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Klimawandel
Deutschland braucht intelligentes Wassermanagement

Regenreiche folgen auf dürre Jahre - Deutschland muss sich auch in Zukunft auf sehr ungleich verteilte Niederschläge einstellen. Es braucht dafür intelligentes Wassermanagement, um die Ressource bei Überfluss speichern und bei Bedarf verteilen zu können.

Von Dirk Asendorpf |
Luftbild von Entwässerungsgräben im Naturschutzgebiet Haseldorfer Marsch
Wasser intelligent sammeln statt es einfach nur abzulassen, ist ein Grundsatz des Wassermanagement (picture alliance / blickwinkel / C. Kaiser)
Mitten in der Wesermarsch im Nordwesten der Republik. Saftig grüne Wiesen bis zum Horizont, dazwischen schnurgerade Entwässerungsgräben. In einem davon öffnet Arno Krause das Schott.
"Diese norddeutsche Tiefebene wäre ohne ein System der Entwässerung gar nicht in die landwirtschaftliche Produktion zu bekommen. Da ist ein ganzes System von mehreren tausend Kilometern allein in der Wesermarsch von Gewässern dritter Ordnung geschaffen worden, und die transportieren das Wasser weg in die Gewässer zweiter Ordnung, dann in die Weser und von der Weser ins Meer."
Viele Milliarden Liter Süßwasser werden so jedes Jahr aus dem Land gespült. Wasser, das an anderer Stelle fehlt. Arno Krause ist Chef des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen. Das von Landwirtschaft und Verwaltung gemeinsam getragene Institut erforscht, welche Rolle Gräben und Schöpfwerke in Zukunft bei der Bewältigung des Klimawandels spielen können. Schon jetzt sind dessen Auswirkungen nicht zu übersehen: Am Rand der feuchten Wiesen stehen vertrocknete Birken.
"Wenn zu der Entwässerung noch Dürrejahre kommen – wie 2018 mit extremen Dürren –, dann sieht das natürlich für die Vegetation, aber auch für die Bäume nicht gut aus", sagt Krause.

"Im Sommer fehlt Wasser, im Frühjahr und Winter zu viel"

Es klingt absurd: die Birken sind auf einem ehemaligen Moorstandort vertrocknet, und das, obwohl über das ganze Jahr gesehen auch 2018 genug Regen gefallen war. Verändert hat sich nur die Verteilung.
"In den Sommermonaten, da fehlt uns das Wasser", sagt Krause. "Und im Frühjahr oder im Winter, da haben wir einfach zu viel davon."
Wenn am Jahresbeginn weniger Wasser in die Nordsee gepumpt würde, gäbe es im Sommer kein Dürreproblem. Das gilt nicht nur in der Wesermarsch. In vielen Regionen Deutschlands fehlt in der Vegetationsperiode zwischen Mai und Juli inzwischen Wasser, das im Winter und Frühjahr im Überfluss vorhanden ist. Benötigt wird eine Infrastruktur, die das Wasser von der einen bis zur nächsten Jahreszeit zurück halten kann. Der Experte spricht von Retention.
"Wir müssen Retentionsbecken schaffen, dass wir Stauwehre einbauen, intelligentere Stauwehre, die miteinander auch kommunizieren. Und dass wir die Akteure hier oben mitnehmen auf einem Prozess, der von Wasserabfluss auf Wassermengenmanagement umsteigt."
Bürger füllen am 15.12.2017 Wasserkanister an einer natürlichen Quelle in Kapstadts Vorort Newlands auf. Damals war das Wasser in der südafrikanischen Stadt knapp und entsprechend rationiert.
Viertel der Weltbevölkerung hat zu wenig Wasser
Weltweit hat sich der Wasserverbrauch in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt. Immer mehr Länder leiden laut der Washingtoner Denkfabrik World Resources Institute unter extremer Wasserknappheit.

Blockiert durch widerstreitende Interessen

Klingt gut, ist in der Praxis aber gar nicht so einfach umzusetzen. Denn rund um das Wasser gibt es sehr unterschiedliche Interessen.
Die Landwirte wollen zum Beispiel nicht immer nasse Wiesen. Am Ende des Winters brauchen sie möglichst trockene. Sonst versinken ihre Traktoren mit den schweren Tankwagen im Matsch. Dann kann die Gülle nicht aufs Feld. Das muss sie aber, denn nach dem Winter, in dem das Ausbringen verboten ist, laufen sonst neben den Ställen die Tanks über.
Oder Wasserversorger und Industrie: Wenn sie Trinkwasserbrunnen erweitern oder neue anlegen wollen, stoßen sie auf zunehmenden Widerstand von Umweltorganisationen. Sie kämpfen gegen die Grundwasserabsenkung, die mit jeder Trinkwasserförderung verbunden ist. Meist wird der Streit ums Wasser mit schlechten Argumenten ausgetragen, denn es fehlen verlässliche, öffentlich zugängliche und digital aufbereitete Daten zu den Kreisläufen des Wassers.
Selbst die Frage, wie viel Wasser jedes Jahr in die Nordsee gepumpt wird, lässt sich nicht seriös beantworten. Und die zuständigen Ministerien blockieren sich gegenseitig.
"Wir reden ja hier davon, ein Paradigma, was über Jahrhunderte gewachsen ist, völlig auf den Kopf zu stellen. Das Zweite ist: Die Größenordnung von solchen Investitionsmaßnahmen ist gigantisch. Und das Dritte ist: Wir haben es hier zu tun mit einer auch ministeriumsübergreifenden Änderung. Ich habe die Landwirtschaft, die dem Landwirtschaftsministerium unterliegt. Und ich habe ein Wassermanagement, was dem Umweltministerium zugeordnet ist. Das macht die Sache sehr komplex: die Größenordnung und die Beteiligung der vielen Akteure."

Es mangelt nicht an Wasser, nur an guter Verteilung

Immerhin: Wasser gibt es genug in Deutschland. Von den 188 Milliarden Kubikmetern, die im Durchschnitt jedes Jahr durch Regen und Flüsse ins Land kommen, wird nur ein Bruchteil verwendet, im Durchschnitt sind es weniger als 15 Prozent. Von Wasserstress spricht man international erst ab einem Wert von über 20 Prozent, viele europäische Länder vor allem rund ums Mittelmeer liegen weit darüber. Trotz mancher Dürrejahre: Woran es in Deutschland wirklich fehlt, ist nicht das Wasser, sondern ein intelligenter Umgang damit.