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Klimawandel
"Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der Menschen"

Der Klimawandel befördert schon heute Konflikte in bestimmten Regionen. Im Tschad beispielsweise komme es zunehmend zu Konflikten rund um knapper werdende Ressourcen, so Lukas Rüttinger vom Forschungsinstitut adelphi im Dlf. Die fehlenden Lebensgrundlagen mache es Terrorgruppen leichter, junge Menschen zu rekrutieren.

Lukas Rüttinger im Gespräch mit Jule Reimer |
    Sie sehen Rinder, die durch das nahezu ausgetrocknete Flussbett des Ngadda waten, der in Richtung Tschadsee fließt. Die Aufnahme stammt von Dezember 2016.
    Je mehr Dürre, je mehr wirtschaftliche Schwierigkeiten, sagt Lukas Rüttinger im Hinblick auf die Tschad-Region (AFP / Stefan Heunis)
    Jule Reimer: Nicht nur Frankreich engagiert sich stark gegen den Klimawandel. Auch die Regierung der Niederlande tut dies – nicht zuletzt, weil die Niederländer über lange Küsten verfügen und sie den Anstieg des Meeresspiegels entsprechend zu spüren bekommen. In Den Haag tagt derzeit auf Einladung der niederländischen Regierung eine große Konferenz von Sicherheitsexperten. Unter anderem ist das renommierte Stockholmer SIPRI-Institut beteiligt. Diese Sicherheitsexperten sehen die Klimaerwärmung mit großer Sorge. Mit dabei ist Lukas Rüttinger, der beim Berliner Forschungsinstitut adelphi die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Sicherheit bearbeitet. – Herr Rüttinger, plus drei Grad, die uns da prophezeit werden, das passiert ja eigentlich erst in Jahrzehnten. Gibt es aber jetzt schon Regionen, wo der Klimawandel vermutlich oder tatsächlich Konflikte befördert?
    Lukas Rüttinger: Ja, das kann man schon auf der ganzen Welt beobachten. Ein konkretes Beispiel ist die Tschad-Region, die im Moment vor allem durch Aktivitäten und den Terror von Boko Haram bekannt ist. Aber die Auswirkungen des Klimawandels verstärken dort auch den Druck auf natürliche Ressourcen wie Land und Wasser und haben damit auch zunehmend negative Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung sind Bauern, Viehzüchter und Fischer, die direkt von diesen natürlichen Ressourcen abhängen, und wenn man sich nun die Konfliktdynamiken dort ein bisschen genauer anschaut, dann kann man zwei Dinge beobachten. Und zwar zum einen, dass es zunehmend zu Konflikten rund um knapper werdende Ressourcen wie Land und Wasser kommt. Und zweitens, dass die fehlenden Lebensgrundlagen und die fehlenden ökonomischen Perspektiven es bewaffneten Gruppen wie Boko Haram leichter machen, junge Menschen und vor allem auch junge Männer zu rekrutieren. Diese Dynamiken tragen dann mehr Konflikten und Unruhen bei und die Folge ist ein Teufelskreislauf aus zunehmender Unsicherheit und fehlenden Lebensgrundlagen, der dann immer weiter durch den Klimawandel angeheizt wird.
    "Nicht nur an den Symptomen herumdoktern"
    Reimer: Wir haben eine ziemlich schlechte Telefonleitung, aber wir versuchen es trotzdem noch mal weiter. – Sie haben beschrieben, wie die Konfliktlage da aktuell schon ist. Das Ganze wird verschärft, je mehr Dürre, je mehr wirtschaftliche Schwierigkeiten. Was kann man tun, damit die Sicherheitslage sich verbessert?
    Rüttinger: Wichtig ist vor allem, um solche Krisen zu lösen, darf man nicht nur an den Symptomen herumdoktern. Das heißt vor allem, dass wir nicht nur kurzfristig humanitäre Hilfe leisten müssen, die natürlich wichtig ist. Aber wir müssen auch vor allem langfristig zum Beispiel durch Entwicklungsprojekte an den grundlegenden Problemen arbeiten, die dahinter liegen. Das können zum Beispiel Projekte sein, die jungen Menschen ökonomische Perspektiven eröffnen, die nicht so vulnerabel gegenüber der Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen machen, oder sicherstellen, dass zum Beispiel Bauern und Viehzüchter den gleichen Zugang zu Land und Wasserressourcen haben und damit den Konflikten hier präventiv entgegengegangen wird.
    Reimer: Das heißt auch eine Aufgabe für die deutsche Außenpolitik. – Haben Sie denn insgesamt den Eindruck, dass dieser Zusammenhang zwischen Klimawandel und Sicherheit erkannt wird?
    Rüttinger: Erkannt wird er auf jeden Fall. Soweit sind wir. Das wird auch immer wieder deutlich, dass das immer wieder vom UN-Sicherheitsrat als ein Thema aufgegriffen wird. Wir hatten die G7-Außenminister, die sich relativ stark dazu geäußert haben. Das Wichtige ist jetzt eigentlich, dass wir über diese Erklärung, das ist ein wichtiges Thema und das sind wichtige Hilfen, auch zu Aktionen und zur Umsetzung kommen, dass wir endlich diese Risiken auch vor Ort angehen.
    Zu wenig Aufmerksamkeit auf grundlegende Probleme
    Reimer: Was würden Sie sich wünschen an Aktionen?
    Rüttinger: Vor allem ist es wichtig, dass Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik erst mal an einem Strang ziehen, dass sie zusammenarbeiten. Und dann, dass wir versuchen, die Silos, in denen sich diese Politikfelder bewegen, aufzubrechen. Das ist auch ein Ziel der Konferenz hier, die Politiker aus diesen verschiedenen Bereichen zusammenzubringen, damit sie zusammen sprechen können und sich überlegen, welche Rolle Diplomaten, Sicherheitspolitiker und Entwicklungspolitiker spielen müssen, um diese komplexen Dinge anzugehen.
    Reimer: Jetzt ist Bundeskanzlerin Angela Merkel zwar nicht beim Klimagipfel in Paris, aber sie wird morgen nach Paris kommen. Da ist nämlich der G5-Sahelallianz-Gipfel, wo es genau um Sicherheitsprobleme in dieser Region geht. Haben Sie den Eindruck, da wird auch dann über Klimawandel gesprochen, oder ist diese Allianz noch nicht so weit?
    Rüttinger: Das Problem ist, dass sich oftmals auf die kurzfristigen Sicherheitsrisiken zu stark konzentriert wird, zum Beispiel auf den Kampf gegen den Terror, auf den Kampf gegen diese Gruppen selber, und dabei die grundlegenden Probleme nicht ausreichend Aufmerksamkeit bekommen, die darunter liegen, also die eigentlichen Treiber, die fehlenden Perspektiven, die fehlenden Lebensgrundlagen, und dass darauf eigentlich noch ein viel größerer Fokus gelegt werden muss. Und auch dann die Anpassung an den Klimawandel, und das spielt meistens in diesen hochrangigen Gremien bis jetzt leider keine Rolle.
    Reimer: Das heißt, Soldaten hinschicken allein reicht nicht – vielen Dank an Lukas Rüttinger vom Berliner Forschungsinstitut adelphi zum Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und Sicherheitslage.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.