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Klimaschutz
"Wir brauchen einen CO2-Mindestpreis"

Der Emissionshandel funktioniere nicht, sagte Michael Schäfer im Dlf. Deswegen müsse man jetzt einen stetig steigenden CO2-Mindestpreis festlegen, so der Leiter für Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF. "Wir hoffen, dass das Klimakabinett den Schuss von der Europawahl gehört hat und den Prozess jetzt startet."

Michael Schäfer im Gespräch mit Jule Reimer |
Aufnahme des Kohlekraftwerks Datteln 4 im Probebetrieb vom 27.10.2017 .
"Der Emissionshandel funktioniert nur im theoretische Modell": Der WWF plädiert dafür, das System des Emissionshandels grundlegend zu erneuern. (Picture-Alliance)
Jule Reimer: Mehr als drei Viertel der Deutschen sind unzufrieden mit dem Tempo der Energiewende. Der Umstieg auf klimafreundliche Energieträger gehe hierzulande zu langsam, lautet das Ergebnis einer Umfrage, die die Bundesregierung selbst in Auftrag gegeben hatte und heute vorstellte.
Morgen tagt wie immer jeden Mittwoch genau diese Bundesregierung, Kanzlerin und Ministerriege, und Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat in diese Kabinettssitzung ganz forsch unter anderem auch gegen den Willen der Kanzlerin bereits ihren Entwurf für ein Klimaschutzgesetz auf Bundesebene eingebracht. Dieses Gesetz sei dringend nötig, sagt Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. Sie bieten gleich drei Rechtsgutachten dafür auf, Herr Schäfer. Warum ist so ein Gesetz so wichtig?
"Ein Klimaschutzgesetz regelt das Wer, Wie, Was"
Michael Schäfer: Ein Klimaschutzgesetz ist ein Rahmengesetz. Das regelt erst mal nur das Was, das Wie und das Wer von Klimapolitik. Das Was sind die Ziele. Da muss dann die Klimaneutralität bis spätestens 2050 rein. Das Wie heißt, es verpflichtet die Regierung dazu, Maßnahmenpläne vorzulegen, ist selber keine Maßnahme, sondern verpflichtet zu Maßnahmenplänen. Und das Wer, das sind die klaren Verantwortlichen, dass die Ressorts für ihre Bereiche auch im Klimaschutz Verantwortung zugewiesen bekommen, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird.
Die meisten Klimaschutzgesetze, die wir untersucht haben in anderen europäischen Ländern, haben auch ein Expertengremium, was die Regierung berät.
Der nächste wichtige Punkt ist Kontrolle und Nachsteuerung. Das heißt, es gibt dann immer die Messung, wie nah ist man an seinen Zielen, und wenn man sehr weit von den Klimazielen entfernt ist, dann wird Alarm geschlagen und die Ministerien müssen Sofortmaßnahmen in ihrem Sektor machen.
Ministerien müssen verpflichtet werden
Reimer: Lassen Sie mich da mal einhaken! Das starre Ziel für einzelne Ministerien wirkt ein bisschen kleinteilig, denn wir wissen ja auch aus den erneuerbaren Energien, Dinge können sich auch anders entwickeln, Technologien können plötzlich aufholen.
Schäfer: Das Problem, was wir haben, ist, dass wir bisher in keinem Sektor die Ziele erreichen, dass irgendwer übererfüllt. Der große Vorteil von Zielen für die einzelnen Sektoren, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, ist, dass tatsächlich endlich Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Wir haben beim Kohlekompromiss mit allen seinen Schwächen doch gesehen, dass das Sektorziel, was die Bundesregierung nicht gesetzlich, sondern so gesetzt hat für den Energiesektor, dass das der Dreh- und Angelpunkt war, und ohne dieses Sektorziel wären wir da keinen Schritt vorangekommen.
Das heißt, diese Sektorziele sind extrem wichtig, um überhaupt in einzelnen Sektoren weiterzukommen. Sonst verweist nämlich immer der Verkehr auf die Industrie, die Industrie sagt, es ist doch viel besser, man macht was in der Landwirtschaft. Davon müssen wir weg kommen und wir müssen tatsächlich diese Sektorziele gesetzlich verankern und dann auch die Ministerien dazu verpflichten, Maßnahmen vorzuschlagen, die diese Ziele erreichen.
Reimer: Wir haben ja bereits Regulierungen im Sinne von Emissionshandel. Das heißt, bestimmte Bereiche, große Industrien oder auch Energieerzeuger, müssen Emissionszertifikate zukaufen. Würden Sie den Verkehrssektor mit einbeziehen oder nicht? Das ist ja auch eine wichtige Frage.
Schäfer: Das Problem von diesem Vorstoß ist, dass der Emissionshandel ja überhaupt nicht funktioniert. Der funktioniert im theoretischen Modell.
"CO2-Mindestpreis einziehen"
Reimer: Aber wenn man genügend Zertifikate jetzt mal vom Markt nimmt, und das zeichnet sich ja ab, dann werden die Preise noch mal zusätzlich steigen.
Schäfer: Dass da genügend Zertifikate vom Markt genommen werden, dass tatsächlich auch aus den klimaschädlichsten Produktionsformen wie Braunkohle ein deftiger Trend weg davon geht, das will ich erst mal sehen. Das ist bisher nicht absehbar. Wir sind dafür, erst mal dieses System zu reparieren, indem wir einen CO2-Mindestpreis, quasi einen Unterpreis, der Jahr für Jahr steigt, dort einziehen, und dann kann man das weiter sich angucken. Aber einfach in ein nicht funktionierendes Klimaschutzinstrument noch weitere Sektoren einzubeziehen, das halten wir nicht für zielführend.
Reimer: Jetzt werden Ihre Kritiker sagen, noch mehr Gesetze bedeuten auch noch mehr Bürokratie.
Schäfer: Na ja. Das Klimaschutzgesetz ist erst mal nicht Bürokratie, weil es verpflichtet nur die Regierung zu einer modernen politischen Steuerung. Es schafft Investitionssicherheit für die Unternehmen, weil die wissen, worauf sie sich einstellen können.
Was wir aber neben dem Gesetz noch brauchen, sind tatsächlich Maßnahmen. Ich hatte ja eben gesagt, die Klimaschutzgesetze in anderen Ländern, die haben dann auch immer Nachsteuerungsmechanismen, wenn man weit von seinen Zielen entfernt ist. Wir sind leider in allen Sektoren weit von unseren Klimazielen entfernt. Das heißt, wir müssen gleichzeitig mit diesem Klimaschutz-Rahmengesetz jetzt konkrete Klimaschutz-Maßnahmengesetze in den Sektoren einführen. Ich nenne nur das Kohle-Ausstiegsgesetz, ein Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Das muss novelliert werden, weil wir bei den erneuerbaren Energien im Wind jetzt den geringsten Zubau seit Beginn des Jahrhunderts hatten im letzten Quartal. Auch das Gebäude-Energieeffizienz-Gesetz. All diese Sachen müssen jetzt parallel angegangen werden und wir erhoffen uns, dass das Klimakabinett den Schuss von der Europawahl gehört hat und diesen Prozess jetzt startet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.