Kaum eine Fichte, die nicht unter dem Befall mit Borkenkäfern kollabiert ist. Todkrank erscheinen aber auch viele Rotbuchen nach der extremen Dürre im vergangenen Jahr. Selbst Ansgar Kahmen macht das sprachlos, Professor für Botanik an der Universität Basel:
"Wir sind Biologen. Wir beschäftigen uns mit dem Leben. Interessanterweise können wir eine ganz einfache Frage nicht beantworten, nämlich: warum ein Baum stirbt."
Was man oft hört: Bei starker Trockenheit haben Bäume die Wahl, entweder zu verdursten oder zu verhungern. Ihre Wurzeln kommen nur noch schwer an Wasser, und um zu vermeiden, dass auch noch Verdunstungsverluste entstehen, machen Bäume dicht und schließen ihre Blattöffnungen. Doch dann kriegen sie kein CO2 mehr aus der Luft. Das brauchen sie aber, um wichtige Kohlenhydrate wie Zucker und Stärke zu bilden.
Der Ökophysiologe Henrik Hartmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena:
"Das ist natürlich ein bisschen vereinfacht, eine vereinfachte Sichtweise. Zum Beispiel wird da alles außen vorgelassen, was in natürlichen Ökosystemen stattfindet, und das sind zum Beispiel Borkenkäfer oder andere Schädlinge."
Geschwächte Bäume sterben auch ohne Schädlingsstress
Wasser- und CO2-Mangel schwächen Bäume demnach zwar. Doch zugrunde gehen sie erst durch Schädlinge, die das ausnutzen und nun leichtes Spiel haben. Das klingt durchaus plausibel. Man denke nur an den Fichten-Borkenkäfer und die Pilzinfektionen vieler Buchen, die Förster im Moment beobachten.
Doch womöglich ist der Klimastress inzwischen so groß, dass er allein Bäume umbringt. Ansgar Kahmens Arbeitsgruppe hat just Anfang 2018 eine neue Versuchsfläche in einem Mischwald im Schweizer Jura eingerichtet. Vom Kran aus können die Forscher dort Messungen bis in die Baumkronen vornehmen:
"Interessanterweise konnten wir im letzten Sommer beobachten, dass Bäume wirklich ohne Einfluss von Insekten oder Schadpilzen vertrocknet sind. Und dass die auch, was man eigentlich für fast unmöglich gehalten hat in der Fachwelt – dass die tatsächlich ihre kompletten Kohlenhydrat-Reserven in so einer Dürrephase aufbrauchen können und dann de facto leer sind. Die kommen tatsächlich an ihre physiologischen Limits."
Das ist vor allem auf die flachwurzelnde Fichte gemünzt, die auch in der Versuchsfläche steht:
"Wir konnten jetzt für 2018 erstmals zeigen, dass es nicht nur der Käfer ist, sondern dass die Fichte tatsächlich auch einfach vertrocknen kann."
Ein ernüchternder Befund auch bei der Buche. Erstmals seien jetzt bei großen Exemplaren im Wald sogenannte Kavitationsereignisse nachgewiesen worden, sagt der deutsche Botaniker. Andere sprechen auch von Luftembolien. Damit ist gemeint, dass die Wasserfäden in den Leitungsbahnen der Bäume bei starker Trockenheit reißen:
"Da konnten wir jetzt dieses Jahr zeigen, dass diese physiologischen Schäden, die im Jahr 2018 aufgetreten sind, nach wie vor vorhanden sind, das heißt diese Wasserleitbahnen sind nach wie vor mit Luft gefüllt. Der Baum konnte das nicht über den Winter reparieren. Das heißt, die Perspektiven sind da eigentlich nicht so gut."
Atmung zu heiß gelaufen
Womöglich war für viele Fichten und Buchen auch die extreme Hitze im vorigen und in diesem Sommer fatal. Ihre Atmung könnte dadurch quasi zu heiß gelaufen sein, wie Kahmen vermutet. Das ist der Prozess, bei dem Bäume das aus der Luft aufgenommene CO2 umsetzen. Je höher die Temperatur, desto intensiver die Atmung:
"Eine Möglichkeit, warum die Bäume tatsächlich ihre Stärke-Reserven offensichtlich aufgebraucht haben, kann damit zusammenhängen, dass sie einfach bei diesen hohen – anhaltend hohen – Temperaturen ihre Atmung nicht mehr richtig kontrollieren konnten. Aber das ist alles wissenschaftlich nicht ganz klar. Ich persönlich bin der Meinung: Dass wir diese wirklich sehr, sehr massiven Effekte 2018 gesehen haben, hängt wirklich mit der Temperatur zusammen."
Die wird in Zukunft noch häufiger die 40-Grad-Marke knacken. Auch von Dürren erwarten Klimaforscher, dass sie weiter zunehmen. Der Hitze- und Trockenstress für den Wald wird also sicher noch größer werden.
Welche Baumarten kommen am besten mit den Hitzerekorden klar?
Freiland-Untersuchungen wie die im Schweizer Jura sollen zeigen, welche Baumarten damit noch am besten klarkommen. So richtig weiß das im Moment niemand. Auch Ansgar Kahmen nicht:
"Das sind wirklich Ausnahmeereignisse, die sich jetzt auch häufen. Und wir können, was jetzt die Prognosen für den Wald betrifft, eigentlich nicht von unseren Erfahrungswerten aus der Vergangenheit zehren. Und das macht’s extrem anspruchsvoll, da fundierte Aussagen zu treffen, wo’s hingeht."