Am Morgen schlurfen noch einige in Wollsocken durch den Hörsaal 1a der Rost und Silberlaube der Freien Universität Berlin. Sie und andere hätten nicht nur bis in den späten Abend diskutiert, sondern auch hier übernachtet, berichtet Marlen Schäfer.
"Ich würde schätzen so etwa 50 Leute, was wir gar nicht erwartet hatten. Da ja für viele einfach hier zu schlafen nicht infrage kommt ohne Sachen, ist ja auch verständlich. Aber einige haben sich entschieden hierzubleiben, und das war total super."
Nun hofft Schäfer, dass sich noch mehr fürs Mitmachen begeistern können. Schäfer studiert Sozial- und Kulturanthropologie sowie Politik im 3. Semester. Den Hörsaal im Hauptgebäude haben sie und andere Klimaaktivisten der "Students for Future" für besetzt erklärt. In der Klimastreikwoche sollen hier nur Vorlesungen stattfinden dürfen, die sich mit dem Klimawandel befassen. Als wissenschaftliche Unterstützung haben die Studierenden Gregor Hagedorn zu einer Vorlesung eingeladen, Biologe am Berliner Naturkundemuseum und Initiator der "Scientists for Future", einer Gruppe Wissenschaftler, die es sich zum Ziel gesetzt haben, besser über den Klimawandel zu informieren. Ob die "Fridays for Future"-Bewegung Recht habe, will er in der Vorlesung klären.
"Das Risiko des Klimawandels wird in der Öffentlichkeit meiner und unserer Ansicht nach unterschätzt. Ich denke, das haben wir nicht nur am Klimakabinettsbeschluss der Bundesregierung gesehen, sondern noch mehr an den Reaktionen der Öffentlichkeit darauf."
Näher Zusammenrücken für die Zukunft
Eigene Forderungen könne die Wissenschaft nicht aufstellen, sagt Hagedorn, das sollten die Studierenden tun. Und dafür fordert er seine auf den Saal verteilte Hörerschaft zuerst auf, etwas näher zusammenzurücken.
"Ich fände es viel schöner, wenn ihr mehr zusammensitzen würdet. Wir können diese Herausforderung, die vor uns steht, nur lösen, wenn wir gemeinsam daran arbeiten."
Dabei können die Studierenden das mit dem Zusammenrücken schon ganz gut. Am Vortag hatten sie euphorisch beschlossen, ihre einberufene Vollversammlung kurzerhand über die Woche zu verlängern und den dazugehörigen Hörsaal in Beschlag zu nehmen.
- "Wir machen weiter, der Hörsaal ist hiermit besetzt!"
- "What do we want? Climate justice! When do we want it? Now!"
Damit wollten die Studierenden ihrem Klimastreik mehr Aufmerksamkeit verschaffen, sagt Aktivistin Marlen Schäfer.
"Natürlich ist es wichtig, dass wir Bildungsveranstaltungen unterstützen, das ist ja auch das Ziel der Public Climate School, aber wir wollen natürlich auch ein Zeichen setzen, und mit einem besetzten Hörsaal hat man da ein bisschen mehr in der Hand."
Studierende haben Kraft und Freiräume für Veränderungen
Und die Vollversammlung ist Teil der studentischen Selbstverwaltung. Wer daran teilnimmt, soll keinen Nachteil erleiden, wenn andere Vorlesungen und Seminare dafür geschwänzt werden. Die ersten Dozenten und Profs haben sich schon bereit erklärt, das Thema ihrer Vorlesungen oder Seminare zu ändern und sich darin mit dem Klimawandel zu befassen. Dominik Cramer von den "Students for Future" freut sich darüber.
"Das ist unser Ziel, die Leute sollen sich damit auseinandersetzen, gerade die Studierenden haben die Kapazität, die Kraft, die Freiräume, um was zu verändern, um sich einzubringen."
Bisher waren zwar nur ein paar Hundert der über 30.000 Studierenden der FU da, aber viele auf dem Campus sind zumindest aufgeschlossen.
"Ich finde, das ist ein guter Zweck, aber ich habe selbst zu viel Stress daran teilzunehmen." Es gibt ja sehr viele Vorträge von Fridays for Future, also von der Unigruppe und daran habe ich auch schon teilgenommen." "Um ehrlich zu sein, habe ich gerade auf dem Weg von der U-Bahn darüber nachgedacht, an welchen Veranstaltungen ich mich beteilige."
Bis Donnerstagabend wollen die Studierenden im Hörsaal 1a durchhalten, bevor es am Freitag zur großen Streikdemo geht.