtigste Instrument der EU im Kampf gegen den Klimawandel: der Handel mit den CO2-Zertifikaten. Wer klimaschädliche Gase produziert, muss dafür zahlen. Wenn der Preis nur noch genug ist, wäre es günstiger für die Industrie, in neue klimaschonende Technologien zu investieren, doch da der Preis für eine Tonne CO2 lange viel zu gering war, im letzten Juni noch bei unter fünf Euro, gab es keinen Anreiz, die alten Anlagen zu modernisieren. Der Überschuss an Emissionszertifikaten machte das Instrument des CO2-Handels wirkungslos. Inzwischen haben die Preise aber angezogen, die Tonne CO2 kostet heute in der EU 12,65 Euro.
Ich bin nun verbunden mit Jo Leinen, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europaparlament. Herr Leinen, wie viel Zertifikate wurden denn aus dem System genommen?
Jo Leinen: Wir haben vorgesehen, eine Milliarde Zertifikate aus dem System rauszuholen, weil geschätzt zwei Milliarden Überschusszertifikate im Markt sind und verhindert haben, dass sich ein Preis für CO2 gebildet hat.
Zurückhaltung bei Innovationen in den letzten Jahren
Fecke: Wie teuer müssten denn die Zertifikate eigentlich sein, damit der Sektor, also dieses Handelssystem, seinen Beitrag zum Klimaschutz überhaupt leisten kann?
Leinen: Es müsste so hoch sein, dass Investitionen in Klimaschutzanlagen günstiger sind, als den CO2-Preis zu bezahlen und nicht zu investieren, und man hat gesehen, dass in den letzten Jahren doch sehr Zurückhaltung geherrscht hat bei Durchbruchtechnologien, bei neuen Innovationen, um CO2 aus den Anlagen rauszuholen. Und da ist jetzt die Hoffnung, dass mit der Reform des Emissionshandelssystems sich die Dinge ändern.
Fecke: Das war ja jetzt nur der erste Schritt im Februar bei der Reform, wann kommt der zweite?
Leinen: Wir haben ja doch beschlossen nach langen Verhandlungen zwischen Europaparlament, Ministerrat und nach der Vorlage der Kommission für das Jahr 2030, die vierte Handelsperiode einzuleiten, und hier wird einiges anders. Der lineare Reduktionsfaktor wird größer, von 1,75 Prozent auf 2,25 Prozent pro Jahr, die Marktstabilitätsreserve wird mehr angezapft, also Überschusszertifikate gehen in eine Reserve und hängen nicht …
Fecke: Wie viele werden das sein?
Leinen: Na ja, das hängt von Jahr zu Jahr ab. Man hat ja einen Überblick, wie viel Zertifikate gekauft werden und wie viel übrig bleiben, und da hat die Kommission die Chance, die abzuschöpfen und aus dem Markt rauszuholen.
"Der Markt funktioniert allmählich"
Fecke: Wir haben ja gerade schon mal den Preis genannt, im Moment kostet die Tonne CO2 12,65 Euro. Können Sie so ungefähr - Sie müssen sich ja nicht auf den Cent festlegen -, aber können Sie so ungefähr sagen, was die Tonne kosten müsste, damit es attraktiver wäre für auch energieintensive Unternehmen, zu investieren in die Modernisierung?
Leinen: Bei der Einführung des Emissionshandelssystems war ja mal gedacht, dass 2010 die Tonne schon 20 Euro kostet, und Sie haben ja in der Anmoderation gesagt, dass über Jahre das bei vier, fünf, sechs Euro rumgedümpelt ist. Jetzt ist die zehn geknackt, wir sind also jetzt bei zwölf, und es liegt auch daran, dass die Konjunktur ja in Europa wieder angesprungen ist, also mehr Zertifikate gekauft werden müssen. Insofern funktioniert jetzt der Markt allmählich, Angebot und Nachfrage kommen wieder in ein Lot, wo das knappe Gut CO2 einen Preis bekommt.
Fecke: Im Moment, wenn man schaut auf die aktuellen Daten, steigen aber die Emissionen der klimarelevanten Gase in Europa wieder.
Leinen: Ja, das ist sehr bedauerlich. Wir haben vor allen Dingen im Verkehrssektor nach wie vor einen enormen Anstieg, da hoffe ich, dass mit der sauberen Transportpolitik, der Clean Mobility, jetzt auf Pflöcke eingeschlagen werden. Dieses Jahr werden wir dann noch ein Gesetz machen für die CO2-Abgase der Autos nach 2020. Wir sehen, dass die Elektromobilität in anderen Teilen der Welt auf dem Vormarsch ist, vor allen Dingen in China, und ich hoffe, dass wir die Transportwende auch bekommen nach der Energiewende.
"Wir brauchen einen internen Korrekturmechanismus"
Fecke: Lassen Sie uns trotzdem noch einmal ganz kurz auf den CO2-Handel gucken: Die energieintensiven Unternehmen wie Zementindustrie oder auch Düngemittelhersteller, die erhalten weiter kostenlose Zertifikate zugeteilt. Ist das echt der richtige Weg?
Leinen: Das ist ein Wermutstropfen, den die Europapolitik so beschlossen hat, um diesen energieintensiven Industrien, die im internationalen Wettbewerb sich befinden, keinen Nachteil zu geben gegenüber Konkurrenten, die halt eben nicht für CO2 bezahlen müssen. Wir diskutieren im Parlament schon seit Langem, ob wir nicht bald eine Grenzausgleichsabgabe, eine Umweltabgabe für Importe brauchen, weil in der Tat gibt es einen unfairen Wettbewerb zwischen denen, die in Europa doch mittlerweile ziemlich hohe Auflagen haben, und denen in Russland, Ukraine, China, die alle diese Auflagen für Klimaschutz nicht haben.
Da muss man einen Korrekturmechanismus bringen, da die Grenzausgleichsabgaben bisher nicht durchsetzbar waren. Insbesondere ist das in Berlin auf Ablehnung gestoßen, während Paris und andere, Rom, Madrid, die anderen Länder wollen das alle. Deutschland als Exportweltmeister ist da sehr zögerlich. Solange wir das nicht haben, brauchen wir einen internen Korrekturmechanismus, und das sind diese freien Zertifikate, die für den Klimaschutz bedenklich sind, für den Wettbewerb wahrscheinlich noch eine Zeit lang notwendig.
Fecke: Die Tonne CO2 ist erheblich teurer geworden innerhalb von Europa. Was das bedeutet für den Klimaschutz, das hat mir Jo Leinen, Mitglied im Europaparlament im Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit erklärt.
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