Bundestag und Bundesrat haben mit der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetz den Weg für den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland bis spätestens 2038 freigemacht. Das Gesetz ist ein Kompromiss zwischen den Interessen der Kraftwerksbetreiber, der betroffenen Bundesländer und den Klimazielen.
Was wurde beschlossen?
Reduzierung und Beendigung der Verstromung durch Stein- und Braunkohle
Bis spätestens 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. In den Jahren 2026, 2029 und 2032 wird überprüft, ob ein Ausstieg womöglich auch bis Ende 2035 möglich ist. Ursprünglich sollte es auch im Jahr 2032 bereits eine solche Überprüfung geben.
Noch in diesem Jahr soll ein erster Braunkohle-Kraftwerksblock im rheinischen Revier stillgelegt werden, bis Ende 2022 folgen ebenfalls im rheinischen Revier sieben weitere meist kleinere und vorwiegend ältere Blöcke. In Ostdeutschland soll Ende 2025 bis Ende 2028 schrittweise das Kraftwerk Jänschwalde abgeschaltet werden. Schwerpunkte der Abschaltung sind danach in den Jahren 2029 und 2038. Besonders leistungsstarke Anlagen sollen bis zuletzt am Netz bleiben. Bei den Steinkohlekraftwerken steht noch kein genauer Abbauplan fest – dafür sind bis 2026 Ausschreibungen vorgesehen.
Laut Bundesumweltministerium werden von den heute rund 40 Gigawatt Kohlekraftwerksleistung Ende 2022 noch insgesamt lediglich 30 Gigawatt (je 15 Gigawatt Stein- und Braunkohlekraftwerke) in Betrieb sein; 2030 dann nur noch insgesamt 17 Gigawatt (8 Gigawatt Stein- und 9 Gigawatt Braunkohle).
Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber
Kraftwerksbetreiber sollen Entschädigungen in Höhe von bis zu 4,35 Milliarden Euro für die Stilllegung ihrer Anlagen erhalten.
Strompreisentlastung für Verbraucher
Mit dem Gesetz werden Entlastungen für Stromverbraucher ermöglicht, um eventuelle kohleausstiegsbedingte Stromkostenerhöhungen auszugleichen. Die genauen Auswirkungen auf den Strompreis lassen sich demnach derzeit noch nicht abschätzen. Auch ein Zuschuss zu den Netzentgelten ist vorgesehen.
Anpassungsgeld für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Ein Anpassungsgeld soll Beschäftigten im Kohlesektor ab 58 Jahren den Übergang in die Altersrente erleichtern.
Strukturhilfen für die Kohleregionen
Das Strukturstärkungsgesetz ist das zweite zentrale Gesetz zum Kohleausstieg, das der Bundestag beschlossen hat. Es sieht Milliardenhilfen für den Strukturwandel in den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg vor. 14 Milliarden Euro soll es als direkte Hilfen für den Umbau der Wirtschaft geben, 26 Milliarden will der Bund in den Ausbau der Infrastruktur stecken.
Wer übt Kritik an den Gesetzen und warum?
Auf besonders heftige Kritik stoßen die Entschädigungszahlungen an die Braunkohle-Kraftwerksbetreiber. Diese sollen insgesamt 4,35 Milliarden Euro für die Stilllegungen bekommen. 2,6 Milliarden sollen an den Energiekonzern RWE gehen. Die tatsächlichen Kosten lägen für das Unternehmen mit 3,5 Milliarden dabei deutlich höher als die Entschädigung, so RWE.
Die Co-Vorsitzende der Grünen Annalena Baerbock sagte im Dlf-Interview, man müsse sich immer fragen, was am Ende entschädigt werde. "Wir reden hier über Kraftwerke, die zum Teil seit Jahrzehnten laufen. Das sind abgeschriebene Kraftwerke, die auch gesetzlich einfach vom Netz genommen hätten werden können." So würden jetzt zum Teil Kraftwerke entschädigt, die gar keine Gewinne mehr abwerfen würden.
Die Bundesregierung wehrt sich gegen die Kritik mit der Begründung, dass die Kraftwerksbetreiber im Gegenzug auf Klagen gegen Stilllegungen ihrer Anlagen und auf betriebsbedingte Kündigungen verzichteten.
Den Grünen und vielen Umweltschutzorganisationen geht das Gesetz außerdem nicht weit und vor allem der Kohleausstieg nicht schnell genug. Der Deutsche Naturschutzring DNR sagte, für Treibhausgasneutralität sei ein Ausstieg bis spätestens 2030 nötig.
Für erhebliche Irritiation sorgt außerdem, dass trotz geplantem Kohleausstieg jetzt noch ein neues Steinkohle-Kraftwerk ans Netz genommen wurde - Datteln IV. Das Bundesumweltministerium verteidigt die Inbetriebnahme damit, dass die Genehmigung schon vorgelegen hätte, bevor ein Kohleausstieg vorgesehen gewesen wäre. Hätte man sich dagegen gewehrt, wären demnach sehr hohe Entschädigungszahlen zu zahlen gewesen. Außerdem sollten im Sinne des Kohleausstiegsgesetzes zunächst ältere, ineffizientere Steinkohle-Kraftwerke "als das hoch moderne Kraftwerk Datteln IV" außer Betrieb genommen werden.
Was sind die Gründe für den Kohleausstieg?
Mit dem Ende des Stroms aus Kohle will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Deutschland die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erreichen kann. Stichwort: Emissionsminderung. Bis 2030 soll die Energiewirtschaft den Ausstoß von Treibhausgasen um etwa 62 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringern.
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens bis 2030 zu erreichen, sei der deutsche Kohleausstieg allein aber nicht ausreichend, sagte CDU-Europapolitiker Peter Liese im Dlf. Dafür seien weitere Maßnahmen im Verkehr und Gebäudesektor nötig. Der Energiesektor mit seinen rund 100 Kohlekraftwerken stößt in Deutschland immer noch fast ein Drittel der Klimagase aus. Mit dem kontinuierlichen Kohleausstieg zwischen 2020 und 2030 sinken die CO2-Emissionen laut Bundesumweltministerium voraussichtlich um rund zehn Millionen Tonnen pro Jahr.
Wie kam es zum Kohleausstiegsgesetz?
Über das Vorhaben wurde lange gestritten, denn für die Regionen in den betroffenen Bundesländern hat der Kohleausstieg erhebliche wirtschaftliche und soziale Konsequenzen.
Um die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gruppen zu einem Konsens zu bringen, wurde im Juni 2018 die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" eingesetzt. Diese bestand aus Vertretern aus der Energiewirtschaft, Naturschutzverbänden, Gewerkschaften, Klimaforschung, einer Bürgerinitiative, sowie Politikerinnen und Politikern aus den betroffenen Ländern und Regionen. Am 31. Januar 2019 beendete die sogenannte Kohlekommission ihre Arbeit mit der Übergabe eines Abschlussberichts an die Bundesregierung.
Laut Bundesumweltministerium wurden die darin enthaltenen Empfehlungen mit dem Kohleausstiegsgesetz "vollumfänglich umgesetzt". Ehemalige Mitglieder der Kommission werfen der Bundesregierung hingegen vor, die erarbeiteten Kompromisse mit dem Kohleausstiegsgesetz "grob verletzt" zu haben. Die Kohlekommission hatte beispielsweise empfohlen, Datteln IV nicht ans Netz gehen zu lassen.