Auf Sternstunden im Parlament hoffen in diesen Tagen die Umweltverbände, und um 9 Uhr heute Morgen wurde ihnen immerhin dieser Wunsch erfüllt. Über zwei Stunden stritten Regierung und Opposition. Selten war so in letzter Zeit so viel Leben im Hohen Haus:
Anton Hofreiter: "Trauen Sie sich doch!"
Ralph Brinkhaus: "Das ist Maßnahmen, Maßnahmen, Maßnahmen – mehr als 60 Maßnahmen."
Sarah Wagenknecht: "Dann scheinen Sie schlicht nicht zu wissen, dass Geringverdiener von dieser Erhöhung überhaupt nichts haben. Brinkhaus: Wir müssen uns da ggf. auch aufeinander zubewegen."
Hofreiter: "Frustrieren Sie nicht die ganzen jungen Menschen, die auf der Straße sind."
Andreas Jung: "Papst Franziskus nennt es die Verteidigung der Mutter Erde."
Matthias Miersch: "Ich seh jetzt schon die Schweißperlen bei Andi Scheuer, aber gut."
Das klingt nach Entgegenkommen
Den Aufschlag macht am Morgen Ralph Brinkhaus. Ausführlich lobt der Unionsfraktionschef das geplante Klimapaket und die aus seiner Sicht soziale Ausgewogenheit. Die massive Kritik von Wissenschaftlern am Einstiegspreis von 10 Euro pro Tonne CO2 "nehmen wir auch sehr ernst. Wir haben natürlich, wenn wir jetzt so niedrig sind, die Möglichkeit, jedes Jahr nachzusteuern. Und das werden wir auch tun, wenn’s nicht reicht."
Das klingt nach Entgegenkommen, doch Brinkhaus lässt offen, wann und um wie viel die Regierung den CO2-Preis erhöhen würde, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Und so rührt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter in den Wunden von CDU, CSU und SPD:
"Sie werden mit diesem Paketchen das Klimaschutz-Ziel 2030 genauso verfehlen wie das Klimaschutzziel 2020."
"Lieber Herr Hofreiter, ich will Sie einfach mal daran erinnern, es gibt einen Unterschied zwischen Politik und wissenschaftlicher Beratung."
Erwidert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze widerspricht und bezeichnet die Maßnahmen der Koalition als Neuanfang:
"Diejenigen, die am stärksten betroffen sind, weil sie weite Wege mit dem Auto pendeln, weil sie in unsanierten Wohnungen wohnen und mit Öl heizen. Die werden im Gegenzug entlastet werden, durch niedrigere Strompreise, durch höhere Pendlerpauschalen und mehr Wohngeld."
Das lässt Anton Hofreiter der Sozialdemokratin so jedoch nicht durchgehen.
"Nötig wäre ein zuverlässiger Pfad, damit die Wirtschaft auch Planungssicherheit hätte und eine Rückgabe der Gelder über ein Energiegeld, wie Frau Schulze es auch einmal vorgeschlagen hat, wo Sie unsere Unterstützung hätten."
"Das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Deutschen Eisenbahn"
Tatsächlich hatte Svenja Schulze ursprünglich ein Energiegeld, bzw. eine Klimaprämie gefordert, um Bürger beim CO2-Preis zu entlasten – davon ist jetzt jedoch keine Rede mehr. Nur ein Grund, warum auch Linken-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht das Klimapaket rügt.
"Wenn eine Koalition nicht das Rückgrat hat, sich mit den wirklichen Klimasündern anzulegen, dann kommt genau das raus, was Sie am Freitag hier vorgelegt haben."
Dann listet die promovierte Volkswirtin ihre Kritikpunkte auf: Ob internationaler Warenverkehr durch immer mehr Freihandelsabkommen oder rund um den Erdball geflogene Avocados und Chia-Samen – all das sei extrem klimaschädlich. Dann wendet sich Wagenknecht an das seit langem von der CSU geführte Verkehrsministerium:
"Sie waren es doch, die aus der Bahn eine Börsenbahn machen wollten. Mit dem Ergebnis, dass ein Fünftel des Streckennetzes stillgelegt wurde und dass die Ticketpreise immer teurer wurden. Heute rollen Brummi-Kolonnen über die Autobahnen, während die Bahn jetzt schon wieder radikale Kürzungen in ihrer Gütersparte angekündigt hat."
CDU-Politiker Ralph Brinkhaus verweist hingegen auf die geplanten Investitionen für die Bahn:
"Das ist das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Deutschen Eisenbahn, was wir auf den Weg bringen werden."
Und es soll für einen millionenfachen Anstieg der Zugreisenden sorgen. Ob die Kapazitäten der Bahn dafür ausreichen, ist bislang jedoch ungeklärt. Aus Sicht von FDP-Chef Christian Linder spart die Bundesregierung noch immer zu sehr am Klimaschutz:
"Herr Brinkhaus, wenn Sie dann heute davon sprechen, Sie wollen mehr Klimaschutz und mehr tun, dann will ich Ihnen sagen, wir brauchen nicht, wir brauchen besseren Klimaschutz."
Die AfD behauptete unterdessen erneut, der Mensch sei nicht maßgeblich am Klimawandel beteiligt.